Als im Doppler das Frostschutzmittel lauerte

Die mittlerweile allgenwärtigen Schauräume von "Edel"-Winzern belegen den Statuswandel beim Weinkonsum.
Seit Monaten hatte man über pantschende Winzer gemunkelt. Im Sommer 1985 ist der heimische Weinskandal dann mit einem Knalleffekt aufgeflogen. Am 9. Juli wurde bestätigt, dass zahlreiche burgenländische Weine mit Diethylenglycol versetzt worden waren.

Der "Glykolskandal" war nicht mehr zu leugnen. Am 20. Juli wurden die ersten Winzer verhaftet, die ihre Weine mit der Chemikalie versetzt hatten. Das meist als Frostschutzmittel verwendete Glykol versüßte die Weine zu vermeintlichen Prädikatsweinen.

Typisch österreichische Reaktion
Die anfängliche Reaktion war typisch österreichisch: Man sprach von einzelnen "schwarzen Schafen", so lange es nur ging, verwies auf Fälle von Weinpantscherei in anderen Ländern, die viel schlimmer seien, und versprach schließlich strengere Kontrollen.

Der damalige Landwirtschaftsminister Günter Haiden (SPÖ) setzte die strengen Gesetze, die die Winzer zu neuen Standards zwangen, schließlich auch durch. Dank bekam er dafür keinen, dem Kabinett von Franz Vranitzky (SPÖ) ein Jahr später gehörte er nicht mehr an.

Wütende Winzer
Haiden hatte sich durch das Weingesetz bei den Winzern zur Hassfigur gemacht. An ihre wütenden Demonstrationen gegen das Gesetz erinnert sich heute kaum jemand; ebenso wenig wie an die Prophezeiung, dass das Gesetz die Weinwirtschaft ruinieren werde.

Gerade die Winzer verweisen auf die gesetzlichen Regelungen inzwischen als "Qualitätssiegel" für heimische Weine. Und statt der Horrorszenarien von damals exportieren die heimischen Winzer inzwischen jährlich 20 Millionen Liter mehr als vor 1985.

Pro-Kopf-Verbrauch dauerhaft gesunken
Dabei erwiesen sich einige der Prognosen von damals als erstaunlich zutreffend - nur wurden die falschen Schlüsse daraus gezogen, etwa beim Einbruch des durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauchs von Wein in Österreich. Der lag vor dem Weinskandal bei rund 37 Litern pro Jahr.

Durch den Skandal brach der Konsum erwartungsgemäß auf rund 33 Liter ein - laut damaligen Aussagen der Winzer zu wenig, um überleben zu können. Heute liegt der Konsum allerdings bei 29,2 Litern, und den meisten Winzern geht es blendend.

Qualität statt Masse
Die Lösung für das vermeintliche Paradoxon ist einfach. Waren die Weinregale im Supermarkt damals von Zwei-Liter-"Doppler"-Flaschen dominiert, finden sich dort heute nur noch kleinere Gebinde in Vinothek-Aufmachung. Der Preis pro Flasche ist beinahe gleich geblieben.

Der Skandal fand damit ein wahres Happy End: Die Winzer fanden in bewussteren Konsumenten Abnehmer für bessere Ware. Die mittlerweile in jedem Weinanbaugebiet allgegenwärtigen Winzerschauräume in edler Aufmachung belegen den Statuswandel beim Weinkonsum.

Guter Wein auch ohne Beton
Weintrinker, denen es weniger um inszeniertes Gourmet-Flair und bereits klischeehafte Beton-Glas-Stahl-Winzerarchitektur geht, bekommen wiederum bei Weinbauern ohne "großen Namen" inzwischen auch fast durchwegs hohe Qualität - um weniger Geld und vielleicht sogar immer noch im "Doppler".

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: