Viele offene Fragen

Gerüchte und Spekulationen über eine völlige Neuordnung des heimischen Medienmarkts.
Nach dem Tod von "Krone"-Hälfteeigentümer Hans Dichand erhält der deutsche WAZ-Konzern, der ebenfalls 50 Prozent an Österreichs größter Tageszeitung hält, mehr Eigentümerrechte. Als Alleingeschäftsführer und Herausgeber hatte Dichand das alleinige wirtschaftliche Sagen in der "Krone". Sein 50-Prozent-Anteil an der "Krone" geht nun auf die Familie über. Als Haupterbin gilt dabei Ehefrau Helga Dichand (73).

Den Posten des Alleingeschäftsführers mit allen personellen Vollmachten gibt es nun nicht mehr. Die Geschäftsführung wird künftig paritätisch besetzt, Dichands Erben und die WAZ entscheiden in wirtschaftlichen und personellen Fragen gleichberechtigt. Das Vorschlagsrecht für den "Krone"-Chefredakteur - seit 2003 Dichands jüngster Sohn Christoph - liegt weiter bei der Familie Dichand. Doch in all das könnte nun Bewegung konmmen - auch wenn die WAZ ihren Anteil jetzt zumindest halten will.

Rückkauf vorerst gescheitert
Dichands letzter Wille, nämlich die "Krone" wieder ganz unter das Dach der Familie zu holen, blieb ihm letztlich verwehrt. Bis Pfingsten war eine von der WAZ gesetzte Frist für den Rückkauf der "Krone"-Anteile ohne Ergebnis verstrichen. Kolportiert wurden in den vergangenen Wochen auch Meldungen, wonach Dichand sogar überlege, seine umfangreiche und sagenumwobene Kunstsammlung zu veräußern, um die WAZ auszukaufen und wieder ganz eigener Herr im "Krone"-Haus zu sein.

Auftritt Raiffeisen?
Zuvor hatte es geheißen, Raiffeisen könnte die WAZ-Anteile nicht nur an der "Krone", sondern auch am "Kurier", wo sie ohnehin schon Mehrheitseigentümerin ist, übernehmen. Spekuliert wird nun, ob die Variante wieder zur Debatte steht. Wenn ja, hätte das noch weitere mögliche Folgen. Die "Presse" spekulierte, dass in einem solchen Fall das Raiffeisen-Engagement bei der Tageszeitung "Österreich" auf der Kippe stehen würde.

Neuordnung des gesamten Markts?
Genauso wurden nach Spannungen zuletzt auch wieder Gerüchte über eine Trennung von "Kurier" und "Krone" laut: Die "Krone" könnte die "Kurier"-Anteile an der gemeinsamen Mediaprint kaufen. Der "Kurier" müsste sich dann wohl neue strategische Partner suchen.

Jedenfalls wird erwartet, dass bei einer Neuordnung des Zeitungsmarkts auch der Styria Verlag, die Tiroler Moser Holding und Wolfgang Fellner mit "Österreich" nicht untätig zusehen würden - und dann wären fast alle Konstellationen möglich. Als Geldquelle wiederum wurden neben Raiffeisen auch mögliche Kredite der Erste Bank genannt.

WAZ will Anteil behalten
Die deutsche WAZ will allerdings vorerst ihren Anteil an der "Kronen Zeitung" nach Dichands Ableben nicht mehr verkaufen. Das sagte Bodo Hombach, einer der WAZ-Bosse, im Ö1-Interview. Man hat sogar das grundsätzliche Interesse, die "Kronen Zeitung" zur Gänze zu übernehmen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Alles anders bei der "Krone"?
Wie es bei der "Krone" inhaltlich weitergeht, steht ebenfalls in den Sternen: "Die einen sagen, es wird komplett anders, die anderen sagen, es bleibt gleich", meinte ein "Krone"-Mitarbeiter am Donnerstag. Neben Ehefrau Helga gibt es die Kinder Michael (48), Johanna (46) und Christoph (45).

Der älteste Sohn Michael war Biobauer, beschäftigt sich mit erneuerbaren Energien und lebt hauptsächlich in den USA. Tochter Johanna hat vom Vater den Kunstsinn geerbt, arbeitete als Galeristin und ist Gesellschafterin und Aufsichtsrätin im Dorotheum.

Sohn in den Fußstapfen
Dichand setzte seine Hoffnungen für die "Krone"-Zukunft ganz auf seinen Sohn Christoph, den er bereits 2001 öffentlich als seinen Nachfolger positionierte. Am 1. Februar 2003 übernahm der promovierte Jurist den Posten des Chefredakteurs in der "Krone".

Das Medienhandwerk hatte Christoph, der 1993 in Innsbruck zum Thema "Der Persönlichkeitsschutz im Mediengesetz" dissertierte, zuvor als Chefredakteur der Sonntagsbeilage "Krone bunt" erlernt. In New York studierte er in den 90er Jahren bei den Boulevardzeitungen "New York Post" und "Daily News" außerdem die Covergestaltung.

Eva Dichand als Machtfaktor
Wie sein Vater blieb auch Christoph Dichand stets im Hintergrund, auch wenn er sich in den vergangenen Jahren - mit betont bescheidenem Auftreten - bei diversen Medienterminen gemeinsam mit Ehefrau Eva blicken ließ. Diese bildet als Herausgeberin der Gratiszeitung "Heute" mittlerweile einen eigenen Machtfaktor im Dichand-Clan. Gemeinsam mit der "Krone" erreichte das Gratisblatt 2009 etwa 60 Prozent aller Wiener - eine Größe, über die auch die Politik nicht ohne weiteres hinwegblicken kann.

Eva Dichand wird in der Branche finanzielles und verlegerisches Geschick attestiert, und auch vom Schwiegervater wurde ihr Wirken stets wohlwollend betrachtet. Sie galt deshalb immer wieder als Kandidatin für höhere "Krone"-Weihen. Zuletzt wurde sie Anfang der Woche auf eine mögliche Zukunft angesprochen. Eva Dichand blieb dabei aber vage: "Ich glaube nicht, dass es das Problem der 'Kronen Zeitung' ist, einen guten Manager zu finden."

Inhaltlicher Kurswechsel attestiert
Wesentlich rascher könnte es mit einer "Krone"-Neuausrichtung unterdessen in der Redaktion selbst gehen. Branchenkenner glauben bereits in der jüngsten Berichterstattung über Arigona Zogaj einen inhaltlichen Kurswechsel zu erkennen. Heftige Kritik an der Feigheit der Spitzenpolitik und ordentliche Bandagen für die Innenministerin durch "Krone"-Innenpolitikchef Claus Pandi und "Krone"-Kolumnist Michael Jeannee während des krankheitsbedingten Dichand-Vakuums wertet der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell etwa als erste Zeichen der Bewegung.

"Ein Kurswechsel ist möglicherweise bereits in Gang", so Hausjell. "Man wird sehen, ob sich jetzt jene Kräfte durchsetzen, die schon seit einiger Zeit eine inhaltliche Reform der 'Krone' durchsetzen wollen. Es gibt in der Redaktion viele humanistisch gebildete und kluge Köpfe, die die 'Krone' zu einem anderen Massenblatt machen und auf einen Boulevard mit sozialer Verantwortung bringen wollen."

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