Auch wenn Helena - aufgrund ihrer Schönheit und Untreue - gemeinhin als Auslöserin des zehnjährigen Krieges zwischen Griechenland und Troja gilt, ist die Zeus-Tochter hier ein unschuldiges Opfer.
Getäuschte Männerwelt
Während Paris nämlich (getäuscht von den Göttern) ein Abbild der schönen Griechin entführt hat, ist die wahre Helena auf einer abgelegenen ägyptischen Insel verwahrt worden.
Dort hat sie sich vor Sehnsucht nach ihrem Gatten Menelaos verzehrt und unter ihrem Ruf als untreue Kriegsverantwortliche gelitten.
Minichmayr als schönste Frau der Welt
Birgit Minichmayr als ebenso schöne wie verzweifelt gestrandete Helena überzeugt schauspielerisch, auch wenn das Stück erst gegen Ende des mehr als zweistündigen Dramas für einen Moment komische Situationen und Spielmöglichkeiten bietet.
Als Helenas Gatte Menelaos muss Ernst Stötzner - anfangs verständlicherweise ungläubig - schließlich erkennen, dass er den Trojanischen Krieg zehn Jahre lang um das Luftgebilde seiner Frau geführt hat.
Komödiantisches Ende - geteilte Reaktionen
Gemeinsam schmiedet das wiedervereinte Paar einen listigen Fluchtplan gegen den einfältig-tollpatschigen Inselkönig Theoklymenos (Johann Adam Oest).
Drama ohne Spannungsbogen
So weit die Geschichte. Dass das Stück als so gut wie vergessen galt, hat seine Gründe: Die Idee hält als Bühnentext nicht das, was sie inhaltlich bieten würde, dafür fehlt ihr ein Spannungsbogen genauso wie ein richtiger Höhepunkt.
Auch die Ironie, die der Text in der alliterationsgespickten Übersetzung von Peter Handke doch transportiert, geht aufgrund fehlender Regieideen oft verloren.
Irritierende Saalbeleuchtung
So kommt das Stück sehr lange nicht in Fahrt und die Handlung nicht voran - ein Eindruck, der sich dadurch verstärkt, dass ohne erkenntlichen dramaturgischen Hintergrund das Saallicht fast durchgehend das Publikum erhellt.
Dadurch unbeeinflusst beeindruckt jedoch die schöne Bildersprache: Ein leuchtender Bogen überspannt den Zuschauerraum und setzt sich als bühnenteilende Wasser- und Blutrinne fort.
Schulmädchenkommentare von links
Die klug gelöste Bühne von Karl-Ernst Herrmann spaltet sich so in zwei Teile: rechts Wüste, karge Insellandschaft und ein gestrandetes Boot, links die Bibliothek, in der sich ein Chor aus Schulmädchen über weite Teile der Inszenierung kommentierend und beobachtend durch alte Bücher wühlt.
Im Hintergrund leuchtet an der schwarzen Wand das Zwillingssternbild Castor und Pollux, die mythologischen Brüder der Helena, die sich auch aus dem Off, begleitet von eindrucksvoll bebilderten Felsstürzen, zu Wort melden.
Ohne zündende Idee
Bondy scheint im Großen und Ganzen die zündende Idee gefehlt zu haben, mit der er des griechischen Dramas Herr geworden wäre. So glänzt die Inszenierung primär aufgrund eines hervorragenden Ensembles und der beindruckenden Bildersprache.
Das Publikum bedankte sich beim hochkarätigen Ensemble mit freundlichem Applaus - nur für Regisseur Bondy mischten sich deutliche Buhrufe in die Reaktionen.
Sophia Felbermair, ORF.at
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