Die wahren Fans

Angekettete Sessel und Leitern für ein Foto oder ein Autogramm der Stars.
Sie gehören zu Cannes wie die barbusigen Starlets, die jedes Jahr mit nackter Haut die Aufmerksamkeit der Fotografen und Produzenten suchen: die "Groupies" auf dem roten Teppich.

Weder bei den Filmfestspielen in Berlin noch in Venedig sind diese Groupies zu finden, die zu Hunderten ihre Klappstühle und Leitern mit Fahrradschlössern an der Straßenabsperrung vor dem roten Teppich anketten.

Sie sichern sich schon in der Früh ihren Platz vor dem Festivalpalast an der Uferpromenade, um abends ein Foto oder ein Autogramm der Stars und Promis zu ergattern, die - in Dior, Chanel oder Gucci gekleidet - die Stiegen hochschreiten.

"Stühle und Leitern anketten"
Die Groupies sind ein Cannes-Phänomen, denn nirgendwo sonst haben sich Möchtegernfotografen, Fans und Autogrammjäger so organisiert wie in der südfranzösischen Stadt. Sie stehen schon da, bevor das Festival beginnt und der rote Teppich ausgelegt ist.

"Wir warten darauf, dass die Stadt die Absperrung vor dem roten Teppich aufbaut, damit wir unsere Sessel und Leitern anketten können, um so unseren Platz zu sichern", sagt Julien.

Seit 15 Jahren dabei
Der 70-Jährige gehört zu den Glücklichen, die ihren Stuhl in der ersten Reihe genau vor dem Eingang des Filmpalasts stehen haben - dort, wo die Limousinen halten und die Stars aussteigen. Um sich diesen Platz zu sichern, habe er sich bereits Dienstagnacht vor dem Festivalpalast aufgestellt. Die Absperrung wurde um 7.00 Uhr errichtet.

"Der Kampf um die Plätze wird immer härter", sagt der Pensionist aus Montelimar in der Nähe von Avignon, der seit 15 Jahren seinen von der Sonne gebleichten Klappstuhl in Cannes aufstellt. Früher, vor mehr als zehn Jahren noch, hätten sie rechts und links neben dem Haupteingang gestanden und hinter dem Podium, auf dem sich die offiziellen Festival-Fotografen postieren.

Grüße vom Bürgermeister
"Von dort aus konnte man kaum etwas sehen", sagt Julien. Auf einmal habe man sich direkt vor den Stiegen postiert und niemand habe etwas dagegen gesagt, weder Polizei noch Stadtverwaltung. Im Gegenteil: "Der Bürgermeister fährt manchmal in der Früh hier vorbei und grüßt uns."

Die Cannes-Groupies sind harmlos. Keiner schreie hysterisch, begehe Harakiri oder versuche, einem der Stars zu nahezukommen, sagt Julien.

Cannes-Veteranen
Die meisten sind Cannes-Veteranen und kennen einander. Claude, der seine Leiter hinter Juliens Klappstuhl gestellt hat, steht sich ebenfalls schon seit 15 Jahren die Beine in den Bauch, um Sophie Marceau und Sharon Stone abzulichten. "Ich habe rund 20.000 Starfotos in diesen Jahren geschossen", sagt der bald 71-Jährige, der mit seiner Safarijacke und den unzähligen Badges (Abzeichen), die er um sich hängen hat, wie ein Paparazzo aussieht.

"Presse-Club Cote d'Azur" ist auf einem zu lesen, "Grand-Reporter" auf einem anderen. "Die meisten sind falsch. Ich habe hier auch einen Arbeitslosenausweis hängen", lacht er.

Fotos für Benefizveranstaltungen
Claude kommt jedes Jahr aus Dijon im Burgund. Der Hobbypaparazzo organisiert mit seinen Fotos Ausstellungen für Benefizveranstaltungen.

"Leider fehlt nach jeder Ausstellung oft die Hälfte der Bilder, aber ich mache ja jedes Jahr wieder neue." Dieses Jahr habe er bereits Alain Delon und Michael Douglas verewigt. Auch Julien zeigt sich mit seiner Ausbeute zufrieden: zum Beispiel ein Autogramm von Isabelle Huppert.

"Richtige Gemeinschaft"
Julien und Claude stehen in der Regel ab 9.00 Uhr vor dem Eingang und bewachen den ganzen Tag ihren Platz und den ihrer Freunde. "Wir sind eine richtige Gemeinschaft geworden. Ich achte heute auf die Stühle und Leitern hinter mir. Morgen übernimmt mein Nachbar", sagt Julien.

Wie lange er noch um seinen Platz kämpfen will? So lange es gesundheitlich gehe. Die Groupiegruppe und die Stars sind sein Leben.

Sabine Glaubitz, dpa

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