Den Trieb bezwingen

Botticellis Werke locken heute Massen in die Museen.
Als Alessandro di Mariano Filipepi - alias Sandro Botticelli - am 17. Mai 1510 starb, war er verarmt und als Künstler bereits in Vergessenheit geraten. Sein Schüler Filippino Lippi überstrahlte ihn mit seinem Ruhm. Heute kennen nur Kunstinteressierte Lippi.

Botticelli jedoch gilt als einer der prägendsten Maler der frühen Renaissance und zieht Massen an wie sonst nur Popstars. Weit über 300.000 Menschen pilgerten jüngst zur Jubiläumsschau in das Frankfurter Städel Museum. Die "Botti-Schlange" vor dem Gebäude gehörte für einige Monate zum Stadtbild.

Ein "Fässchen" als Goldschmied
Die meisten der Bilder, die heute jedes Kind kennt - wie etwa "Die Geburt der Venus" (Auch die Schaumgeborene oder La nascita de Venere), sind Auftragsarbeiten. Er arbeitete hauptsächlich für die Familie Medici und für den Vatikan in Rom und malte religiöse Bilder, mythologisch-allegorische Darstellungen und Porträts.

Dabei war dem Sohn eines Gerbers sein Werdegang bei der Geburt im Jahr 1445 nicht in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen in einem Florentiner Arbeiterviertel, wurde er von seinem Bruder "Fässchen" ("Botticelli") genannt, ein Spitzname, den er beibehalten sollte, auch als er Lehrling eines Goldschmiedemeisters wurde.

In der Lehre bei einem Meister
Schon bald sollte er sich jedoch seiner wahren Bestimmung zuwenden, dem Malen. Bereits im Alter von 19 Jahren begann Botticelli bei dem damals prominenten Künstler Filippo Lippi (nicht zu verwechseln mit Botticellis späterem Schüler Filippino Lippi) zu lernen. Sechs Jahre später eröffnete er seine eigene Werkstatt.

Botticellis distanzierte Schönheiten
Einen Namen machte sich der Maler, der sich dem Humanismus verpflichtet fühlte, schon früh mit Porträts, die auch sein Markenzeichen bleiben sollten. Allen voran begeisterten damals wie heute Botticellis Frauen durch ihre zarte, vergeistigte Schönheit.

Städel-Direktor Max Hollein etwa bekannte sich zu seiner "Begeisterung für einen Meister der Schönheit und des melancholischen Blicks". Botticelli schuf anmutige und distanziert wirkenden weibliche Ikonen, die bis heute das Schönheitsbild in Europa mitprägen.

Familiäres "Product Placement"
Nachdem die Medicis Botticelli für sich entdeckt hatten, ihn protegierten und mit Aufträgen eindeckten, konnte er sich zwanzig Jahre lang als Maler ohne finanzielle Sorgen im Rahmen der Wünsche seiner Mäzene selbst verwirklichen.

Er diente den Medicis nicht nur, indem er Porträts von ihnen anfertigte. Auch in seinen Bildern mit religiösen Motiven und allegorischen Darstellungen aus dem antiken Mythenreich konnte sich die einflussreiche Familie in Details wiederfinden.

Der Geist bezwingt den Trieb
Ein Beispiel dafür ist das Bildnis der Minerva mit dem Kentaur, das einst in einem Schlafzimmer der Bankiersfamilie gehangen haben soll. Die weibliche Gottheit bändigt hier durch ihre Besonnenheit den wütenden Kentauren, der sich seinen Trieben hingibt.

Auf dem Gewand der Minerva sind verwobene Diamantringe zu sehen, die als eines der Symbole der Medicis galten. Das Thema des Überwindens der Triebe durch den Geist beschäftigte antike Philosophen, und in ihrem Gefolge immer wieder auch Botticelli.

Die Sixtinische Kapelle
Neben den Medicis war der Vatikan der wichtigste Auftraggeber des Künstlers. So wurde Botticelli zwischen 1481 und 1482 gemeinsam mit anderen Malern dazu berufen, die Sixtinische Kapelle mit Porträts früherer Päpste und Darstellungen aus dem Leben Jesu auszugestalten.

Sorge um die Moral
Zu sinken begann Botticellis Stern nach dem Tod von Lorenzo I. de' Medici im Jahr 1492, dem zwei Jahre später die Vertreibung der Herrscherfamilie durch die Gefolgschaft des düsteren Weltuntergangspredigers Savonarola folgte.

Ob Botticelli zu dieser Gefolgschaft zählte, darüber widersprechen einander die Quellen. Als halbwegs gesichert gilt, dass Botticelli wie der Dominikaner um die moralischen Werte der florentinischen Gesellschaft fürchtete.

Von Da Vinci geschmäht
Seine Bilder wurden dunkler, strenger, nüchterner und riefen heftige Kritik hervor, vor allem die von Leonardo da Vinci, der zusammen mit Michelangelo zu den führenden neuen florentinischen Künstlern wurde.

Schließlich geriet Botticelli in Vergessenheit und starb 1510 zurückgezogen und verarmt. Er soll in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr gemalt haben.

Abgang im Schatten des Schülers
Heute ist Botticelli nicht nur populärer denn je, auch der Wert seiner Gemälde steigt ins Unermessliche. Alleine seine "Mystische Geburt" aus der Londoner National Gallery wurde, damit sie in Florenz gezeigt werden konnte, für eine Rekordsumme von 55 Millionen Euro versichert.

Zu Lebzeiten brachte das Botticelli freilich nichts, ein ehrenvoller Abschied blieb ihm verwehrt - ganz im Gegensatz zu seinem Schüler Lippi. Dessen Beliebtheit war so groß, dass nach seinem Tod 1504 alle florentinischen Werkstätten als Zeichen der Trauer ihre Geschäfte schlossen, als der Leichenzug des Malers vorbeizog.

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