"Alle angemessenen Kosten"

Exxon handelte Entschädigungen in 20 Jahre dauernden Prozessen auf einen Bruchteil der ursprünglichen Summe herunter.
US-Präsident Barack Obama hat angekündigt, dass British Petrol (BP) nach der Explosion einer Bohrinsel im Golf von Mexiko die Rechnung für die Ölkatastrophe zahlen müsse. Und selbst der Weltkonzern gibt sich derzeit überaus zahm und kündigte am Montag an, alle Kosten für die Reinigung übernehmen zu wollen - freilich mit dem Zusatz: "alle nötigen und angemessenen Kosten".

Angesichts der Ölpest im Golf von Mexiko, die derzeit eine einzigartige Fauna und Flora - möglicherweise unwiederbringlich - zerstört, lohnt ein Blick auf einen ähnlichen Fall, die Katastrophe des Tankers "Exxon Valdez" vor der Küste von Alaska vor 21 Jahren.

Drehbuch für Ölmultis?
Denn der Umgang des Ölmultis Exxon Mobil mit der damaligen Katastrophe klingt fast wie eine Anleitung für BP, um sich zu einem großen Teil aus der Verantwortung zu stehlen und Milliarden an Schadenersatzzahlungen zu sparen.

Ähnlich wie bei der "Exxon Valdez"-Katastrophe 1989 wurde auch nach der Explosion der Bohrinsel im Golf von Mexiko die Menge des austretenden Rohöls zu niedrig eingestuft und bereits mehrmals massiv nach oben revidiert.

Möglichst geringe Menge wichtig
Laut der Meerestoxikologin Riki Ott, die als betroffene Anrainerin nach der Ölkatastrophe im Prinz-William-Sund in einem Buch mit Exxon Mobil abrechnete, ist das - obwohl verboten - eine gängige Praxis bei Ölfirmen.

Der Hintergrund: Die Höhe der Strafzahlungen nach Ölverseuchungen richtet sich nach der Menge des ausgetretenen Öls. Laut Ott sparte sich Exxon Mobil mit einer niedrigen Mengenangabe vermutlich mehrere Milliarden Dollar.

So wie Exxon wird laut Ott auch BP versuchen, unter Verweis auf die Kosten für die Säuberungsaktion die Strafzahlungen herunterzuhandeln. Dabei habe sich Exxon einen großen Teil der Ausgaben von Versicherungen zurückgeholt - beziehungsweise vom Steuerzahler, via Abschreibung.

Millionen statt Milliarden
Mit solchen Tricks habe sich Exxon Zahlungen in Milliardenhöhe erspart. In Zivilverfahren seien die Umweltschäden auf acht Milliarden Dollar taxiert worden, Exxon habe aber nur 900 Millionen gezahlt.

Und bei Sammelklagen jener, deren Lebensgrundlage eingeschränkt wurde (etwa Fischer, Anm.), wurden den Klägern ursprünglich fünf Milliarden an Schäden zuerkannt. Gegen diese Urteil zog Exxon 20 Jahre lang durch alle Instanzen bis zum Obersten Gerichtshof, der die Summe schließlich auf ein halbe Milliarde herabsetzte.

Gutes Urteil für BP
Das Höchstgerichtsurteil in der "Exxon Valdez"-Causa ist für BP wichtig, da es die Verantwortung von Konzernen scharf eingrenzt. Die Umweltkatastrophe von 1989 zählt - nach der Menge des Ölaustritts - nicht einmal zu den 50 schwersten Ölkatastrophen. Doch gemessen an den Folgen für die Umwelt galt sie bisher als die schlimmste weltweit. Das könnte sich nun mit der Katastrophe vor der Küste Floridas und Louisianas ändern.

Auch Politiker haben Zweifel
Der US-Senat bereitet ein neues Gesetz vor, das die Haftung von Konzernen für die wirtschaftlichen Folgen von Ölverschmutzungen im Meer kräftig erhöhen soll. Künftig sollten die verantwortlichen Unternehmen mit bis zu zehn Milliarden Dollar (7,6 Mrd. Euro) für Folgeschäden etwa im Tourismus- und Fischereibereich haften, heißt es in dem am Montag in Washington vorgelegten Gesetzesentwurf.

Bisher müssen die Unternehmen zwar für die Beseitigung des Öls und die Reinigung der Küste zahlen. Für Entschädigungen an Betriebe gilt aber eine Obergrenze von 75 Millionen Dollar.

"Wir können nicht zulassen, dass der Steuerzahler diese Bürde schultern muss", sagte der demokratische Senator Robert Menendez. Sein Senatskollege Bill Nelson zweifelte in diesem Zusammenhang an der Ankündigung BPs, für die Kosten der Katastrophe vor der Golfküste geradezustehen. "BP wird nicht mehr zahlen, als sie gesetzlich verpflichtet sind", sagte der Demokrat. "Wir dürfen hier nicht lockerlassen."

"Beispiellose Katastrophe"
US-Präsident Obama befürchtet bereits die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes. "Wir haben es hier mit einer gewaltigen und möglicherweise beispiellosen Umweltkatastrophe zu tun", sagte er am Sonntag bei einem Besuch im betroffenen Küstenstaat Louisiana.

"Betrag steigt jeden Tag"
Die Kosten steigen nach Angaben des BP-Konzerns täglich. "Es ist zu früh, um eine Summe abzuschätzen", sagte ein BP-Sprecher am Montag in London. Es sei auch unklar, welche Schadenersatzforderungen auf BP zukämen. Derzeit koste der Einsatz gegen den Ölteppich etwa 6,5 Millionen Dollar (4,9 Mio. Euro) täglich. "Der Betrag steigt mit jedem Tag", erklärte der Sprecher.

"Legitime Forderungen"
BP werde "alle legitimen Forderungen wegen Schäden und Verlusten bezahlen, die objektiv überprüft werden können und mit der Ölpest zusammenhängen". Experten schätzen die Gesamtkosten auf bis zu 14 Milliarden Dollar (10,5 Mrd. Euro). Allein für die Reinigung verschmutzter Küsten und Meeresregionen würden sieben Milliarden Dollar (5,3 Mrd. Euro) benötigt.

Unmittelbar nach der Katastrophe, bei der mehrere Arbeiter auf der Plattform ums Leben kamen, waren Vorwürfe laut geworden, die Sicherheitsvorkehrungen seien aus Kostengründen nicht eingehalten worden.

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