Rainers Werk hat seinen Fixplatz in der österreichischen Architekturgeschichte. Man lebt etwa in Wien seit Jahrzehnten mit seinen Bauwerken zusammen und "bemerkt" sie kaum, weil sie nicht nach vordergründigen Effekten suchen.
An Bauwerke Rainers wie die Wiener und Bremer Stadthalle mit ihrer kühnen Dachkonstruktion stellte man gerade in den letzten Jahren zahlreiche Umbauwünsche. Man wollte die Gebäude an "zeitgemäße Bedürfnisse", wie es hieß, anpassen (nicht selten waren es vor allem wirtschaftliche Bedürfnisse, die diese Wünsche diktierten).
Welcher Raum wird wie genutzt?
Rainers Architektur ist stets eng mit städtebaulichen und stadtplanerischen Konzepten verbunden. Das schließt bei ihm die Überlegung ein, welche Flächen man verbaut, aber auch, welche Fläche frei von Bauwerken bleiben muss.
Rainer griff in seinen letzten Lebensjahren vehement in die Debatte über die Frage des Hochhausbaus ein. Seine Äußerungen wurden oft als eine radikale Ablehnung von Hochhäusern (miss-)verstanden.
Verschiedene Texte und Interviews Rainers belegen, dass er vor allem eine Fragestellung im Vordergrund sehen möchte: Wohin stellt man welchen Bautyp für welchen Zweck? Hochhäuser als Wohnbauten an Stellen mit viel Verkehr haben für Rainer, der sich schon früh mit dem "Garden City Movement" des Briten Ebenezer Howard auseinandersetzte, keinen Sinn.
Nutzung bestimmt die Form
"Meines Erachtens gibt es überhaupt kein falscheres Prinzip, als dort, wo Lärm ist und der Gestank der Abgase, Wohnungen zu bauen", zitiert der Band "Roland Rainer, Das Werk des Architekten 1927 - 2003" ein Interview mit Rainer. Ein Architekt, so das Credo Rainers, könne nicht einfach formale Blickpunkte setzen, "ohne zu fragen, was sie in der Nutzung bedeuten".
Rainers Architektur ist demgemäß nicht auf vordergründig Spektakuläres angelegt. Gebäude wie die Stadthalle in Wien belegen, wie sehr Rainers gesamte Architektur von funktionalen Gedanken durchzogen ist.
Große Räume, wegweisende Lösungen
Als Rainer die Stadthalle in den 50er Jahren konzipierte, galt es, eine zentrale Fragestellung zu lösen.
Wie schaffe ich eine multifunktionale Halle für 15.000 bis 20.000 Menschen, wo alle in gleichem Maß an Spektakeln unterschiedlichster Art teilhaben können? Und wie wird diese Halle nicht zu einem betriebswirtschaftlichen Fiasko, weil sie durch zu viel Raumfülle nicht klimatisierbar ist?
Rainers Lösung war eine für die damalige Zeit wegweisende Dachkonstruktion, bei der eine riesige Fläche von 100 mal 100 Meter nicht mit einer Kuppel, sondern einer innovativen Hängekonstruktion überspannt wurde. Über das begehbare Dach konnte der gesamte Hallenraum mit Beleuchtung und anderen technischen Elementen bedient werden.
Sichtbare Anatomie
Die funktionale Verschmelzung von Tribünen und Dachkonstruktion der Wiener Stadthalle erfuhr wenige Jahre später bei der Stadthalle in Bremen eine mehr als kühne Ausformung. Die markanten Tragwerke dieser Konstruktion, die asymmetrische Anlage der Halle setzen bis heute einen starken städtebaulichen Akzent.
Bei Rainers Bremer Projekt sieht man wahrscheinlich am ausdrücklichsten das, was der Architekt einmal als "sichtbare Anatomie der Gebäude" bezeichnet hatte.
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©Bild: AP/Joerg Sarbach |
"Überwindung des Eklektizismus"
Rainers Konzeption der Architektur mit sparsamen, stets funktionalen Mitteln ist sicher auch aus der Situation nach dem zweiten Weltkrieg entstanden.
In den 50er Jahren, so Rainer, sei es wie in den 30er Jahren "auf die Überwindung des Eklektizismus der Gründerzeit angekommen". In der Postmoderne, sagt Rainer, lebe genau dieser Eklektizismus wieder auf. Zu Rainers Vorstellung vom Bauen verhält sich dieser Architekturstil wie ein "Feindbild".
Beschränkung auf das Wesentliche
Die Beschränkung auf das Wesentliche zeigen seine frühen Projekte (Böhlerhaus), seine Wohnbauprojekte (etwa die Anlage auf dem Maurer Berg in Wien) ebenso wie jüngere Umbauprojekte (die Revitalisierung eines alten Biedermeierhauses in Wien durch einen viergeschoßigen, nüchternen Aufbau).
Kontroverse um Stadthallenbad
Dass es das gebaute Oeuvre des Architekten bisweilen schwer hat, die Anforderungen zeitgenössischer Nutzungswünsche zu erfüllen, zeigen die Umbaupläne für das 35 Jahre alte Stadthallenbad, die zuletzt für Diskussionen gesorgt hatten.
Unter anderen fürchtete die Österreichische Gesellschaft für Architektur um das Werk. Dieses wird nun für 17 Mio. Euro generalsaniert, wobei die verantwortliche Wien-Holding "einen behutsamen Umgang mit dem architektonischen Erbe" verspricht, was die Wogen auf allen Seiten geglättet zu haben scheint.
So ist der Rückbau kleinerer optischer Eingriffe an Fassade sowie Sprungtürmen vorgesehen und dem Vorhaben ein Fachmann des Denkmalamtes beigestellt.
Rastloser Kritiker von Bausünden
Erweiterungsbauten für Stadthalle und sein ORF-Zentrum hatten Rainer, dessen vielzitiertes Credo "Ich will nichts Neues, sondern das Richtige" lautete, noch im hohen Alter beschäftigt. Rastlos kritisierte er Bausünden und Umweltzerstörung.
Als Wiener Stadtplaner (1958 bis 1963) hatte er radikales Denken ebenso propagiert wie als Verfolger seiner Idee eines humanen Wohnens im verdichteten Flachbau, die er in der Gartenstadt Linz-Puchenau modellhaft realisierte.
Zahlreiche Auszeichnungen
Die Arbeit Rainers wurde durch zahlreiche Auszeichnungen wie den Großen Österreichischen Staatspreis für Architektur und den deutschen Fritz-Schumacher-Preis gewürdigt. Der Wiener Gemeinderat ehrte ihn mit der Ernennung zum Bürger der Stadt Wien. Von 1980 bis 1999 fungierte er außerdem als Präsident des österreichischen Kunstsenats.
Hinweise
In Gedenken an den Doyen der österreichischen Architektur zeigt ORF2 am Sonntag um 10.15 Uhr den Film "Architektur pur" von Doris Fercher.
Bereits mit Samstagnachmittag ist in der Maria-Biljan-Bilger-Ausstellungshalle in Sommerein am Leithagebirge eine Schau zu sehen, die neben Rainer auch an die Bildhauerin, Keramikerin und Textilgestalterin Maria Biljan-Bilger (1912-1997) erinnert, deren Todestag der 1. Mai ist.
Buchhinweis
Roland Rainer, Das Werk des Architekten 1927 - 2003, Springer Verlag, 49,80 Euro.
Links:
- Die Projekte von Roland Rainer
- Roland Rainer (Wikipedia)