Der thematische Bogen der Leserfragen spannte sich von der bisherigen Amtsführung Fischers über sein Verständnis von Aufgaben und Möglichkeiten des Bundespräsidenten, konkrete Fragen zu seinem Wahlkampf, dem Fall Zogaj, der Ortstafelfrage und dem Zustand des Bundesheeres bis zu Grundsätzlichem wie dem Kampf gegen Rechtsradikalismus und dem Verhältnis zur katholischen Kirche und zum Islam.
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©Bild: ORF.at/Roland Winkler |
Franz Weber, Schwechat
Sie treten mit 72 Jahren zur Wiederwahl Ihres Amtes an und werden voraussichtlich bis zum 78. Lebensjahr Bundespräsident sein. Halten Sie es für vertretbar und sinnvoll, Altersobergrenzen für das Amt des Bundespräsidenten einzuführen (vgl. dazu die Altershöchstgrenzen für VfGH-Richter)? Wie stehen Sie zur diskutierten Verlängerung der Amtsperiode des Bundespräsidenten aus demokratiepolitischer Sicht?
Fischer
Zunächst einmal herzliche Grüße an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Ich halte solche Altersgrenzen nicht für sinnvoll, sie existieren auch nicht in anderen Ländern. Sie hätten etwa Körner und Schärf vom Amt ausgeschlossen, und es gibt keine Notwendigkeit dafür. Zur Verlängerung der Amtszeit, die derzeit maximal zwölf Jahre ist: Ich habe einen Vorschlag gemacht, nur eine Amtsperiode mit sieben oder acht Jahren - das ist keine Verlängerung, sondern eine Verkürzung.
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V. Manhoff, Oberösterreich
Was war der Grund für die geringe öffentliche Präsenz des Bundespräsidenten Heinz Fischer in seiner ersten Amtszeit?
Einst meinte Ihr Parteigenosse Bruno Kreisky, immer, wenn's schwierig wird, seien Sie am Klo. Inwiefern genießen Kreiskys Worte noch immer Aktualität bzw. was können Sie diesen entgegenhalten? Sind sie gerechtfertigt?
Fischer
Das hat Bruno Kreisky natürlich niemals gesagt. Das ist frei erfunden, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo Kreisky nicht mehr am Leben war und es nicht mehr dementieren konnte, nämlich in den 90er Jahren aus einer Wahlkampfküche. Es ist auch inhaltlich völlig unsinnig, weil ich mich nie - ohne Ausnahme - vor irgendeiner Abstimmung gedrückt habe oder in schwierigen Situationen gedrückt habe.
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©Bild: ORF.at/Roland Winkler |
Ich habe im Parlamentsklub zwölf Jahre den Vorsitz geführt und damit alle Abstimmungen geleitet und vorgeschlagen. Ich habe im Nationalrat zwölf Jahre den Vorsitz geführt als Präsident, ich habe fast 20 Jahre die Antragsprüfungskommission bei sozialdemokratischen Konferenzen und Parteitagen geleitet und damit die Abstimungen vorgegeben. Es ist eine dumme, etwas bösartige, aber nicht ernst zu nehmende Erfindung.
Und als Bundespräsident habe ich alle Entscheidungen getroffen, die notwendig waren, und ich habe sie immer nach größter Sorgfalt getroffen. Maximaler Populismus oder maximale Popularität oder Liebedienerei gegenüber bestimmten Zeitungen waren allerdings kein Kriterium.
Gretzl Andreas, 1230 Wien
Warum wird es keine gemeinsame TV-Diskussion mit allen Kandidaten wie sonst üblich geben?
Fischer
Bitte, der Zusatz "wie sonst üblich" ist unrichtig. Ich habe nachgesehen, ob Klestil bei seiner Wiederwahl eine TV-Diskussion mit den anderen Kandidaten gemacht hat. Er hat es nicht gemacht. Ich habe nachgesehen, ob der hochverehrte Bundespräsident Kirchschläger bei seiner Wiederwahl eine TV-Diskussion durchgeführt hat, zu dritt oder mit den anderen Bewerbern. Er hat es auch nicht gemacht.
Klestil hat das auch schriftlich begründet mit dem Hinweis, er ist auch in der Zeit der Wahlwerbung Bundespräsident für alle Österreicher und er wird nichts tun, was zu Zuspitzungen und zu untergriffigen Auseinandersetzungen führt. Klestil hat gesagt, er ist der Bundespräsident, der sich um eine Wiederwahl bewirbt, und wird sich dementsprechend verhalten.
Und ein besonderes Problem ist, wenn man mit jemandem diskutieren sollte, wenn man gleichzeitig einen Notar dazu einladen müsste, weil ansonsten offenbar nicht genügend Glaubwürdigkeit gegeben ist. Aber ich bin in vielen Fernsehsendungen dabei, ich bin der erste Bundespräsident, der sich auch während der Wahlzeit und schon vorher einer Befragung durch Journalisten in einer "Pressestunde" stellt.
Gerade an dem Sonntag, wo die TV-Diskussion mit den anderen Bewerbern angesetzt wird, habe ich am Vormittag eine "Pressestunde" und am Abend als Zweites eine Befragung bei ATV, so dass genügend Gelegenheit besteht, zu allem und jedem befragt zu werden und Auskunft zu geben.
Jutta Mistelbacher, 1160 Wien
Ad "Unser Handeln braucht Werte": Verraten Sie uns auch, welche Werte? Auf Ihrer Homepage stehen sie nicht; dafür ein großer Button "Geldspende".
Fischer
Der Slogan "Unser Handeln braucht Werte" hat ganz genau und zu 100 Prozent das erreicht, was wir wollten, nämlich dass jetzt alle ihre Aufmerksamkeit auf diese Werte und auf das Thema Werte und auf die Detailfragen nach den einzelnen Werten richten. Das ist uns in vollem Umfang gelungen, und ich halte diese Wertediskussion für ganz wichtig bei einem Präsidentschaftswahlkampf.
Die anderen Kandidaten konnten sich diesem Thema nicht entziehen und haben das von uns gesetzte Thema aufgegriffen. Aus meiner Sicht ist die Wertefrage die Menschenwürde und damit jede Ablehnung von Rassismus und Gedankengut aus der Zeit zwischen 1938 und 1945. Es ist die Gerechtigkeit und in besonderem Maß auch soziale Gerechtigkeit, die man in Zeiten der Wirtschaftskrise in den Vordergrund rücken muss.
Es ist Demokratie und daher auch der Appell, allen Formen von Demokratieverdrossenheit entgegenzutreten und vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es ist die Forderung nach voller Gleichberechtigung - rechtlich und faktisch - der Frauen, und es ist die Überzeugung, dass wir gemeinsam gegen jede Form von Gewalt, Gewaltanwendung und Krieg eintreten müssen. Ich füge noch ein Bekenntnis zu einem friedlichen Europa an.
Konrad, Lustenau
Wie kommt man auf die Idee, ins Präsidium der österreichisch-nordkoreanischen Freundschaftsgesellschaft zu gehen?
Fischer
Das setzt ein bisschen Wissen voraus. Wenn Österreich mit einem Staat diplomatische Beziehungen aufnimmt, dann heißt das nicht, dass wir die Ideologie in diesem Staat unterstützen. Sondern dann heißt das, dass wir auf korrekte völkerrechtliche, politische und wirtschaftliche Beziehungen Wert legen. Und in sehr vielen Fällen ist das begleitet von Schritten der Zivilgesellschaft, parallel zu den diplomatischen Beziehungen, die auf solche Beziehungen hinarbeiten.
Als wir Anfang der 70er Jahre mit China und Nordkorea auf der Basis einer Empfehlung von Außenminister Kirchschläger, dem späteren Bundespräsidenten, diplomatische Beziehungen aufgenommen haben, ist auch eine österreichisch-chinesische Gesellschaft zur Förderung der österreichisch-chinesischen Beziehungen gegründet worden, der Dutzende Politiker aus den verschiedensten politischen Lagern angehört haben und heute noch angehören.
Und es ist auch eine Gesellschaft zur Förderung der östereichisch-nordkoreanischen Beziehungen nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen auf überparteilicher Basis gegründet worden und im Vereinsregister angemeldet worden und öffentlich einsichtig gewesen.
Zu den Vorstandsmitgliedern haben gezählt: der ehemalige ÖVP-Justizminister Klecatzky, der damalige ÖVP-Nationalrat Gassner, die damaligen SPÖ-Nationalratsabgeordneten Heinz Fischer und Hilde Hawlicek, der damalige Polizeipräsident Joschi Holaubek und sogar der damalige Präsident des Großen Gerichtshofs. Das hat niemand kritisiert, das war in voller Öffentlichkeit und 20 Jahre später.
Beim letzten Präsidentschaftswahlkampf hat man das ausgegraben und so getan, als wäre das bei allen anderen okay, aber bei mir eine Todsünde. Das ist Wahlkampfmusik, und damit muss man leben, und wenn man gut aufgelegt ist, kann man darüber auch lachen.
Dr. Arnold Nimm, Bad Ischl
Warum haben Sie im Parlament zur Rede von Abg. Dillersberger "Sieg Heil" gerufen?
Fischer
Das war in den Jahren nach der "Machtübernahme" von Jörg Haider, nach dem sogenannten Innsbrucker Parteitag. Die FPÖ ist in den Parlamentsdebatten immer aggressiver und polemischer geworden.
Und nach einem Parlamentstag mit sehr aggressiven Reden und zuletzt dem Vorwurf, dass Mandatare von SPÖ und ÖVP "in die eigene Tasche" wirtschaften, habe ich den Freiheitlichen mit knappen zwei Worten einen Spiegel vorgehalten hinsichtlich ihrer Mentalität, die sicher bestimmte Anleihen in der Vergangenheit genommen hat. Das haben alle damals richtig verstanden.
Die FPÖ hat den Vorwurf kommentarlos hingenommen, nicht einmal dagegen protestiert, und das kann man im stenografischen Protokoll dieser Sitzung, die vor 21 Jahren stattgefunden hat und auch nicht zufällig ausgegraben wurde, nachlesen.