Der heute 48-Jährige kreierte eine eigene Linie, vor allem aber widmete er sich fortan einer lebenslangen Liebe: dem Kino. Nun läuft sein erster Film "A Single Man" in den heimischen Kinos an.
"Äußerst spirituelle Geschichte"
Als Ford nach einem passenden Stoff für sein Debüt suchte, fiel ihm der gleichnamige Roman von Christopher Isherwood aus dem Jahr 1964 in die Hände, den er mit Anfang 20 gelesen und geliebt hatte.
Erneut flammte seine Begeisterung für die "äußerst spirituelle und emotionale Geschichte (...) über das Zurechtkommen mit der Einsamkeit" auf, wie er auf der Filmwebsite erläutert.
Ford selbst schrieb das Buch, das im Jahr 1962 spielt, zum Drehbuch um, fungierte als Produzent und führte Regie. Der Film trägt also ganz seine Handschrift, und die ist durch den ästhetisierenden Blick des Modegurus auf die Welt geprägt.
"Bitte mit Windsor-Knoten"
"Es braucht seine Zeit, bis ich morgens zu George werde", sagt der rund 50-jährige homosexuelle Literaturprofessor in der ersten Einstellung. Bedächtig schlüpft er in seinen Anzug, rasiert und stylt sich.
Und: "Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich keine Zukunft." Weil er über den Tod seines deutlich jüngeren, geliebten Lebensgefährten Jim nicht hinwegkommt, plant George, für dessen Verkörperung Colin Firth verdientermaßen eine Oscar-Nominierung einheimste, für diesen Abend seinen Selbstmord.
Er bereitet einen Totenanzug samt Krawatte vor, versehen mit dem schriftlichen Hinweis: "Bitte mit Windsor-Knoten binden."
"Warmer Bruder"
Den ganzen Tag über trifft er Vorbereitungen, schreibt Abschiedsbriefe, löst sein Bankschließfach auf, gibt der Haushälterin ein fettes Trinkgeld und räumt sein Büro an der Uni. Der Film hält den Spannungsbogen durch die Frage aufrecht, ob an diesem Tag noch irgendetwas passieren kann, das George umstimmt.
In seiner Vorlesung schweift der Professor vom Thema Aldous Huxley ab und hält eine flammende Rede über Angst als Nährboden für Hass auf Minderheiten. Später wird das Nachbarmädchen ihm unbedarft erzählen, dass sein Vater ihn im Familienkreis als "warmen Bruder" verunglimpft.
Lachen, tanzen, trinken, streiten
Bei dem Vortrag hing vor allem ein junger Student an Georges Lippen, der ihn auch anspricht, nicht lockerlässt und seinen Professor unbedingt privat treffen will. George fühlt sich geschmeichelt, hält den Burschen aber höflich auf Distanz.
Am Abend schließlich besucht er noch seine langjährige Freundin und ehemalige Geliebte Charley (großartig: Julianne Moore), die beiden tanzen, trinken, streiten wüst, philosophieren über ihre letztlich gescheiterten Lebensentwürfe und lachen zusammen.
Glänzende Fassade
Die Story ist melodramatisch bis an die Grenzen des Aushaltbaren, wird aber durch feinen Humor und Fords Bildwelten getragen, die den Betrachter immer wieder in Erstaunen versetzen. In bunten Einstellungen schwelgt George in der Vergangenheit, grau und trist wird seine Depression gezeigt.
Der Film spiegelt seinen Inhalt in der überästhetisierten Form wider. Überall ist die US-Gesellschaft Anfang der 60er Jahre brüchig. Man steht am Rande eines Atomkriegs, die Menschen sind einsam, trinken, hegen im Geheimen Ressentiments - aber die Fassade, die glänzt, und wie.
Ein Film als Dia-Show
Diesen Film könnte man mit wenigen Abstrichen auch als Dia-Show noch genießen. Er besticht nicht zuletzt durch sein Abbild der Mode, Architektur und des Designs der 50er Jahre, von den Autos und Häusern bis hin zu Charleys atemberaubender Frisur, ihren Kleidern und ihrem Make-up.
Ganz zu schweigen von zahllosen gut trainierten, nackten Männerkörpern und filmhistorischen Anspielungen. In einer Szene etwa bläst ein James-Dean-Verschnitt George lasziv Rauch ins Gesicht - Reminiszenzen an Jean-Luc Godard sind beabsichtigt.
Böse Anspielungen
Neben der aufwühlenden Story und seiner pompösen Inszenierung bietet der Film auch kleine, böse Anspielungen auf die Gegenwart. So wird die Zeit der Kuba-Krise indirekt mit der Post-9/11-Welt verglichen. Zunehmend regiere Angst die Welt, sagt George, und Politiker würden das ausnützen.
Angst lähme die Menschen, das gesellschaftliche Leben werde immer langweiliger: "Eine Welt ohne Gefühle ist eine Welt, in der ich nicht leben will."
Zeitlose Lebensweisheiten
Sehenswert ist auch der damals entspanntere (oder verantwortungslosere - je nach Sichtweise) Umgang mit dem Rauchen. Glimmende Zigaretten waren allgegenwärtig, in der Vorlesung genauso wie im Büro und im Bett.
Und schließlich gibt es als Bonus noch augenzwinkernd zeitlose Lebensweisheiten wie: "Liebhaber sind wie Busse. Du musst nur warten, bis der nächste kommt." George glaubt nicht daran - aber der will sich schließlich auch umbringen.
Der Film endet übrigens anders, als man sich erwarten würde - was nicht heißt, dass es ein Happy End gibt. Aber das ist Ansichtssache.
Simon Hadler, ORF.at
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