Mutige und streitbare Christin

Margot Käßmann war die erste Frau an der Spitze der deutschen Protestanten.
Margot Käßmann war die erste Frau an der Spitze des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die 51 Jahre alte geschiedene Theologin wurde im vergangenen Oktober in Ulm bei der EKD-Synode als höchste Repräsentantin der evangelischen Protestanten in Deutschland gewählt.

Vier Monate später legte sie ihr Amt nieder - die Konsequenzen aus ihrer Trunkenheitsfahrt, bei der sie mit 1,54 Promille am Steuer ihres Dienstwagens erwischt wurde.

Käßmann kam am 3. Juni 1958 als Tochter eines Kfz-Schlossers und einer Krankenschwester in Marburg an der Lahn zur Welt. 1983 begann sie ihr Vikariat in Wolfhagen. Für die EKD wurde sie bei der Vollversammlung des Weltkirchenrats in Vancouver als jüngstes Mitglied in den Zentralausschuss des Ökumenischen Rats gewählt.

Schwerpunkt soziale Themen
Ihre Ordination zur Pfarrerin hatte sie 1985 in der Landeskirche Kurhessen-Waldeck. Im Kirchspiel Spieskappe versah sie ihren Dienst fünf Jahre zusammen mit ihrem Mann Eckhard Käßmann, mit dem sie vier mittlerweile erwachsene Töchter hat. Ihre Doktorarbeit im Jahr 1989 widmete sie dem Thema "Armut und Reichtum als Anfrage an die Einheit der Kirche".

Von 1990 bis 1992 war Käßmann Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst und übernahm mehrere Lehraufträge. Als Generalsekretärin organisierte sie die Kirchentage in Leipzig und Stuttgart. Kurz nach ihrem 41. Geburtstag wurde sie 1999 zur Bischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gewählt. Damit war sie die zweite deutsche Bischöfin nach Maria Jepsen in Hamburg.

Käßmann und die politischen Debatten
In dieser Funktion mischte sich Käßmann immer in politische Debatten ein und nahm klare Positionen vor allem in Sachen Bildung, Sozial- und Friedenspolitik wie auch in der Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche ein. Dabei wusste die temperamentvolle Theologin auch die Medien geschickt zu nutzen und avancierte zu einem der bekanntesten Gesichter der evangelischen Kirche.

Eines der zentralen Anliegen Käßmanns ist die Politik für Kinder. 2001 eröffnete sie in Hannover eine der umstrittenen Babyklappen. Sie plädierte für eine partnerschaftliche Erziehung und für kostenlose Kindertagesplätze sozial benachteiligter Kinder. 2008 startete sie eine Initiative gegen Kinderarmut.

"Hallo Luther statt Halloween"
Außerdem forderte sie Bildungschancen für die Kinder von Migranten, aber auch ein Verbot des Kopftuchs in Schulen. Käßmann rief dazu auf, die Bildung an christlichen Werten zu orientieren, und zog gegen Spaßkultur zu Felde: Der Reformationstag am 31. Oktober sei ein Feiertag, und es müsse heißen: "Hallo Luther statt Halloween".

Streitbar zeigte sie sich im Verhältnis zur katholischen Kirche: Sie empfinde es als belastend, wie vehement Papst Johannes Paul II. dagegen argumentiert habe, Frauen Verhütungsmittel zu erlauben, sagte sie. Nach der Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst sagte Käßmann, sie hoffe, dass er ein Herz für die Ökumene zeige. Später äußerte sie sich enttäuscht über die schleppenden Fortschritte in der Ökumene unter Papst Benedikt XVI.

Beruflicher Aufstieg, private Rückschläge
Bereits im Jahr 2003 galt Käßmann als mögliche Anwärterin auf den EKD-Ratsvorsitz, schaffte dann aber nur mit Mühe überhaupt den Einzug in den Rat. Es war nicht der einzige Rückschlag in ihrem Leben: 2006 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert.

Sie wurde operiert und musste ihre Amtsgeschäfte für zwei Monate ruhen lassen. Ein Jahr später wurde die Scheidung von ihrem Ehemann Eckhard nach 26 Ehejahren bekannt. Das Geschenk einer lebenslangen Ehe sei ihr nicht vergönnt gewesen, was sie mit Trauer erfülle, sagte sie später.

Nach ihrer Wahl zur Ratsvorsitzenden erklärte Käßmann, es gebe keinen Mangel an Herausforderungen. Sie versprach eine Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses. Mitgliederrückgang und finanzielle Sorgen sollten dabei nicht lähmen. Käßmann zitierte dazu ihre Großmutter, die ihr die Worte auf den Weg gegeben habe: "Wem der liebe Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch die Kraft, es auszuüben."

Käßmann in der Schusslinie
Doch bereits wenige Wochen später geriet Käßmann massiv in die Schusslinie, als sie den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisierte und ein klares Friedenszeugnis gegen Gewalt und Krieg forderte. Führende Politiker von Union und SPD warfen ihr Amtsmissbrauch und Populismus vor.

Mit ihrem engagierten Eintreten für den Frieden erntete Käßmann allerdings auch viel Respekt. Doch die Alkoholfahrt durch die Innenstadt von Hannover kostete sie wenige Wochen später das Amt.