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Kohl und Schmidt am 16. November 1974 / ©Bild: AP |
Zum 80. Geburtstag Kohls sind vor allem einstige Weggefährten aus der CDU voll des Lobes über seinen historischen Beitrag zur deutschen Einheit.
Immer noch Schatten der Spendenaffäre
Die Spendenaffäre, die lange die Verdienste des Pfälzers überschattete, soll dem kranken Jubilar die private Feier am Ostersamstag nicht verderben. Einige CDU-Politiker forderten sogar, Kohl erneut den Ehrenvorsitz anzutragen.
Doch nach Ansicht seiner einstigen politischen Ziehtochter Angela Merkel und auch nach Kohls Auffassung selbst stellt sich diese Frage nicht. Dafür legte Merkel zum Geburtstag eine Videobotschaft nach, mit der sie Kohl zum Geburtstag gratulierte. "Nicht umsonst sind Sie heute Ehrenbürger Europas, und Sie werden als großer Staatsmann in die Geschichte des 20. Jahrhunderts eingehen", so Merkel in ihrem Grußvideo.
Kohl selbst legt auf den Ehrenvorsitz, wie er der "Bild"-Zeitung im einzigen Interview zu seinem Geburtstag verriet, keinen Wert. Die Frage stelle sich für ihn "im Moment nicht", so Kohl. "Die wichtigsten Entscheidungen würde ich alle wieder so treffen", sagte Kohl zu seiner politischen Karriere.
"Mit den Menschen gehadert"
Gleichzeitig verbarg der CDU-Politiker nicht seine Enttäuschung über die Begleitumstände der Parteispendenaffäre. "Wenn Sie Ihr Leben lang für eine Partei und ein Land gelaufen sind und dann feststellen, dass auch Menschen, die zuvor nicht nahe genug heranrücken konnten, sich plötzlich abwenden, ja, sich sogar gegen Sie stellen, weil Sie einen Fehler gemacht haben, da muss ich sagen, da habe ich manches Mal gehadert, allerdings weniger mit dem Schicksal - das ist auch wahr - als vielmehr mit den Menschen", so Kohl.
Prägender Faktor bundesdeutscher Geschichte
Mehr als zwei Jahrzehnte prägte Kohl die bundesdeutsche Geschichte - länger noch als sein großes Vorbild Konrad Adenauer. Seine Karriere begann der 1,93-Meter-Mann aus Oggersheim in der Provinz. Kohl arbeitete sich rasch in der CDU Rheinland-Pfalz hoch und wurde 1969 Ministerpräsident.
1973 schaffte der Doktor der Geschichte den Aufstieg zum CDU-Bundesvorsitzenden, weitere drei Jahre später ging er als Oppositionsführer nach Bonn.
FDP wechselt die Fronten
Den Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 nutzte Kohl für ein konstruktives Misstrauensvotum, das ihm die Kanzlerschaft in einer schwarz-gelben Regierung einbrachte. 16 Jahre lang hielt sich der wegen seiner Kopfform zunächst als "Birne" Verspottete an der Macht.
Innerparteilich agierte Kohl als Patriarch. "Aufsässige" wie Heiner Geißler und Rita Süssmuth hatten keine Chance. Der Versuch einer Revolte gegen das System Kohl brach 1989 in sich zusammen.
Im Zeichen der europäischen Versöhnung
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©Bild: APA/DPA Bildfunk |
Nach dem Mauerfall halfen Kohl seine guten Beziehungen zum sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und seinem Saunafreund, dem russischen Präsidenten Boris Jelzin. Dass er stets auf eine NATO-Zugehörigkeit eines wiedervereinigten Deutschland pochte, brachte ihm auch die Zustimmung der USA ein.
"Blühende Landschaften"
Bei der Wiedervereinigung unterschätzte Kohl jedoch die wirtschaftlichen Folgen und schwärmte von "blühenden Landschaften" im Osten. Diese Fehleinschätzung trug mit dazu bei, dass der "Kanzler der Einheit" die Wahl 1998 verlor.
Kohl und der Parteispendenskandal
Als 1999 die Parteispendenaffäre die CDU erschütterte, wurde öffentlich, dass auch Kohl von anonymen Spendern zwischen 1,5 und zwei Millionen Mark in bar erhalten hatte. Er berief sich auf sein gegebenes "Ehrenwort", die Namen zu verschweigen - woran er sich bis heute hält.
Als sich die damalige CDU-Generalsekretärin Merkel im Dezember 1999 öffentlich distanzierte, legte Kohl enttäuscht den CDU-Ehrenvorsitz nieder. Seine Partei hat ihm mittlerweile verziehen: Kohls politische Bilanz überrage alles andere, würdigte Unionsfraktionschef Volker Kauder den Altkanzler zum 80. Geburtstag.
Hannelore Kohl nimmt sich das Leben
2001 musste Kohl einen privaten Schicksalsschlag verkraften, als sich seine an einer Lichtallergie leidende Frau Hannelore das Leben nahm. Seit zwei Jahren ist der Vater zweier Söhne selbst gesundheitlich angeschlagen, von den Folgen eines Sturzes in seinem Ludwigshafener Haus hat er sich bisher nicht richtig erholt. Am Staatsakt zum 20. Jahrestag des Mauerfalls nahm er im Rollstuhl sitzend teil, er konnte nur mit Mühe sprechen.
Ohne seine neue Ehefrau, die 35 Jahre jüngere Maike Richter, wäre der Altkanzler nicht mehr am Leben, zitierte die "Zeit" einen Vertrauten.
"Der liebe Gott hat es gut gemeint"
"Der liebe Gott hat es sicher gut mit mir gemeint", sagte Kohl. Das bedeute aber nicht, dass sein Leben immer einfach gewesen sei: "Im Gegenteil, ich habe immer hart kämpfen müssen, mir ist nichts geschenkt und ich bin immer unterschätzt worden." Er habe sich aber "auch nie verbogen", sei seinen Überzeugungen treu geblieben und habe über Jahre den Weg Deutschlands an entscheidenden Stellen mitgestalten dürfen. "Das war alles andere als selbstverständlich."
Befragt nach seinem größten Geburtstagswunsch, sagte Kohl: "Frieden. Ich wünsche mir für unser Land inneren und äußeren Frieden. Dazu gehört auch, dass Deutschland sich seiner Verantwortung bewusst ist, dass es mit Stolz, aber auch Bescheidenheit auf den Weg blickt, den es zurückgelegt hat, und mit Zuversicht in die Zukunft geht."
Verspielt Deutschland seine Chancen?
Es ärgere ihn, "wenn ich sehe, wie Deutschland seine Chancen so offenkundig verspielt", sagte Kohl. "Damit meine ich nicht die Politik allein, ich meine unsere Gesellschaft insgesamt." Die Deutschen verlören sich "doch vor allem in einem Lamento und Klein-klein, das ich nicht nachvollziehen kann".
Links:
- "Bild"-Interview
- Helmut Schmidt über Helmut Kohl ("Zeit")
- Helmut Kohl, der Kämpfer (ARD)
- Helmut Kohl (Adenauer-Stiftung)