Gerade für die frühen Christen gab es eine zentrale Erkenntnis, die sie leben und verbreiten wollten: "Der am Kreuz gestorbene Jesus ist kein Verbrecher, sondern er ist auferweckt worden von den Toten und gehört bleibend an die Seite Gottes", so der deutsche Theologe und Experte für das Neue Testament, Udo Schnelle. "Aus der hervorragenden Qualität Jesu vor Ostern wurde Jesu unüberbietbare Qualität nach Ostern."
Ostern, so Schnelle, habe "den Status einer Basisgeschichte" für die neue Bewegung bekommen, und so hatten die frühchristlichen Autoren die Aufgabe, "das Einmalige und Außerordentliche von Kreuz und Auferstehung durch Erzählen in ein theologisches Sinngebäude zu überführen". Schnelles Überlegungen sind in einem Sammelband erschienen. Gemeinsames Thema: das frühe Christentum - und die Frage, wie aus einer kleinen Gruppe von Gläubigen eine gerade politisch derart wirkungsmächtige Weltreligion werden konnte.
Der Weg zu den Evangelien
Das Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus wurde zunächst in und um Jerusalem verkündet, und war, wie Schnelle ausführt, "eine Variante jüdischer Identität neben anderen".
Erst um 70 nach Christus, also wenige Jahre nach dem Tod der Gründungsgestalten Petrus und Paulus, taucht die literarische Gattung der Evangelien auf. Das Ausbleiben der Wiederkunft Christi wurde zu einem nicht unwesentlichen Vermittlungsproblem - und es galt, die Kontinuität zu den Anfängen des Glaubens zu wahren.
Die Evangelien bieten eine biografisch ausgerichtete Jesus-Geschichte, sie funktionieren, so Schnelle, wie ein "Gedächtnis des frühen Christentums", und sie erhalten die Erfahrung des Lebens von Jesus von Nazareth durch Erzählung lebendig.
Der Gottessohn
In den Grundlagen der Jesus-Geschichte stimmen die Evangelien miteinander überein, sie ordnen das Material aber unterschiedlich und setzen unterschiedlich starke Akzente. Wesentlich für die Diskussionen nachfolgender Jahrhunderte ist die Vorfestlegung, die in den Evangelien getroffen wird. Etwa durch Markus, den ersten Evangelisten: Die Jesus-Christus-Geschichte betont die Gottesnatur von Jesus Christus, einerseits über die Wunder, zentral aber über die Kreuzigung, die Markus dramaturgisch zuspitzt.
Am Kreuz hängt der Sohn Gottes und Messias - und das Geschehen ist in eine zusammenhängende und vor allem plausible Erzählung gebracht.
Der souveräne Weg zum Kreuz
Matthäus, Lukas und Johannes bauen auf diesem Werk auf - Johannes führt die Identitätsfrage aber am weitesten. Er ist geradezu obsessiv in der Frage der Menschwerdung Gottes: Gott und Jesus Christus sind eins (Joh 10,30), die Prinzipien von Zeitlichkeit und Ewigkeit werden zusammengeführt. Zwischen Gott und dem Wort Jesu Christi besteht ein einzigartiges Verhältnis.
Deshalb nimmt Jesus souverän den Weg ans Kreuz. Er weiß, so Schnelle, um "dessen Sinnhaftigkeit und lässt die Jünger an der Realität des Todes und Lebens teilhaben". Das Kommen des Heiligen Geistes ist an den Fortgang Jesu gebunden - und nur nach Ostern kann es ein Verständnis dessen geben, was sich vor Ostern zugetragen hat.
Den Erfolg des Christentums in der Spätphase des Römischen Reiches erklärt die Forschung immer wieder mit der Attraktivität des Gottesbildes, das hier vermittelt wird: Es sei die Anschaulichkeit Gottes in der Gestalt von Jesus Christus, ruft Schnelle in Erinnerung.
Streit über das Verhältnis Gott - Jesus
Und dennoch: Genau diese Übereinstimmung zwischen Gott und Jesus wird in den ersten Jahrhunderten des Christentums, in denen etwa die Evangelien kanonisiert werden mussten, zu einer großen Herausforderung. An der Frage der Übereinstimmung oder doch nur Ähnlichkeit zwischen Gott und Jesus entzündete sich ein Streit, der erst über die - zunächst vom römischen Kaiser - einberufenen Konzile zu klären war.
Die stärkste Gruppe derer, die die Wesensübereinstimmung von Jesus Christus und Gott anzweifelten, formierte sich um den in Antiochia ausgebildeten Presbyter Arius. Dieser wurde von seinem Bischof exkommuniziert - seine Ansichten blieben aber gerade im Raum Alexandria im frühen vierten Jahrhundert sehr wirksam.
Konstantin und Nizäa
Die Einberufung des ersten Konzils in der kaiserlichen Sommerresidenz Nizäa (Kleinasien) im Jahr 325 n. Chr. durch Kaiser Konstantin, der das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich erhoben hatte, geht auf diesen Streit zurück. Konstantin setzte gerade in politischer Hinsicht auf die einende Funktion des christlichen Glaubens - ein interner Streit zwischen verschiedenen Spielarten des Christentums wäre dieser Funktion abträglich gewesen.
Für die Arianer hatte Jesus nur eine Zwischenposition zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen. Während Gott unendlich sei, sei das Wesen Jesu, trotz der Abkunft von Gott, endlich. Genau diese Position wurde auf dem Konzil zurückgewiesen. Im Bekenntnis von Nizäa, unterzeichnet von über 300 Bischöfen des ganzen Reiches, wurde folgenreich festgehalten: "Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater."
Die Kanons des Konzils sind die ersten Lehrentscheidungen der christlichen Gesamtkirche. Die Unterschrift von über 300 Bischöfen machte den Unterschied zu allen bis dahin getroffenen Einzelentscheidungen aus. Durch die Autorität des Kaisers, der das Konzil einberufen hatte, wurden sie für die gesamte Kirche im Reich verpflichtend.
Nizäa und die Folgen
Bemerkenswert bleibt Nizäa neben der reichs- und glaubenspolitischen Funktion auch in geistesgeschichtlicher Hinsicht, suchte das Konzil letztlich doch auch nach einer systemischen Brücke zwischen der hellenistischen Bildungswelt und den urchristlichen Glaubensvorstellungen.
Dieses innere aufeinander Zugehen von biblischem Glauben und griechischen philosophischen Fragen ist gerade für den amtierenden Papst ein "nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich entscheidender Vorgang", wie Benedikt XVI. in seiner "Regensburger Rede" festhielt. "Wenn man diese Begegnung sieht, ist es nicht verwunderlich, dass das Christentum trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefunden hat."
Buchhinweis
Friedrich Wilhelm Graf, Klaus Wiegant (Hg.): Die Anfänge des Christentums. Fischer Verlag, 505 Seiten, 14,50 Euro.
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