Millionen in Wien versteckt

Die Wienerin Rudolfine Steindling zog in der DDR damals die Fäden.
Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands steht der deutsche Staat kurz davor, 240 Mio. Euro aus dem Vermögen der früheren Regierungspartei der DDR, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), zurückzubekommen.

Ein Schweizer Gericht verurteilte die Bank UniCredit als neuen Inhaber der Bank Austria zur Auszahlung des 1992 verschwundenen Betrags - plus Zinsen.

Urteil für Bank Austria "unerwartet"
Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") und das Nachrichtenmagazin "Focus" am Samstag übereinstimmend berichten, verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich die Bank UniCredit (Bank Austria) in zweiter Instanz zur Zahlung von 128 Mio. Euro - plus fünf Prozent Zinsen über 16 Jahre.

Das Urteil vom 25. März ist noch nicht rechtskräftig. In jedem Fall werde die Bank in nächster Instanz dagegen ankämpfen, sagte Bank-Austria-Sprecher Martin Halama am Samstag zur APA. Für die Bank kam das Urteil "unerwartet".

Einspruch kaum mehr möglich
In Deutschland gibt man sich zuversichtlich, dass das Urteil hält: Zwar könne es noch vor dem Obergericht angefochten werden, doch habe dies bei der Vollstreckung in der Regel keine aufschiebende Wirkung, sagte der Anwalt der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS), Marco Niedermann, der "FAZ". Zudem werde in der Revision nur noch der Verfahrensablauf, nicht aber die Tatsachenfeststellungen geprüft.

Die Geschäfte der "roten Fini"
Bei dem Geld handelt es sich um das Vermögen der ehemaligen DDR-Handelsgesellschaft Novum und deren Tochtergesellschaft Transcarbon. Wer damals aus dem Westen in der DDR Geschäfte machen wollte, war gezwungen, Zwangsprovisionen an die Novum zu zahlen.

Novum-Chefin war die legendäre Wiener Geschäftsfrau Rudolfine Steindling - besser bekannt als die "rote Fini". Die KPÖ-Chefin vertrat damals Firmen wie Bosch, Ciba-Geigy, Voest-Alpine und Steyr-Daimler-Puch in der DDR und brachte es allein in den 80er Jahren auf Provisionseinnahmen in Höhe von Hunderten Millionen Schilling, wie der deutsche Journalist Andreas Förster in seinem Buch "Auf der Spur der Stasi-Millionen" auflistete.

Über eine Milliarde Schilling verschwunden
Allein im Jahr 1991 soll Steidling laut "FAZ" mehr als eine Milliarde Schilling (umgerechnet 123 Mio. Euro) über die Österreichische Länderbank (später Bank Austria) geschickt zwischen Wien und Zürich hin und her transferiert haben, bis sich die Spur zu dem Geld fast vollständig verlor. 1994 gelang es Ermittlern nur mehr, 230 Mio. Schilling auf einem Nummernkonto sicherzustellen.

Erstes Urteil zu Gunsten der KPÖ
1992 wurde Novum von der deutschen Treuhandanstalt konfisziert, die in der Novum ein mit der SED verbundenes Unternehmen sah, weshalb das Geld der Bundesrepublik zustehe. Die Frage über die Besitzverhältnisse zog einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich.

Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte schließlich in erster Instanz die KPÖ zum rechtmäßigen Besitzer von Novum. Wäre das Urteil schlagend geworden, wäre die kleine Wiener KPÖ zur reichsten Partei Österreichs geworden.

Sondertrupp zum Aufspüren von DDR-Geldern
Doch so schnell wollte Deutschland nicht aufgeben. Unter dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl richtete die BVS (ehemals Treuhandanstalt) eine Sondertruppe zum Aufspüren verschwundener DDR-Gelder ein.

Im September 2006 widerrief dann das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe das Berliner Urteil und erklärte, dass Novum und ihr Vermögen SED-Eigentum gewesen sind und somit das Geld an die Bundesrepublik gezahlt werden müsste. Damit war klar, wem das Geld zusteht - nicht aber, wer dafür aufkommen muss. Darüber wurde in der Schweiz Prozess geführt.

Sorgfaltspflicht verletzt
Solange die Rechtsklärung in Deutschland lief, ruhte das Verfahren in der Schweiz und wurde erst 2005 wieder aufgenommen. Das Zürcher Gericht kam zu dem Urteil, dass die Bank Austria damals ihre gesetzliche Sorgfaltspflicht verletzt habe.

Sie hätte wissen müssen, dass über die Millionen nur mit Einwilligung der Treuhand-Anstalt verfügt werden durfte. Zudem hätte sie wegen der Umstände der trickreichen Transfers Verdacht schöpfen müssen. Wird das Urteil rechtskräftig, muss die Bank das Geld aus eigener Kasse zahlen, schreibt "Focus" am Samstag.

Das betrifft auch die Bank UniCredit als Eigentümerin der Bank Austria. Nach Ansicht der Richter muss sie als Rechtsnachfolgerin den Schaden ersetzen.

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