Von den Nazis wurden große Teile seiner Sammlung als "entartete Kunst" klassifiziert und im Ausland zu Geld gemacht. Nun werden in einer Ausstellung im Folkwang-Museum, das 1922 nach Essen übersiedelt war, einige der Kunstwerke als Leihgaben wieder zusammengeführt.
Guter finanzieller Background
Auch wenn Osthaus' Anspruch an ein Museum sich zur Zeit der vorigen Jahrhundertwende vermessen angehört haben muss, war er kein Spinner, wie die "Zeit" in einem ausführlichen Artikel berichtete. Osthaus hatte finanzstarke Eltern im Rücken: Seine Mutter entstammte einer Fabrikantenfamilie, der Vater war Bankier.
Eine Volkshalle für die Kunst
Schon 1899 hatte Osthaus begonnen, Kunst zu sammeln. Gegenstände aus dem Orient und aus Afrika stellte er neben Malerei aus.
Werke von Künstlern wie Oskar Kokoschka, der Gruppe des Blauen Reiters (Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke), Pierre-Auguste Renoir, Paul Cezanne, Paul Gauguin, Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde sollten gleichwertig mit den Artefakten aus fernen Ländern präsentiert werden.
Osthaus' Ansatz war es, in seiner Heimatregion auch kunstfernen Schichten Bildung zukommen zu lassen - deshalb auch der Name Folkwang, der in der nordischen Mythologie "Volkshalle" bedeutet.
Den Nazis ein Dorn im Auge
Nach Osthaus' frühem Tod im Alter von 47 Jahren im Jahr 1921 übernahm sein Freund Ernst Gosebruch das Museum und übersiedelte es nach Essen. Er entwickelte die Sammlung konsequent weiter und kaufte Werke der damaligen Avantgarde an.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gerieten Gosebruch und der Museumsverein, dem auch Juden angehörten, zunehmend in Bedrängnis. Seit diesem Jahr war der Verleger und glühende Nazi Theodor Reismann-Grone Essener Bürgermeister und führte einen regelrechten Feldzug gegen den "Kulturbolschewismus", dessen Hort er im Museum Folkwang sah.
Weit unter Wert verkauft
Werke, die abstrakt waren oder sonstwie vom Naturvorbild abwichen, galten ihm als "krankhaft" und "entartet". Reismann-Grone entließ Gosebruch und setzte an seiner Statt Klaus Graf von Baudissin ein, der auf Linie war. Von da an wurde Avantgardekunst nur noch in "abschreckenden" Sonderschauen für "entartete Kunst" gezeigt.
1937 schließlich wurden 1.456 Werke der Sammlung beschlagnahmt. Einige verschwanden für immer, andere wurden eingebunkert oder verbrannt, der Großteil aber ins Ausland verkauft - zum Teil deutlich unter ihrem eigentlichen Wert, wie die "Welt" berichtete.
Späte Heimkehr als Leihgaben
Unter dem Titel "Das schönste Museum der Welt", dem Jubelruf des bedeutenden US-Kunsthistorikers Paul J. Sachs beim Folkwang-Besuch 1932, rekonstruierte das Haus nun seinen verlorenen Glanz.
Rund 400 Objekte sind seit vergangenem Wochenende in dem vor kurzem eröffneten Essener Museumsneubau des britischen Stararchitekten David Chipperfield zu sehen. Knapp drei Dutzend bedeutende Gemälde der klassischen Moderne sind dazu erstmals nach über 70 Jahren als Leihgaben aus Sammlungen zwischen Boston und Beirut wieder nach Essen zurückgekehrt.
Nur keine Nostalgie
Nur etwa 20 der in alle Welt verstreuten Bilder hatte Essen ab den 1960er Jahren zurückkaufen können. Berühmtes Beispiel: Cezannes revolutionäres Landschaftsgemälde "Steinbruch Bibemus", das nach der Beschlagnahme 1937 sogar durch Görings Hände gegangen war und erst 1964 wieder über die USA und die Schweiz an die Ruhr zurückkehrte.
Die jetzige "Rückschau" mit der vom Essener Energiekonzern E.ON/Ruhrgas ermöglichten Ausstellung sei keineswegs nostalgisch, sagte Museumsdirektor Hartwig Fischer bei der Präsentation der Ausstellung. Vielmehr solle der Blick zurück "Kriterien für unsere künftige Arbeit schaffen".
Kunstwerke von Weltrang
Maßstab dabei: die hohe Qualität der Werke, die Osthaus und bis 1933 die Essener Museumsleitung zusammengetragen hatten. Renoirs sommerliche "Lise mit dem Sonnenschirm" (1867) gehört dazu ebenso wie das sehr früh erworbene Gemälde "Die Ernte" (1888) Vincent van Goghs.
Kandinskys lyrische "Improvisation 28" von 1912 schickte das New Yorker Guggenheim-Museum nach Essen; aus Boston reisten Marcs expressionistisch-glutrote "Weidende Pferde" von 1911 an.
Dialog zwischen Kulturen
Erstmals nach langer Depotverwahrung sind nun auch wieder Objekte außereuropäischer Kulturen von ägyptischen Grabbeigaben bis zu den surreal-bunten Malanggan-Figuren Ozeaniens zu sehen, die Osthaus - weltweit erstmals - als Belege der zeitübergreifenden Weltkunst seinem Museum der Moderne einverleibt hatte.
So entsteht etwa ein Dialog zwischen einer Holzfigur der Baule aus Westafrika und der ähnlich reduktionistisch konstruierten Gipsfrauenmaske des in Auschwitz ermordeten Bildhauers Moissey Kogan.
Die Überhöhung des "Primitiven"
Aber nicht alle sind von der Ausstellung begeistert. Die "Welt" moniert, dass, was zu Osthaus' Zeit noch funktioniert habe, heute deplatziert wirke. Seine Vision sei von der damals üblichen Überhöhung des "Primitiven" und der Idealisierung der Antike beseelt gewesen.
Es sei ihm weniger darum gegangen, inhaltliche Spannungsfelder aufzuzeigen, sondern um "ästhetischen Gleichklang" und "stilistische Korrespondenz". Die Artefakte seien der Kunst eben gerade nicht ebenbürtig - eher hätte man ihnen deutsche Kasperlfiguren gegenüberstellen können. Die "Welt" spricht deshalb von "ambivalentem Augenfutter".
Was die Ausstellung jedoch auf jeden Fall leistet, ist, die schmerzliche Lücke sichtbar zu machen, die von den Nazis auch in künstlerischen Belangen hinterlassen wurde. Auf diese Weise ist die Schau zwar "schön" - wie es im Titel heißt -, stimmt aber ebenso nachdenklich.
Links:
- "Zeit"-Artikel
- "Welt"-Artikel
- Das schönste Museum der Welt (Museum Folkwang)
- Museum Folkwang