Seit dem 19. Jahrhundert wurde zwar immer wieder Kritik an der Verpflichtung zur Ehelosigkeit geübt, doch bis heute gilt sie als unumstößliche Voraussetzung für das Ausüben des Priesteramtes in der katholischen Kirche. Im Lichte der jüngsten Ereignisse weichen die Fronten aber zunehmend auf.
Aufhebung in "weiterer Zukunft"
Wie die italienische Zeitung "La Repubblica" (Freitag-Ausgabe) berichtet, soll im Vatikan bereits insgeheim über die Möglichkeit einer Abschaffung des Zölibats für Priester und Ordensleute diskutiert werden.
Demnach überlege der Vatikan in einer "weiten Zukunft", die in Jahrzehnten gemessen wird, die Zölibatspflicht abzuschaffen, wie die Zeitung schreibt. Der geheime Auftrag, über einen Weg dahin nachzudenken, sei einigen hochrangigen Vertretern der Kleruskongregation unter der Leitung von Kardinal Claudio Hummes anvertraut worden.
"Der Samen scheint gesät"
Laut anonymen Quellen der Tageszeitung könnte es in den nächsten 50 Jahren tatsächlich zu einer Abschaffung der Zölibatspflicht kommen. "Der Heilige Stuhl hat begonnen, sich über etwas Gedanken zu machen, was sich als wahre Revolution erweisen und die Katholiken den Protestanten annähern könnte, deren Geistliche Familien haben können. (...) Der Samen scheint gesät worden zu sein", schrieb "La Repubblica".
"Zölibat kein Dogma"
Das römische Blatt betonte, dass Hummes bei seiner Ankunft in Rom im Jahr 2006 gesagt habe, dass "das Zölibat kein Dogma" sei. Seitdem dürfte er in dieser Hinsicht seine Meinung aber geändert haben. Bei einem Seminar am Donnerstag erklärte Hummes in Rom, dass das Zölibat ein "Geschenk Gottes" sei, das begriffen werden müsse.
Papst verteidigt "heiliges Zölibat"
Angesichts der wachsenden Kritik am Zölibat verteidigte Papst Benedikt XVI. die Ehelosigkeit von Priestern. Das "heilige Zölibat" sei ein "kostbares Geschenk" und "Zeichen der vollständigen Hingabe" an Gott, sagte Benedikt bei einem Treffen mit Teilnehmer einer Tagung der Kleruskongregation am Freitag im Vatikan.
Die Kirche müsse an der Besonderheit des Priesteramtes festhalten und dürfe sich nicht den Moden der säkularisierten Gesellschaft unterwerfen.
Debatte in Österreich
In Österreich wird das Thema ebenfalls diskutiert. Während Kardinal Christoph Schönborn Berichte zurückwies, wonach er das Zölibat infrage gestellt haben soll, sprach sich Salzburgs Erzbischof Alois Kothgasser für eine Aufhebung aus. Die Zeiten und die Gesellschaft hätten sich verändert. Die Kirche müsse deshalb überlegen, wie sie das Zölibat "weiterpflegen kann, oder was sie verändern muss" - mehr dazu in salzburg.ORF.at.
In Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen betonte Schönborn, dass es nicht nur ein kirchliches Problem sei, sondern auch ein gesellschaftliches. Das entschuldige aber Missbrauchsfälle in der Kirche keineswegs: "Dass die katholische Kirche besonders kritisch angesehen wird, liegt an den hohen moralischen Ansprüchen, die sie stellt" - mehr dazu in wien.ORF.at.
Zölibat theoretisch aufhebbar
Da das Zölibat rein kirchlichen Rechts ist, könnte es theoretisch aufgehoben werden. Jedoch ist die römisch-katholische Kirche theologisch wie geschichtlich darauf festgelegt. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) lebte aber auch innerhalb der Kirche die Diskussion über die Zölibatsproblematik auf. Seit diesem Konzil ist auch die Diakonenweihe für verheiratete Männer möglich.
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