Gequält und geschlagen

Die Kirche zahlte für Missbrauchsopfer bereits Milliarden Euro Entschädigung.
Die Zahl der Missbrauchsfälle im Umkreis der katholischen Kirche steigt täglich. Neben mehr als hundert Anzeigen in Deutschland kommen auch in Österreich immer mehr Fälle ans Tageslicht. Nach Vorwürfen gegen Lehrer des Gymnasiums Kremsmünster in Oberösterreich wurde nun ein neuer Verdachtsfall im Stiftsgymnasium Wilhering in Oberösterreich bekannt.

Ein ehemaliger Internatsschüler berichtete in der Tageszeitung "Die Presse" (Freitag-Ausgabe) von sexuellem Missbrauch während seiner Schulzeit im Jahr 1959. Nun will sich auch Papst Benedikt XVI. in den Missbrauchsskandal einschalten.

"Hölle auf Erden"
Seine Zeit im Internat sei "die Hölle auf Erden" gewesen, sagte der Mann der Zeitung. Er sei von einem Präfekten gequält worden. Unter anderem sei er aufgefordert worden, vor dem Mann zu onanieren. Auch seien Schüler gezwungen worden, stundenlang in eiskalten Gängen zu knien und dabei auf den ausgestreckten Händen Bücher zu balancieren und hätten Schläge mit dem Rohrstock zu erdulden gehabt.

Abt betroffen
Im Zisterzienserstift Wilhering reagierte man betroffen. Abt Gottfried Hemmelmayr sagte zur "Presse": "Das ist eine unheimlich schmerzliche Geschichte. Es tut uns leid, auch wenn wir den Fall nicht nachprüfen können, weil der Präfekt längst tot ist." Nunmehr will das Stift Kontakt mit dem Opfer aufnehmen - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Hunderte Fälle bekannt
Seit Wochen werden in Österreich und Deutschland immer neue Fälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch von Kindern in katholischen Einrichtungen gemeldet. Erst am Donnerstag wurde bekannt, dass in den 60er und 80er Jahren auch bei den Wiener Sängerknaben Kinder gequält wurden - mehr dazu in wien.ORF.at.

Schläge in Kloster Neustift
Am Freitag wurde erstmals auch ein Fall aus Italien bekannt. Im Südtiroler Kloster Neustift bei Brixen sollen Kinder in den 1950er und 1960er Jahren übertriebener Gewaltanwendung ausgesetzt gewesen sein. Der dortige Abt übernahm die volle Verantwortung, betonte aber, die Übergriffe hätten "nichts mit Sexualvergehen zu tun".

Papst schaltet sich ein
Nun reagiert erstmals auch der Papst. Am Freitag empfängt Benedikt XVI. den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, der ihm Bericht erstatten soll. In der Vergangenheit hatte der Papst äußerst sensibel auf das Thema reagiert und Missbrauch wiederholt als unerträgliches Verbrechen bezeichnet.

Schönborn fordert "echte Umkehr"
In Österreich wurde die Zweite Wiener Diözesanversammlung von den Vorfällen überschattet. Kardinal Christoph Schönborn forderte in seiner Eröffnungsrede eine "echte Umkehr" in der Kirche. Nur das "schmerzliche Gedenken an die Leiden der Opfer" werde die Kirche läutern und reinigen, so der Wiener Erzbischof - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe
Sollten sich die vielen Verdachtsfälle erhärten, kann das für die Kirche auch teuer werden. Bereits in der Vergangenheit wurden Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe geleistet. So entschloss sich die Kirche 2006 in den USA zur Zahlung von 1,5 Mrd. Dollar (1,2 Mrd. Euro) an Missbrauchsopfer, was die Kirche an den Rand des Ruins brachte.

Seit 1950 kosteten die Verbrechen von Priestern die US-Kirche insgesamt mehr als 2,6 Milliarden Dollar (derzeit fast 1,9 Mrd. Euro). Mindestens 4.400 Priester hatten sich an nahezu 11.000 Kindern vergangen.

Entschädigungsfonds in Irland
Auch in Irland vereinbarte die Regierung 2009 mit kirchlichen Orden einen Entschädigungsfonds von 2,1 Milliarden Euro. Einen Großteil des Geldes brachte die Kirche durch den Verkauf von Gebäuden und Ländereien auf.

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