"Der Film, den niemand sah"

"The Hurt Locker" vs. "Avatar": David schlägt Goliath.
Kathryn Bigelow hat Filmgeschichte geschrieben: Als erste Frau gewann sie am Vorabend des Weltfrauentages einen Oscar für die beste Regie. Bei der 82. Oscar-Verleihung schlug sie ihre männlichen Regiekollegen inklusive ihres Ex-Ehemannes James Cameron mit seinem Film "Avatar" um Längen.

Ihr Irak-Kriegsfilm "Tödliches Kommando - The Hurt Locker" gewann sechs Oscars, und das, obwohl er beim Publikum durchgefallen war: Noch nie wurde eine als bester Film ausgezeichnete Produktion von so wenigen Zuschauern besucht. Nur 14 Millionen Dollar spielte der Streifen bisher in den USA ein. "Der Film, den niemand sah", titeln nun US-Medien.

"Hoffe, ich bin die erste von vielen"
Sie sei natürlich stolz, die erste Frau zu sein, die diesen Preis gewinnt, sagte die 58-Jährige direkt nach der Oscar-Gala: "Ich hoffe, ich bin die erste von vielen." Aber bisher höre sie immer noch die ewig gleiche Frage: Was, eine Frau hat das inszeniert?

Erst dreimal zuvor war eine Frau für die beste Regie nominiert: Sofia Coppola mit "Lost in Translation" (2003), Jane Campion mit "Das Piano" (1993) und Lina Wertmüller mit "Sieben Schönheiten" (1975).

Schwer verkaufbarer Stoff
Bigelow siegte mit ihrem Irak-Kriegsdrama in den beiden Königskategorien - "Bester Film" und "Beste Regie" - sowie in den Sparten Ton, Ton-Schnitt, Originaldrehbuch und Schnitt. Damit entschied sie das Rennen David gegen Goliath klar für sich. "Avatar" kostete 500 Millionen Dollar und spielte 2,5 Milliarden Dollar ein und ist damit der erfolgreichste Film der Geschichte.

"The Hurt Locker" kostete hingegen gerade einmal 15 Millionen Dollar und war an den Kinokassen kein großer Erfolg. Die Story von drei amerikanischen Bombenentschärfern im Irak lasse sich eben schwer verkaufen, hieß es beim Vertrieb des Films.

In 535 US-Kinos gleichzeitig lief der Film im Augst 2009 - nichts verglichen zu den mehreren tausend, die "Avatar" zeigten. Auch in Europa floppte der Film und wurde kaum gespielt. Man entschied sich für eine frühe DVD-Veröffentlichung, die dafür dann aber recht erfolgreich lief.

Cameron abgespeist
Auf die Frage, was es für sie bedeutet, Cameron geschlagen zu haben, blieb Bigelow diplomatisch. "Nun, gleich vorneweg, ich glaube, er ist wirklich ein außergewöhnlicher Filmemacher." Es verschlage ihr die Sprache, meinte sie weiter, ein Grinsen konnte sie sich aber nicht verkneifen.

Cameron, der mit neun Nominierungen in das Rennen um die Trophäen gezogen war, galt als großer Verlierer. "Avatar", der teuerste und zugleich erfolgreichste Film aller Zeiten, wurde mit drei Oscars abgespeist, darunter für Kamera und Spezialeffekte. In US-Klatschmedien wurde gar gemunkelt, ein "Avatar"-Sketch von Ben Stiller und Sasha Baron Cohen sei bei der Gala in letzter Sekunde abgesagt worden, um den bekannt cholerischen Cameron nicht weiter zu erzürnen.

Gemeinsame Vergangenheit
Bigelow hatte ihre größten Erfolge bisher mit Cameron, der zwei Jahre mit ihr verheiratet war, gemeinsam gefeiert. "Point Break - Gefährliche Brandung" mit Keanu Reeves und Patrick Swayze hatte Cameron produziert, für "Strange Days" schrieb er das Drehbuch.

Bei Preisen abgeräumt hat sie aber erst mit "The Hurt Locker" - und das nicht erst bei den Oscars: Sie gewann als erste Frau die Toptrophäe des US-Regisseurverbandes Directors Guild of America und erhielt bei der Verleihung der britischen BAFTA-Filmpreise mit "The Hurt Locker" gleich sechs Auszeichnungen - ebenso viele wie bei den Oscars.

Bridges bester Hauptdarsteller
©Bild: AP/Mark J. Terrill
©Bild: AP/Mark J. Terrill
Jeff Bridges wurde für seine Rolle in "Crazy Heart" mit dem Oscar in der Kategorie "Bester Hauptdarsteller" ausgezeichnet. In dem Drama spielt er einen abgehalfterten Country-Sänger - ohne Schnörkel und mit Tiefe.

Es war die fünfte Oscar-Nominierung und der erste Triumph, ein Triumph, der Bridges sichtlich umwarf. Er bedankte sich überschwänglich und bei fast jedem, vor allem aber bei seiner Frau Sue, mit der er seit 33 Jahren verheiratet ist, und seinen drei erwachsenen Töchtern: "Ohne euch wäre ich nicht hier oben", sagte er.

Bullock prämiert und geschmäht
©Bild: Reuters/Lucy Nicholson
©Bild: Reuters/Lucy Nicholson
Sandra Bullock wurde als beste Hauptdarstellerin im Film "The Blind Side" prämiert. Sie ist damit die beste und die schlechteste Schauspielerin Hollywoods: Innerhalb von zwei Tagen erhielt Bullock die begehrteste und die gefürchtetste Auszeichnung der Filmwelt.

Der Oscar als beste Hauptdarstellerin ist der Karrierehöhepunkt für die 45-Jährige, die bisher eher für Komödien und Actionfilme bekannt war. Nur einen Tag vor der Verleihung der Trophäe in Gold hatte sie aber auch den Schmähpreis Goldene Himbeere für ihre Rolle als aufdringliche Verliebte in der Komödie "Verrückt nach Steve" erhalten.

Mo'Nique beste Nebendarstellerin
©Bild: AP/Mark J. Terrill
©Bild: AP/Mark J. Terrill
Den Preis für die beste Nebendarstellerin heimste Mo'Nique für ihre Rolle in "Precious" ein. Ebenfalls an "Precious" ging der Preis für das beste adaptierte Drehbuch (Geoffrey Fletcher).

Als besten Dokumentarfilm wählte die Jury "The Cove". Zum dritten Mal in Folge hat eine Produktion der Disney-Pixar-Studios den Oscar für den besten Zeichentrickfilm gewonnen. Der begehrte Preis ging an den Film "Up".

Den Preis für den besten Original-Song erhielt Ryan Bingham für "The Weary Kind" aus dem Film "Crazy Heart". Zum besten animierten Kurzfilm wählte die Academy-Jury "Logorama". Bester dokumentarischer Kurzfilm wurde "Music by Prudence", der beste Kurzfilm "The New Tenants".

Das beste Make-up war in "Star Trek" zu sehen, die besten Kostüme in "The Young Victoria". Als beste Filmmusik wurde jene von "Up" prämiert.

Die Oscar-Gewinner im Überblick

  • Bester Film: "The Hurt Locker"
  • Regie: Kathryn Bigelow ("The Hurt Locker")
  • Hauptdarstellerin: Sandra Bullock ("The Blind Side")
  • Hauptdarsteller: Jeff Bridges ("Crazy Heart")
  • Nebendarstellerin: Mo'Nique ("Precious")
  • Nebendarsteller: Christoph Waltz ("Inglourious Basterds")
  • Bester nicht-englischsprachiger Film: "El Secreto de Sus Ojos" (Argentinien)
  • Beste Filmmusik: Michael Giacchino ("Up")
  • Bester Original-Song: Ryan Bingham und T Bone Burnett: "The Weary Kind" (aus "Crazy Heart")
  • Spezialeffekte: "Avatar"
  • Original-Drehbuch: Mark Boal ("The Hurt Locker")
  • Adaptiertes Drehbuch: Geoffrey Fletcher ("Precious")
  • Bester Animationsfilm: "Up"
  • Beste Ausstattung: "Avatar"
  • Beste Kamera: Mauro Fiore ("Avatar")
  • Beste Kostüme: "The Young Victoria"
  • Beste Dokumentation: "Die Bucht"
  • Beste Kurz-Dokumentation: "Music by Prudence"
  • Bester Schnitt: "The Hurt Locker"
  • Beste Maske: "Star Trek"
  • Bester animierter Kurzfilm: "Logorama"
  • Bester Kurzfilm: "The New Tenants"
  • Bester Ton: "The Hurt Locker"
  • Bester Ton-Schnitt: "The Hurt Locker"

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