Der Stoff hatte bereits den österreichischen Schriftsteller Martin Prinz zu seinem 2002 erschienenen Roman "Der Räuber" inspiriert. Dieser wiederum dient als Grundlage für den gleichnamigen Film des jungen deutschen Regisseurs Benjamin Heisenberg, der dieser Tage in den heimischen Kinos anläuft.
"Ein alter Bankraubfilmfan"
Als Heisenberg, dessen Spielfilmdebüt "Schläfer" 2005 für Furore sorgte, die Verfilmung angeboten wurde, war er sofort Feuer und Flamme. "Ich bin ein alter Bankraubfilmfan", gesteht er im Interview mit ORF.at.
Vieles habe ihn an Johann Kastenberger, wie "Pumpgun-Ronnie" mit bürgerlichem Namen hieß, fasziniert. Neben der filmerisch reizvollen Kombination aus Laufen und Bankenüberfallen ließ ihn vor allem das scheinbar fehlende Motiv nicht mehr los.
"Dieser Bankräuber war ein Buddhist"
Kastenberger raubte Banken aus, wie andere zum Supermarkt ums Eck gehen - einmal waren es drei an einem Tag. Das Geld schien ihn dabei nicht weiter zu interessieren. 5,5 Millionen Schilling legte er im Lauf der Jahre in zwei Bankschließfächer, ohne jemals etwas davon zu verwenden.
Im Film legt er das Geld unters Bett. Heisenberg mutmaßt: "Der Weg war das Ziel. Dieser Bankräuber war und ist in dieser Hinsicht sozusagen ein Buddhist. Es ging ihm um die Erfahrung des Selbst in diesen Momenten und darum, sich auszutesten. Er betrieb den Bankraub genau wie das Laufen als einen Hochleistungssport."
Rekordhalter bis heute
Kastenberger heißt im Film Rettenberger und ist ständig in Bewegung. Die Handlung wird durch die Überfälle vorangetrieben, aber auch durch das Lauftraining. Tatsächlich nahm Kastenberger an verschiedenen Wettläufen teil. Beim Kainacher Bergmarathon hält er bis heute den Rekord.
Die Monotonie des Laufens ist Programm. Regisseur Heisenberg hat seinen Film nicht "zerhackstückt", wie man es von anderen Actionstreifen kennt. Er folgt nicht nur inhaltlich, sondern auch formal den "schwebenden, fast schon schwelgenden" Laufschritten der Hauptfigur.
"Der Räuber" ist dem Marathonprinzip verpflichtet - der Zuseher wird immer mehr gefordert, die Spannung wird gehalten und steigert sich zum Ende hin. Kastenberger hatte sich nicht mit Beiwerk aufgehalten - und auch Heisenberger tut das nicht.
Andreas Lusts Marathonleistung
Dass keine marathontypische Ermüdung eintritt, ist nicht zuletzt Andreas Lust zu verdanken, der sich in mehrfacher Hinsicht alles abverlangte. Schon alleine das ständige Laufen bergauf und bergab - Heisenberg wundert sich, wie sein Darsteller "das alles durchgehalten hat".
Schauspielerisch muss für Lust die große Herausforderung gewesen sein, "cool" zu bleiben. Heisenberg lehnt die Psychologisierung der Figur Rettenberger ab. Rettenberger läuft, Rettenberger raubt, aber Rettenberger zeigt kaum je Emotionen, zumindest nicht in seiner Mimik.
"Ganz großes griechisches Drama"
Nur die Liebe darf Lust darstellen, aber auch sie unterkühlt bis auf zwei, drei Momente, in denen Rettenberger mit einem angedeuteten Lächeln und einem knappen, menschlichen Satz aus sich herausgeht. Auch der echte "Pumpgun-Ronnie" hatte eine Freundin, Heisenberg spricht sogar von einer "großen Liebe".
Hier werde der Film zum "ganz großen griechischen Drama". Denn Rettenberger sei ein Held, dem ein vorgegebenes Schicksal und große Kraft eingeschrieben seien. Es entstehe ein Dilemma zwischen seiner Liebesgeschichte und seiner Natur, "die Liebe eigentlich nicht zulässt".
Die Pflicht zur Interpretation
Erika heißt die Freundin aus Simmering im Film, Franziska Weisz spielt sie mit der nötigen Natürlichkeit, ohne sich in plakativem White-Trash-Gehabe zu ergehen. Von der tatsächlichen Freundin Kastenbergs blieb in der Filmfigur "der Kern", sagt Heisenberg. Die Geschichte sei hier nur sehr lose an der Realität orientiert - schon alleine um der Frau einen möglichen Medienrummel zu ersparen.
Überhaupt entfernen sich Heisenberg und Romanautor Prinz, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, recht weit von der Abfolge der Geschehnisse rund um "Pumpgun-Ronnie". "Es gibt lauter kleine Veränderungen, die den Charakter für den Film plastischer machen", sagt Heisenberg.
Mehr als einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit abzubilden sei im Film nicht möglich - nicht einmal im Dokumentarfilm. Die Wahrnehmung einer Person hänge von vielen Aspekten ab, so Heisenberg: "Der Film kanalsiert das in eine bestimmte Erzählform. Er hat die Pflicht, die Realität zu interpretieren."
Ruhig und actionreich zugleich
Das Ende ist anders als damals - immerhin können so jene, die sich noch genau an die Geschehnisse erinnern, überrascht werden.
"Der Räuber" ist auf seltsame Weise ruhig und actionreich zugleich. Vielleicht würden Marathonläufer die Faszination ihres Sports auch so beschreiben.
Simon Hadler, ORF.at
Links:
- Der Räuber
- Johann Kastenberger (Wikipedia)