Wut und Trauer auf der Blumeninsel

Weiterhin 13 Personen vermisst.
Nach den verheerenden Erdrutschen und Überschwemmungen auf der portugiesischen Ferieninsel Madeira gelten weiterhin mehrere Menschen als vermisst.

Von den zunächst vermissten 32 Menschen seien zwar 19 ausfindig gemacht worden, teilte eine Sprecherin der Regionalregierung am Dienstagnachmittag mit. "Sie waren nicht verschwunden, sondern nur nicht an ihren Wohnorten, und ihre Verwandten konnten sie zunächst nicht erreichen." Gesucht werde allerdings weiterhin nach 13 Vermissten.

Nach der "schlimmsten Katastrophe in 100 Jahren" wurden bis Dienstag 42 Tote geborgen. Laut der jüngsten amtlichen Bilanz gibt es 350 Obdachlose. 18 der insgesamt über 100 Verletzten werden noch in Krankenhäusern behandelt.

Nach Angaben der Regierung waren die meisten Straßen inzwischen wieder befahrbar. Die Telefonverbindungen sowie die Versorgung mit Strom und Wasser hätten sich weitgehend normalisiert. Nach drei Tagen mit relativ gutem Wetter gaben die Behörden allerdings ab Mittwoch "Alarm Orange" aus, weil sie neuen Regen erwarteten.

Schwierige Suche
Soldaten, Angehörige des Zivilschutzes und Freiwillige setzten am Dienstag die Suche nach weiteren Leichen und verschütteten Überlebenden fort.

Der Chef der Regionalregierung, Alberto Joao Jardim, sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender RTP, er rechne mit noch höheren Opferzahlen. Die Vermissten seien möglicherweise ins Meer gespült worden, weshalb es vermutlich schwer sein werde, sie wiederzufinden.

Besonders in verschütteten Häusern und vom Hochwasser fortgespülten Autos würden noch Todesopfer vermutet, sagte Albuquerque der Zeitung "Jornal de Madeira". Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln suchten Rettungskräfte nach weiteren Opfern. Dutzende Helfer pumpten Wasser aus Tiefgaragen, in die sich laut Zeugen panische Autofahrer aus Angst vor den Fluten geflüchtet hatten.

Da das Abpumpen des Hochwassers in einem Einkaufszentrum von Funchal nicht gelang, sollten dort laut Fernsehberichten Taucher nach möglichen Opfern suchen. Andere Suchteams waren damit beschäftigt, durch Erdrutsche begrabene Häuser freizugraben. Hunderte schwere Räumfahrzeuge und Lastwagen waren im Einsatz. Eine Fregatte der spanischen Marine brachte Hubschrauber und ein Ärzteteam in das Katastrophengebiet.

Erneut Evakuierungen
Dauerregen auf der Atlantikinsel hatte sich nach Augenzeugenberichten über das Wochenende in Wolkenbrüche verwandelt, die Flüsse über die Ufer treten ließen und Straßen in Sturzbäche verwandelten. Die Wassermassen rissen Autos, Bäume und Brücken fort und spülten Schlamm und Müll in die Häuser.

Die Gefahr war auch zu Wochenbeginn noch nicht gebannt: Wegen der Gefahr weiterer Erdrutsche mussten am Montag in zwei Orten erneut Gebäude evakuiert werden.

Im rund 20 Kilometer von Funchal entfernten Ribeira Brava verließen 30 bis 40 Menschen vorsichtshalber ihre Häuser, wie Bürgermeister Jose Fernandes dem Radiosender TSF sagte. Die Online-Ausgabe der Zeitung "Diario de Noticias-Funchal" berichtete, auch in Ponta do Sol sei eine Gefahrenzone geräumt worden.

Dreitägige Staatstrauer
Die portugiesische Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Ministerpräsident Jose Socrates versprach der Ferieninsel "jede notwendige Hilfe", Jardim bat den portugiesischen EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Durao Barroso um Unterstützung.

Staatschef Anibal Cavaco Silva wollte am Mittwoch nach Madeira fliegen. Eine Sprecherin der Regionalregierung erklärte, es werde kein Katastrophenalarm ausgerufen. Die Strom- und Wasserversorgung sei in einigen Gebieten wiederhergestellt worden.

"Musterbeispiel für schlechten Städtebau"
Zwei Tage nach der Unwetterkatastrophe wird auf der Blumeninsel unterdessen die Kritik an den Baubehörden immer lauter. Experten sind sich einig, dass auch Schlampigkeit im Bausektor und Profitgier im Tourismus einen wesentlichen Teil zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen haben.

"Die Ereignisse auf Madeira sind ein Musterbeispiel dafür, was ein schlechter Städtebau zur Folge haben kann", sagte der Vorsitzende der Präsident des Verbandes der Sicherheitstechniker und Ingenieure, Ricardo Ribeiro.

Warnungen ignoriert?
Auch Helder Spinola von der portugiesischen Umweltschutzorganisation Quercus sagte, dass die Überschwemmungen "Folge der unzähligen Fehler bei der Besiedlung der Insel" seien. Alle Expertenwarnungen seien in den vergangenen Jahren in den Wind geschlagen worden.

Kritik auch an Notdiensten
Kritik wurde auch an Stadtverwaltungen, Feuerwehr und Zivilschutz laut: "Die Notdienste waren überhaupt nicht vorbereitet", so Ribeiro.

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