Zehn Jahre ist das her. Die damaligen Protagonisten verschwanden längst aus der ersten Liga der österreichischen Spitzenpolitik. Ein Comeback von Schwarz-Blau steht aber seit der FPÖ/BZÖ-Teilfusion zumindest mittelfristig wieder im Raum.
Wende in der Innenpolitik
Der 4. Februar 2000 bedeutete einen absoluten Tabubruch in Österreich. Nachdem Franz Vranitzky (SPÖ) 1986 die rot-blaue Zusammenarbeit beendet und Jörg Haider die Freiheitlichen übernommen hatte, lebte man hierzulande in einer Großen Zwangskoalition.
Die SPÖ wollte nicht und die ÖVP traute sich nicht, mit den in der Ausländerfrage aggressiv auftretenden Blauen in eine Regierung einzutreten. Da die Grünen zu schwach waren, blieb letztlich immer nur Rot-Schwarz übrig, so sehr man sich auch in den 14 gemeinsamen Jahren entfremdet hatte.
Zähe Verhandlungen zwischen Rot und Schwarz
Auch nach der Wahl 1999 schien es so, als ob die wieder einmal abgestraften Großparteien in eine Koalition taumeln würden. Wiewohl sich ÖVP-Chef Schüssel nach dem Rückfall der Volkspartei auf Rang drei hinter die FPÖ lange zierte, überhaupt in Regierungsverhandlungen zu gehen, kam letztlich doch ein Pakt von Rot und Schwarz zustande.
Als jedoch die sozialdemokratischen Gewerkschafter in den SPÖ-Gremien wegen der geplanten Pensionsreformen ihre Zustimmung verweigerten, hatte die ÖVP die Möglichkeit zum Absprung gefunden.
Rekordverdächtige Alternativverhandlungen
In rekordverdächtigem Tempo wurde quasi hinter dem Rücken des Bundespräsidenten eine kleine Koalition ausverhandelt, was immer wieder den Verdacht aufkommen ließ, es habe ohnehin die ganze Zeit Parallelverhandlungen der ÖVP mit der FPÖ gegeben.
Haider verzichtete für die Regierungsbeteiligung erstens auf einen Wechsel nach Wien und zweitens auf den Kanzlersessel, womit Wahlverlierer Schüssel von Platz drei aus zum Regierungschef aufstieg.
Vorwürfe, das sei sein einziges Ziel gewesen, weist er bis heute zurück. In seinen Memoiren betont er, die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und Notenbank-Präsidentin Maria Schaumayer für die Position vorgesehen zu haben.
Tausende auf der Straße, Sanktionen der EU
Letztlich "opferte" sich Schüssel dann doch selbst, und das sichtlich gar nicht so ungern, konnte er doch lange von ihm gewünschte Vorhaben wie Privatisierungsoffensive und Pensionsreform durchziehen. Leichter vorgestellt hatte sich der neue Kanzler alles wohl trotzdem.
Dass in Wien im Rahmen der Donnerstag-Demos teils mehr als 10.000 Menschen gegen Schwarz-Blau auf die Straße gingen, den "Abwehrstreik" des davor eher dahinschlummernden ÖGB sowie dass er seine Kanzlerschaft mit dem demütigenden Gang unter dem Heldenplatz antreten musste, mag der ÖVP-Chef noch verkraftet haben.
Dass er als großer Europäer nun der Paria in der EU war und sogar Sanktionen gegen Österreich verhängt wurden, hat Schüssel wohl bis heute nicht verschmerzt, umso mehr, als ihm die damaligen Vorgänge später wohl einen europäischen Spitzenjob kosteten.
Druck von außen half "innen"
Innenpolitisch wirkten die "bilateralen Maßnahmen der EU-14" gegen Österreich allerdings anders. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer (SPÖ) wurde in seinen Annäherungsbemühungen an die EU als "Champagnisierer" diffamiert.
Die Empörung über die Union half auch, sich über heikle Sozialeinschnitte wie beispielsweise die später wieder abgeschaffte Ambulanzgebühr und die Unfallrenten-Besteuerung drüberzuschwindeln.
Und auch von diversen Fehlgriffen der FPÖ bei der Ministerbesetzung wie Michael Krüger und Elisabeth Sickl wurde abgelenkt.
Hilmar Kabas und Thomas Prinzhorn waren schon vor Amtsantritt gescheitert, wurden sie doch vom Bundespräsidenten abgelehnt, nachdem sie mit ausländerfeindlichen Bemerkungen für Aufsehen gesorgt hatten.
"Drei Weise" und ein "Kampflächeln"
Der Sanktionenspuk war nach einem Besuch der "drei Weisen" nach gut einem halben Jahr zu Ende. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) hatte sich mit "Kampflächeln" und Dauereinsatz ihre spätere Karriere als EU-Kommissarin geebnet. Ging der Außenfeind also rasch verloren, gewann der von innen immer mehr Bedeutung.
Haiders Abschied
Haider hatte sich keinen Monat nach der Regierungsbildung als FPÖ-Obmann zurückgezogen und seiner langjährigen Weggefährtin Riess-Passer das Ruder überlassen. Die politische Fernbeziehung ging dann aber alles andere als gut. Je besser Riess-Passer mit Kanzler Schüssel harmonierte, umso mehr ergriff den Kärntner Landeshauptmann die (politische) Eifersucht.
Ständige Streitereien mündeten im "Putsch" von Knittelfeld, auch motiviert von diversen Irritationen um den umstrittenen Eurofighter-Kauf. Mit Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubchef Peter Westenthaler marschierten im September 2002 jene drei Freiheitlichen ab, die sich am besten mit der ÖVP arrangiert hatten.
Schüssel erkannte die Chance, rief Neuwahlen aus, angelte Grasser für die Volkspartei und landete mit mehr als 42 Prozent einen Sensationserfolg.
Schwarz-Blau encore
Wer jetzt dachte, das wars mit Schwarz-Blau, täuschte sich. Ganz im Gegenteil: Schüssel hatte im Gegensatz zu 1999, wo er von günstigen Umständen profitierte, die bequeme Situation, zwischen drei Partnern wählen zu können.
Mit den Grünen liebäugelte er, mit der SPÖ weniger, zur Seite nahm er sich jedenfalls dann doch lieber die auf zehn Prozent zusammengeschrumpfte FPÖ, die nunmehr nach einem kurzen Intermezzo Mathias Reichholds von Herbert Haupt angeführt wurde.
Die Freiheitlichen wurden fortan im Wesentlichen als Anhängsel der ÖVP empfunden, die sich selbst in einer Art Alleinregierung wähnte, da änderte auch die Einsetzung von Haider-Schwester Ursula Haubner als Parteichefin sowie von Infrastrukturminister Hubert Gorbach als Vizekanzler nichts.
Blau wird orange
Die Parteibasis rebellierte gegen die zu lasche freiheitliche Position in der Regierung, woraufhin sich die blaue Spitze orange färbte. Das BZÖ wurde im April 2005 aus der Taufe gehoben, die FPÖ blieb Heinz-Christian Strache und den Seinen übrig. Da der Klub mit zwei Ausnahmen zum BZÖ wechselte und damit die Mehrheit gesichert war, machte Schüssel mit seiner Regierung weiter - die war dann halt schwarz-orange.
Überraschende Wende 2006
Das endgültige Aus für die Kombination aus Volkspartei und drittem Lager bestimmte der Wähler - und das eher überraschend. Nach dem BAWAG-Skandal hätte man auf die SPÖ lange keine Cent gewettet. Letztlich holten aber die Sozialdemokraten unter Gusenbauer 2006 die relative Mehrheit.
Da auch für die ÖVP eine Koalition mit den damals noch schwer verfeindeten Geschwisterparteien FPÖ und BZÖ keine Option war, ging nach sieben Jahren das schwarz-blaue Experiment endgültig zu Ende.
Bei der nächsten Wahl 2013 könnte es freilich schon wieder anders aussehen. Dann nämlich könnte sich Schwarz-Blau durch die freiheitliche Fusion in Kärnten wieder ausgehen, und es läge an Josef Pröll (ÖVP), sich ein Comeback dieser "bürgerlichen Koalition" zu überlegen.
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