Abschied aus der ersten Reihe

Das wurde aus den 16 Mitgliedern des Kabinetts Schüssel-Riess-Passer I und dem blauen Mentor hinter dem Zusammenschluss.
Zehn Jahre ist es her, dass unter lautstarkem öffentlichen Protest und der versteinerten Miene des großkoalitionär denkenden Bundespräsidenten Thomas Klestil am 4. Februar die erste ÖVP-FPÖ-Koalition angelobt wurde.

Wolfgang Schüssel (ÖVP), bei der Nationalratswahl im Herbst 1999 hauchdünn hinter der FPÖ Dritter, war der Bundeskanzler dieser Koalition. Nicht der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider, sondern Susanne Riess-Passer wurde Vizekanzlerin und einen Monat nach Amtsantritt auch Parteichefin der Freiheitlichen.

Aus der ersten Reihe der Politik verabschiedeten sich beide Architekten von Schwarz-Blau. Die Vizekanzlerin zog sich nach zwei aufreibenden Jahren in der Regierung und an der Spitze der FPÖ ganz aus der Politik zurück.

Schüssel, Haider und Riess: Getrennte Wege

©Bild: APA/Harald Schneider
©Bild: APA/Harald Schneider
Wolfgang Schüssel (ÖVP) schaffte im Herbst 2002, nachdem sich seine erste Koalition mit zahlreichen Ministerrücktritten auf blauer Seite und dem legendären Knittelfelder FPÖ-Treffen aufgerieben hatte, mit 42,3 Prozent der Stimmen einen triumphalen Wahlsieg für die ÖVP.

Vier Jahre später war der Kredit der ÖVP verspielt und eine knappe Niederlage gegen die SPÖ das Ergebnis. Schüssel übergab das Zepter an Wilhelm Molterer, der Vizekanzler im Kabinett Gusenbauer-Molterer wurde.

Schüssel, der 2000 die EU-Sanktionen auszusitzen hatte, war lange Zeit als "heißer" Kandidat für einen EU-Spitzenjob gehandelt worden. Geblieben ist für Schüssel die Rolle als Hinterbänkler im Nationalrat.

©Bild: APA/Gert Eggenberger
©Bild: APA/Gert Eggenberger
Jörg Haider, nie Mitglied der schwarz-blauen Regierung, aber sehr wohl mit Schüssel samt gemeinsamer Fahrt im Porsche Architekt des schwarz-blauen Zweckbündnisses, wurde sein Hang zu schnellen Autos im Herbst 2009 nach einem unerwarteten Wahlerfolg für das BZÖ auf Bundesebene zum Verhängnis.

Haider raste in der Nacht zum 11. Oktober mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und 1,8 Promille Alkohol im Blut in der Kärntner Ortschaft Lambichl in den Tod. Seit seinem Ableben ist auch die Situation des von ihm 2005 gegründeten BZÖ höchst ungewiss.

©Bild: APA/Harald Schneider
©Bild: APA/Harald Schneider
Susanne Riess-Passer (einst FPÖ), Vizekanzlerin im Kabinett Schwarz-Blau I und nicht immer mit dem schmeichelhaften Attribut "Königskobra" bedacht, wurde bereits im März 2000 überraschend Parteichefin der Freiheitlichen. "Susi, geh du voran", rief ihr Haider unter Tränen beim nachfolgenden Parteitag zu.

Doch Knittelfeld und der September 2002 markierten das Ende von Riess-Passers Geduld mit den außerhalb der Regierungslinie operierenden Kräften in der FPÖ. Bis zum Frühjahr 2003 blieb Riess-Passer als Vizekanzlerin provisorisch im Amt, um danach aus der Politik auszuscheiden. Seit 2004 ist Riess-Passer Generaldirektorin der heimischen Bausparkasse Wüstenrot.

"Grasser blieb immer Grasser"

©Bild: APA/Roland Schlager
©Bild: APA/Roland Schlager
Karl-Heinz Grasser (einst FPÖ) war die große Herzeigefigur der schwarz-blauen Regierung. Nach der Wahl 2006 zog sich der von der FPÖ- auf die ÖVP-Seite gewechselte Grasser (der zwar nie ÖVP-Mitglied wurde, aber maßgeblich Mitanteil am Wahlsieg von Schüssel 2002 hatte) aus der Politik zurück. Diverse Ausflüge in die Privatwirtschaft waren von Problemen begleitet, etwa seine Teilhabe bei Meinl International Power.

Auf finanzieller Ebene scheint es für Grasser nicht schlecht gelaufen zu sein. Ungemach droht Grasser auch von der Justiz: Im Zusammenhang mit der Meinl-Causa und einer Provisionsaffäre rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Politiker.

Derzeit bekannteste Tätigkeit des Societytigers ist die des Aufsichtsratsvorsitzenden des Fonds C-Quadrat. Die Karriere Grassers seit seinem Amtsantritt im Frühjahr 2000 kommentiert das "profil" in seiner aktuellen Ausgabe so: "Karl-Heinz Grasser blieb Karl-Heinz Grasser."

©Bild: APA/Robert Jaeger
©Bild: APA/Robert Jaeger
Wilhelm Molterer (ÖVP) war als Landwirtschaftsminister neben ÖVP-Klubobmann Andreas Khol der zweite Getreue an Schüssels Seite. Als dieser 2006 die Kanzlerschaft verlor, musste Molterer als Vizekanzler in eine Große Koalition. Sein Poker, Neuwahlen auszurufen, ging doppelt schief. Denn 2008 behauptete sich erst wieder die SPÖ an der Spitze.

Die Sozialdemokraten waren über ihn so vergrämt, dass sie im Vorjahr seine Nominierung als EU-Kommissar verhinderten. Heute sitzt er wie Mentor Schüssel als einfacher Abgeordneter im Nationalrat.

©Bild: APA/Roland Schlager
©Bild: APA/Roland Schlager
Ernst Strasser (ÖVP) machte sich 2000 als Innenminister zunächst einen Namen, als er die Donnerstag-Demos behutsam händelte und größere Ausschreitungen verhinderte. Später wurde er zum Hardliner, vor allem in der Ausländerpolitik, ehe sich Strasser 2004 in die Privatwirtschaft zurückzog und Leiter eines Beratungsunternehmens wurde.

Ganz ließ ihn die Politik nie los. 2009 feierte Strasser sein nicht unumstrittenes Comeback als Spitzenkandidat der ÖVP bei der EU-Wahl. Mittlerweile ist er im Europaparlament Delegationsleiter der österreichischen Volkspartei.

©Bild: APA/Harald Schneider
©Bild: APA/Harald Schneider
Martin Bartenstein (ÖVP), Wirtschaftsminister unter Schwarz-Blau I und II, war der schwarze Querverbinder zu den Blauen. Er hielt sich auch bis zum Ende der Regentschaft von Schüssel. Heute sitzt der steirische Industrielle im Nationalrat, wo er zuletzt vor allem in seiner Rolle als Vorsitzender des Spionage-U-Ausschusses in Erscheinung getreten war.

©Bild: APA/EPA/Gerard Cerles
©Bild: APA/EPA/Gerard Cerles
Benita Ferrero-Waldner (ÖVP), Außenministerin unter Schwarz-Blau, trat im Präsidentschaftsrennen gegen Heinz Fischer an und unterlag. Als EU-Außenkommissarin erhielt sie gute Zensuren. In der neuen Kommission ist sie nicht mehr vertreten. Dem Vernehmen nach strebt sie einen Job in der Privatwirtschaft an.

©Bild: APA/Barbara Gindl
©Bild: APA/Barbara Gindl
Elisabeth Gehrer (ÖVP) nahm im Herbst 2006 nach dem schlechten Abschneiden der ÖVP ihr Nationalratsmandat nicht mehr an und schied im Jänner 2007 mit der Regierung Gusenbauer-Molterer aus dem Amt der Bildungs- und Wissenschaftsministerin aus.

©Bild: APA/Herbert Pfarrhofer
©Bild: APA/Herbert Pfarrhofer
Alfred Finz (ÖVP), einst Staatssekretär für Finanzen und zwischenzeitlich Chef der Wiener ÖVP, kehrte der großen Politik den Rücken und ist mittlerweile Ombudsmann der kleinen und mittleren Unternehmen.

©Bild: APA/Harald Schneider
©Bild: APA/Harald Schneider
Franz Morak (ÖVP), Staatssekretär im Bundeskanzleramt und zuständig für Kultur- und Medienagenden, hatte beim Antritt von Schwarz-Blau den meisten Erklärungsbedarf. Der frühere Burgschauspieler und Kurzzeitpunk ("Wer ist der Chef dieser seltsamen Anstalt") musste vor allem im Künstlerbereich den Antritt der schwarz-blauen Regierung verteidigen.

Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung 2007 war Morak Nationalratsabgeordneter, schaffte aber nach der Wahl 2008 nicht den Wiedereinzug ins Parlament.

Krüger und Sickl, die Kurzzeitstars

©Bild: APA/Robert Jäger
©Bild: APA/Robert Jäger
Michael Krüger, FPÖ-Justizminister, war kurz und möglicherweise ungewollt, die schillerndste Figur im schwarz-blauen Kabinett. Als "hart, aber herzlich" stufte man den oberösterreichischen Rechtsanwalt ein, der davor in seiner Rolle als FPÖ-Kultur- und Mediensprecher nie konfliktscheu wirkte. Als Dienstautowunsch wurde vom "Standard" knapp nach Amtsantritt ein Jaguar kolportiert.

Vier Wochen nach Amtsantritt folgte der Rücktritt Krügers, der zugleich in jene Zeit fiel, als Haider den FPÖ-Vorsitz an Riess-Passer übergab. Krüger trat wegen "gesundheitlicher" Probleme zurück. Von einem "Überlastungssyndrom" war die Rede. Sein ehemaliger Weggefährte, Moderator Dietmar Chmelar, hatte davor in einem gemeinsamen Interview recht ausführlich über frühere Libido-Auslassungen schwadroniert: "Was't no, die Miss Vienna, was wir ..."

©Bild: APA/Hans Klaus Techt
©Bild: APA/Hans Klaus Techt
Elisabeth Sickl (FPÖ), Ministerin für Soziales und Generationen, war eine der Kurzzeitministerinnen des schwarz-blauen Kabinetts. Schon im Oktober 2000 schied die vormalige Kärntner Landtagspräsidentin auf Druck ihrer Partei aus dem Amt aus. Aus der Politik zog sie sich auf das Kärntner Seminarhotel Schloss Albeck zurück, der "Perle des Gurktals", wie es auf der Website heißt.

Die Unauffälligen

©Bild: APA/Robert Jaeger
©Bild: APA/Robert Jaeger
Mares Rossmann (einst FPÖ), Staatssekretärin für Tourismus und Wirtschaft, ist seit ihrem Ausscheiden aus dem Nationalrat 2006 Abgeordnete zum Kärntner Landtag. Die ehemalige Gastronomin in Graz nahm später zudem die Funktion der Tourismusdirektorin im Land wahr.

©Bild: APA/Robert Jaeger
©Bild: APA/Robert Jaeger
Reinhart Waneck, FPÖ-Staatssekretär für Gesundheit im Sozialministerium, ist seit seinem Ausscheiden aus der Politik wieder als Radiologe tätig. Zugleich ist er Präsident des Verbandes der ärztlichen Direktoren Österreichs und Primarärzte Österreichs und bekennt sich weiterhin zur FPÖ.

©Bild: APA/Barbara Gindl
©Bild: APA/Barbara Gindl
Michael Schmid (FPÖ), einst im mächtigen Infrastrukturministerium, zog es nach seiner Zeit in der Bundespolitik in die steirische Landespolitik. Zurzeit arbeitet Schmid an einem Minicomeback. Der FPÖler und spätere BZÖler kandidiert in seiner Heimat St. Stefan ob Stainz auf einer Bürgerliste um den Einzug in den Gemeinderat.

©Bild: APA/Robert Jäger
©Bild: APA/Robert Jäger
Herbert Scheibner (einst FPÖ, später BZÖ) sprang im Jahr 2000 eigentlich für den vom damaligen Bundespräsidenten Klestil abgelehnten Wiener FPÖ-Politiker Hilmar Kabas als Verteidigungsminister ein.

Nachdem das Verteidigungsressort im Kabinett Schüssel II wieder an die ÖVP gefallen war, wurde Scheibner Klubobmann der FPÖ im Parlament. Die orange Wende machte Scheibner mit, war zwischenzeitlich geschäftsführender Parteiobmann und sitzt für das BZÖ im Nationalrat.

Links: