Die Sprecherin des Büros zur Koordinierung humanitärer Einsätze, Elisabeth Byrs, begründete ihre Einschätzung damit, dass das Beben die örtlichen Strukturen in dem Karibikstaat völlig zerstört hätte.
Etwa 90 Prozent der Häuser zerstört
"Das ist eine Katastrophe historischen Ausmaßes", so Byrs, und mit dem Tsunami im Dezember 2004 nicht vergleichbar. In der damals besonders stark betroffenen indonesischen Provinz Aceh seien zumindest die Strukturen der örtlichen Behörden intakt geblieben, erklärte die UNO-Sprecherin.
In Haiti hingegen seien etwa in der 134.000-Einwohner-Stadt Leogane, in der bis zu 90 Prozent der Häuser zerstört wurden, die örtlichen Behörden vollständig zerschlagen worden.
Starkes Nachbeben
Port-au-Prince wurde am Samstag von einem starken Nachbeben erschüttert. Zahlreiche Menschen liefen in Panik aus den Häusern. Die Rettungsarbeiten für die Opfer der Erdbebenkatastrophe mussten kurzzeitig unterbrochen werden. Das Nachbeben hatte nach Angaben des Geologischen Dienstes der USA eine Stärke von 4,5.
Warten auf Zelte und Fahrzeuge
"Das größte Problem ist die Logistik", bestätigte auch der Österreicher Arthur Weber, der als Mitglied eines EU-Expertenteams für den Aufbau der Administration nach Haiti reiste.
Besondere Sorgen bereite den Rettern das Fehlen von Fahrzeugen. Diese seien Mangelware, schrieb der Vorarlberger Rettungsspezialist in seinem ersten Bericht aus dem Katastrophengebiet. Man warte zudem noch immer auf Zelte, so Weber. Und auch für die Helfer selbst sei die Situation schwierig. Die Infrastruktur im Camp sei "ziemlich desolat". "Keine Duschen" und zu essen gäbe es auch "fast nichts" - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Hafen unbenutzbar
Nach wie vor stellen der zerstörte Hafen von Port-au-Prince und der desolate Flughafen das größte Problem für die Helfer dar. Es werde Monate dauern, bis der Hafen repariert sei, sagte Paul Zukunft von der US-Küstenwache in Washington. Große Schiffe könnten dort derzeit nicht festmachen.
"Wir suchen nach anderen Häfen, an denen wir große Frachtlieferungen bearbeiten können." Im Gespräch seien mehrere Häfen, darunter Lafiteau in der Nähe der Hauptstadt, der allerdings zu klein für große Schiffe sei. Vorerst müssen Lieferungen mit kleinen Schiffen an Land gebracht werden.
USA verspricht breiten Strom an Hilfe
Und auch die Kapazitäten des Flughafens sind nach wie vor begrenzt, wie die Organisation Ärzte ohne Grenzen erklärte. "Wenn Flugzeuge länger als geplant auf dem Boden bleiben, kommt es zu Verzögerungen", erklärte der logistische Manager Laurent Dedieu. Da die Beleuchtung des Flughafens zerstört worden sei, könne nachts kein Flugzeug landen.
Hilfsteams kamen ohne Ausrüstung
Die direkten Auswirkungen bekam auch eine Spezialtruppe für Erbebenopfersuche aus Miami, USA, zu spüren. Am Mittwoch, nur wenige Stunden nach dem Beben, waren die 80 Mitglieder einsatzbereit, berichtete die "New York Times" ("NYT"). Doch ihr Abflug wurde verschoben, da der Flughafen noch gesperrt war.
Als sie am Donnerstag auf der Insel ankamen, mussten sie erfahren, dass ihre gesamte Ausrüstung nach Santo Domingo in der Dominikanischen Republik umgeleitet worden war. Erst nach weiteren zehn langen Stunden konnten sie mit ihrem Einsatz endlich beginnen.
Zu wenige Ärzte und Medikamente
Die Versorgung der Verletzten ist weiter kritisch. Vor einem Zentrum der Organisation Ärzte ohne Grenzen starben rund 100 Menschen, während sie auf medizinische Behandlung warteten, wie der Leiter der Vertretung, Stefano Zannini, telefonisch mitteilte. Die häufigste Verletzung seien offene Knochenbrüche.
"Es gibt weder genügend Medikamente noch ausreichend Ärzte. Geschäfte und Supermärkte, die nicht zerstört wurden, bleiben aus Angst vor Plünderungen geschlossen", erklärte auch Astrid Nissen, Leiterin des Büros der Diakonie Katastrophenhilfe, an Samstag in einer Aussendung.
Hilfe läuft langsam an
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) brachte zwar dringend benötigte medizinische Hilfe auf den Weg, doch die Lkws mit Ausrüstungsgegenständen für ein Feldlazarett mit 50 Betten sowie einer Funkeinrichtung bewegt sich nur langsam von der Dominikanischen Republik aus ins Nachbarland voran.
Es sollen aber bald mehr als 60 medizinische Experten aus Norwegen, Finnland, Dänemark und Spanien in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince eintreffen, teilte IKRK-Sprecher Paul Conneally am Samstag mit. Aber immer noch fehlt es an Ärzten. "Wir warten weiter auf Hilfe aus dem Ausland", sagte Rachel Fanfantlissade, eine Ärztin, die in einer Klinik in Port-au-Prince beschäftigt ist.
Suche nach Österreicher geht weiter
Indes läuft die Suche nach etwa zehn Österreichern, die laut dem heimischen Außenamt in Haiti gewesen sein könnten, auf Hochtouren. Ihr Aufenthaltsort während des Bebens ist laut Außenamtsprecher Peter Launsky-Tieffenthal völlig unbekannt, daher gelten sie nicht als vermisst.
Es wird davon ausgegangen, dass sie sich auch in einem anderen Staat befinden könnten. Knapp 30 Österreicher - Auswanderer und Mitarbeiter internationaler Organisationen - überlebten die Katastrophe unbeschadet. Eine 61-jährige Linzerin, Mitarbeiterin des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED), starb.
Indes gab die deutsche Regierung bekannt, dass mindestens ein Deutscher ums Leben gekommen ist. Außenminister Guido Westerwelle (FDP kündigte an, die Bundesregierung werde ihre Soforthilfen für Haiti auf insgesamt 7,5 Millionen Euro aufstocken.
Links:
- UNO
- Weißes Haus
- IKRK
- Haiti (Wikipedia)