Ankara setzte Israel unter Druck

Jahrzehntelange enge Beziehung auf Tiefpunkt angelangt.
Eine offizielle Entschuldigung Israels hat das Verhältnis zur Türkei, einem strategisch wichtigen Partner, am Mittwochabend - zumindest formal - wieder ins Lot gerückt und eine weitere Eskalation verhindert.

Der Konflikt, der sich über Monate aufgeschaukelt hatte, war nach einem diplomatischen Eklat eskaliert, die bilateralen Beziehungen angespannt.

Nach einem gezielten schweren Affront gegenüber dem türkischen Botschafter in Israel hatte Ankara ultimativ eine Entschuldigung von Israel gefordert, die zunächst verweigert wurde.

Mit Botschafterrückzug gedroht
Der türkische Präsident Abdullah Gül hatte am Mittwoch mit dem Abzug seines Botschafters gedroht, sollte sich Israel nicht bis zum Abend für seinen Umgang mit dem Diplomaten entschuldigen. Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman forderte dagegen die Türkei auf, sein Land mit "Respekt und Würde" zu behandeln.

Sache aus der Welt
Mittwochabend kam dann tatsächlich die offizielle Entschuldigung aus Israel. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Lieberman hätten die schriftliche Entschuldigung des stellvertretenden Außenministers Danny Ajalin an den betroffenen türkischen Botschafter koordiniert. Netanjahu hoffte, dass mit der Entschuldigung die Sache aus der Welt sei.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan blieb in einer ersten Reaktion nüchtern. Seine Regierung habe nun "die gewünschte und erwartete" Entschuldigung erhalten.

Türkische Regierung: Problem erledigt
Am Donnerstag akzeptierte die türkische Regierung die Entschuldigung. "Mit diesem Schritt ist das Problem für uns erledigt", zitierte der TV-Sender CNN-Türk am Donnerstag Außenminister Ahmet Davutoglu.

Nun könne aus seiner Sicht auch der für das Wochenende vorgesehene Besuch des israelischen Verteidigungsministers Ehud Barak in der Türkei stattfinden, sagte Davutoglu. Erdogan hatte angekündigt, dass er Barak nicht empfangen werde.

Botschafter rüde behandelt
Anlass der jüngsten Eskalation waren die Begleitumstände eines Gesprächs über eine umstrittene Krimiserie im türkischen Fernsehen zwischen dem türkischen Botschafter Oguz Celikkol und dem israelischen Vizeaußenminister Ajalon.

Israel wirft der türkischen Regierung vor, antisemitische Hetze zu dulden. Dazu kamen jüngste israelkritische Aussagen von Regierungschef Erdogan.

Gezielt undiplomatisch
Ajalon hatte Celikkol am Montag zunächst lange im Gang warten lassen und wies ihm schließlich einen wesentlich niedrigeren Sitzplatz zu. Zudem befand sich kein türkischer Wimpel auf dem Tisch, und Ajalon verweigerte dem Botschafter den Händedruck - und all das vor laufenden TV-Kameras. In der Diplomatensprache sind das mehr als grobe Regelverstöße.

Israel bedauert
Ajalon bedauerte danach seinen Umgang mit dem Diplomaten. Künftig werde er seine Position über "geeignetere diplomatische Wege" deutlich machen, so der israelische Vizeaußenminister. Es sei nicht seine Art, "ausländische Botschafter zu beleidigen".

Diese Stellungnahme hatte Ankara jedoch als "unzureichend" zurückgewiesen, wie aus dem türkischen Außenministerium verlautete. Umso mehr, als Ajalon in der Sache auf dem israelischen Standpunkt bis zu seiner Entschuldigung beharrte.

Anweisung von Lieberman?
Noch am Vortag hatte Ajalon gemeint, sein Vorgehen sei das Mindeste, was diplomatisch in einem solchen Fall angebracht sei. Manche israelische Medien mutmaßten, dass der erfahrene Diplomat nicht aus eigenem Gutdünken, sondern auf Anweisung seines Chefs, des rechtsradikalen Außenministers Avigdor Lieberman, so rüde vorgegangen sei.

Spekuliert wurde zudem, Lieberman wolle damit den für das Wochenende geplanten Türkei-Besuch von Verteidigungsminister Ehud Barak konterkarieren. Barak ist einer der wenigen Minister der neuen israelischen Regierung, die als Freunde der Türkei gelten.

Netanjahu windet sich
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, der Protest seines Außenamts gegen die umstrittene Serie im türkischen Fernsehen sei "in der Sache gerechtfertigt", hätte jedoch in einer "akzeptableren diplomatischen Form" überbracht werden sollen.

Netanjahu versucht damit offenbar, beiden Seiten gerecht zu werden: Einerseits probiert er, eine weitere Eskalation mit der Türkei zu vermeiden, andererseits will er offene Kritik an seinem wichtigsten Koalitionspartner, Außenminister Lieberman, vermeiden.

Türkei auf längerem Ast?
Ob Netanjahus Abwägen eines parteipolitischen gegen ein außenpolitisches Kalkül klug ist, sei dahingestellt. Entscheidender dürfte sein, dass die Türkei in einem andauernden Konflikt - zumindest derzeit - auf dem längeren Ast sitzt.

Denn Israel ist auf das Bündnis mit dem muslimischen Land stärker angewiesen als umgekehrt. Für Ankara änderte sich die Interessenlage seit dem Regierungsantritt der gemäßigt-islamischen AKP dagegen deutlich. Verbesserte Beziehungen mit den Nachbarn Syrien und Iran verminderten die Bedeutung der Achse mit Israel klar.

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