Dienstwaffengebrauch als Gratwanderung

Die meisten Verfahren gegen Polizisten wurden eingestellt oder endeten mit einem Freispruch.
Amokfahrer, Raser, flüchtende Einbrecher: Der Schusswaffengebrauch als letzter Weg, einen Verbrecher zu stoppen, ist eine Gratwanderung für Polizeibeamte.

22. November 2009: Ein Polizist erschießt in einer Notwehrsituation einen Lebensmüden in Wien. Der 31-Jährige hatte eine täuschend echt aussehende Gaspistole auf den Beamten gerichtet, dieser schießt und trifft den Mann zweimal. Für ihn kommt jede Hilfe zu spät. Motiv für die Suizidgedanken dürfte ein Beziehungsstreit gewesen sein.

5. August: Bei einem Einbruch in einen Merkur-Markt in Krems an der Donau wird ein 14-jähriger Jugendlicher von der Polizei erschossen, sein zum damaligen Zeitpunkt 16-jähriger Komplize schwer verletzt. In der Folge wird über die Rechtmäßigkeit des Schusswaffengebrauchs heftig diskutiert.

30. März: Ein Vorarlberger Polizist schießt in Bregenz einem 45-jährigen Obdachlosen bei einer Amtshandlung in den linken Oberschenkel und verletzt ihn schwer. Der Mann hatte zuvor den Beamten und seine Kollegin bedroht und eine Waffenattrappe auf sie gerichtet. Die Polizisten hielten das Pistolenfeuerzeug für echt und setzten den Obdachlosen mit einem Schuss außer Gefecht.

17. Dezember 2008: Beamte werden wegen Ruhestörung und "Müllproblemen" in einen Gemeindebau in Wien-Favoriten gerufen. Im Innenhof treffen sie auf einen Mann, der die Beamten mit einem Besenstiel angreift und einen von ihnen verletzt. Auf der Flucht bedroht der 48-Jährige wiederholt die Polizisten mit einem Messer. Bei der Verfolgungsjagd geben diese zwölf Schusse ab, vier gezielt. Der Randalierer wird getroffen und überwältigt. Getroffen werden auch mehrere geparkte Pkws, ein vorbeifahrendes Auto und eine Hausmauer.

22. August: Nach einem Überfall auf eine Billa-Filiale schießt ein Polizist in Wien-Brigittenau einen der mutmaßlichen Täter an. Mit einer schweren Bauchverletzung wird der Mann ins Krankenhaus gebracht. Ein mutmaßlicher Komplize wird festgenommen.

8. August: Ein Polizist schießt gegen 4.00 Uhr in Wetzelsdorf (Bezirk Korneuburg) auf einen flüchtigen Motorraddieb. Der 47-jährige Verdächtige wird dabei tödlich getroffen. Der Beamte wird im Dezember 2009 vom Vorwurf der schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang freigesprochen.

19. April: Auf einem Parkplatz der Wiener Außenring-Schnellstraße (S1) in Schwechat kommt bei einem Schusswechsel ein als Polizist getarnter Rumäne unter strittigen Umständen durch das Projektil aus der Dienstwaffe eines Beamten in Zivil ums Leben. Laut Polizei war der Flüchtende, der gemeinsam mit zwei Komplizen mehrere Überfälle begangen haben soll, auf die Beamten losgefahren. Die Anklagebehörde kommt nach einem Verfahren zu dem Schluss, dass die Schussabgabe durch die Polizisten nach dem Waffengebrauchsgesetz gedeckt war, das Verfahren wird im Mai 2009 eingestellt.

11. Jänner 2004: Der offenbar unter einer psychischen Störung leidende 35-jährige Milchlieferant Nicolae J. wird nach einer Amokfahrt in Wien von einem Polizisten erschossen. Das Verfahren gegen den Beamten wird von der Staatsanwaltschaft eingestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) stellt im Nachhinein allerdings fest, dass der Schusswaffengebrauch rechtswidrig war. Der Waffengebrauch sei "weder maßhaltend noch verhältnismäßig und daher unzulässig" gewesen.

31. August 2002: Binali I. wird in der Wiener Innenstadt von einem Polizisten erschossen, als er mit zwei Mineralwasserflaschen auf die Beamten losgeht. Der 28-Jährige, der schon länger unter schizophrenen Schüben und zeitweiligem Realitätsverlust litt, hatte zuvor versucht, ein Kindermodengeschäft zu überfallen und einer älteren Passantin die Handtasche zu entreißen. Zeugen beschrieben den Mann als "sehr verwirrt". Die Polizisten werden rechtskräftig freigesprochen. Das Gericht befindet, sie hätten in Notwehr gehandelt.

14. August 2000: Im Zuge der Fahndung nach einem flüchtigen Räuber gibt in Gars am Kamp im nördlichen Niederösterreich ein Gendarmeriebeamter Schüsse ab. Ein völlig unbeteiligter Motorradfahrer wird getroffen und stirbt. Der Beamte kommt später wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen vor Gericht. Das Ersturteil lautet auf sechs Monate bedingte Freiheitsstrafe plus eine Geldstrafe.

20. Mai: Der Ungar Imre B. (35) wird im Zuge einer Drogenrazzia in Wien-Penzing irrtümlich erschossen. Er parkte vor einem Lokal, das die Exekutive für einen Suchtgift-Umschlagplatz hielt. Auf Vorhalt zweier Uniformierter, die Hände aufs Armaturenbrett zu legen - sie wollten das Fahrzeug und die beiden Insassen durchsuchen -, soll B. die Tür aufgerissen haben, als sie ein Inspektor mit seiner gezückten Waffe in der anderen Hand gerade öffnen wollte. Dabei löst sich der Schuss. Sechs Jahre später stellt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass dieser rechtswidrig war.

13. Mai 1995: Auf der Pack verwechseln Wiener Kripo-Beamte vier Weststeirer mit gesuchten Erpressern und feuern 28-mal auf deren Autos, wobei ein Mann durch Glassplitter im Gesicht und am Auge verletzt wird. Wie sich später herausstellt, handelte es sich um harmlose Zivilisten, die sich auf der Heimfahrt von einer Chorprobe befanden. Die beiden Beamten werden zu Geldstrafen verurteilt, die Chorsänger erhielten Schadenersatz.