Die Rückkehr des Linken wider Willen

Im Jahrzehnt des Terrors kam Frankreich auf Albert Camus zurück.
Im abgelaufenen Jahrzehnt hat sich Frankreich auf den Schriftsteller Albert Camus besonnen. Zwar sind jede Menge Schulen und Plätze nach ihm benannt, sein besonnener Humanismus gegen Menschenverächter, selbstgerechte Weltverbesserer und Kriegstreiber hatte ihn zuvor aus dem Himmel der französischen Linksintellektuellen verstoßen.

In der hitzigen Debatte über den Algerien-Krieg brachte er als Mann des Ausgleichs alle Seiten gegen sich auf. Der Literaturnobelpreis 1957 entrückte ihn dann in unerreichbare Höhen, auch Jean-Paul Sartre wandte sich von ihm ab. Umso bemerkenswerter war die "Rückkehr" dieses engagierten Denkers, der sich trotzdem als "Linker wider Willen" verstand.

Prediger der Vernunft
Das aggressive, auch fundamentalistische Argumentieren und Handeln nach dem Schock vom 11. September, die vielerorts angewandte Logik der Gewalt machten Camus, diesen die Vernunft predigenden Rufer in der Wüste, wieder aktuell.

Sein zeitgemäß wirkendes Nachdenken über die "Unverletzbarkeit der menschlichen Person", sein Engagement gegen Maßlosigkeit, Überheblichkeit, Dogmen und Gewalt waren im Jahrzehnt des Terrors von Neuem gefragt. Camus, der die Freiheit über alles liebte und unter den Pariser Intellektuellen vom "Rive Gauche" nie richtig warm wurde, erlebte gerade auch in Osteuropa einen Boom.

"Reflexionen über den Terrorismus"
Neuveröffentlichungen und Radiozyklen begleiteten diese Rückkehr des Autors des Romans "Der Fremde" und des Essays "Der Mensch in der Revolte", jenes aus dem algerischen Moldovi stammenden Mannes also, dessen Denken als "Rot-Kreuz-Moral" verspottet wurde, von Sartre auch als "Republik der schönen Seelen".

"Camus at Combat" ist die umfassende Veröffentlichung der insgesamt 165 Arbeiten des Journalisten Albert Camus, der in der Tageszeitung "Combat" erst im Untergrund, von August 1944 dann offen seine Ziele vertrat.

Wieder erschienen sind auch die "Reflexionen über den Terrorismus" und die "Chroniques algeriennes" aus den Jahren 1939 bis 1958. Und der Radiosender France Culture verbreitete in der Zeit vom 18. November bis zum 13. Dezember 2001 ein dichtes Camus-Programm.

"Camus ist wieder da"
"Da schau her, Albert Camus ist wieder da. Dabei hatte man doch geglaubt, ihn gut an seinen Ruhm angekettet zu haben", wunderte sich das Pariser Wochenmagazin "Le Point": Camus, der den Menschen als von Gott verlassen und auf sich selbst zurückgeworfen beschrieb ("Der Mythos von Sisyphos", "Die Pest"). Seine Prosa spreche uns mehr denn je an, hieß es dort, "denn was er geliebt hat, wurde liquidiert: der Sinn für Brüderlichkeit".

Eine ganze Seite widmete auch die angesehene Tageszeitung "Le Monde" dem Autor, der unbeirrt für ein abwägendes Denken und Handeln eingetreten sei.

Kein Zweck heiligt alle Mittel
"Keine Sache rechtfertigt den Tod Unschuldiger", so hatte sich Camus in den französischen Streit über den Algerien-Krieg eingeschaltet. Es gebe keinen Zweck, der alle Mittel heiligt, meinte der Autor: "Falsche Ideen enden im Blut der anderen."

Die Geschichte bestätigte seine scharfe Kritik an Marxismus und Sowjet-Diktatur und sie rückte den nach linksaußen abgedrifteten Widersacher Sartre ins hintere Glied. Terroristen ließ Camus in seinem Theater darüber reden, wie viel Gewalt "akzeptabel" sei, wenn man auf der richtigen Seite stehe. Für Tschetschenien und Nahost etwa gilt seine Warnung vor einer Gewaltkultur unvermindert.

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