Kampuschs Mutter Brigitta Sirny reichte daraufhin Klage gegen den pensionierten Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ein, weil sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlte.
Adamovich bekräftigte nun am Donnerstag vor Gericht seine Einschätzung und behauptete weiters, es gebe "Indikatoren" dafür, dass sich zwischen Kampusch und ihrem Entführer Wolfgang Priklopil "eine positive, sogar liebevolle Beziehung entwickelt hat". Aufhorchen ließ der ehemalige VfGH-Präsident zudem mit der Aussage, Priklopil sei möglicherweise ein "Auftragstäter" gewesen.
"Liste von Aufenthaltsorten"
Zudem verwies der 77-Jährige auf "eine ganze Liste von Aufenthaltsorten außerhalb des Verlieses". So habe Kampusch auf dem Nachbargrundstück von Priklopils Wohnsitz in Strasshof (Niederösterreich) das Schwimmbecken benützt. Zu ihrem 18. Geburtstag sei eine Torte gebacken worden.
"Das sind alles Dinge, die nicht recht passen in das Bild einer gespenstischen Gefangenschaft", gab Adamovich zu Protokoll.
Schwere Vorwürfe
Dem stellte Adamovich die Zeit vor der Entführung gegenüber: "Dass es der Frau Kampusch vor der Entführung schlecht gegangen ist, davon bin ich überzeugt. Ich habe aber nie gesagt, dass die Mutter ausschließlich schuld daran war. Da haben andere auch eine Rolle gespielt - nicht zuletzt der Vater."
Adamovich erwähnte in Bezug darauf "eigenartige Szenen, wenn Natascha Kampusch mit ihrem Vater aus Ungarn zurückgekommen ist". Grundsätzlich habe sich das Mädchen vor der Entführung in einer "misslichen Situation" befunden, behauptete Adamovich: "Es hat Symptome gegeben, die auf eine sehr starke psychische Belastung deuten."
Kampuschs Mutter unterstellte er, "mindestens ein Verhalten" gesetzt zu haben, bei dem es sich "um ein verjährtes Offizialdelikt" handle. Er bezog sich dabei auf eine Zeugenaussage, der zufolge Sirny ihre Tochter geschlagen haben soll. Noch am Tag der Entführung soll Kampusch einen leichten Schlag auf den Mund bekommen haben.
"Dubiose Persönlichkeiten"
Adamovich erwähnte auch ein Gutachten des Kinderpsychiaters Max Friedrich, das dieser unmittelbar nach der Entführung für das Wiener Sicherheitsbüro erstellt hatte. Friedrich hatte Sirny darin eine "große Distanz" zu ihrer Tochter bescheinigt, von der sie nur in der Vergangenheit und "abfällig" spreche, "so dass man annehmen muss, dass sie das Kind nicht mag".
Der Ex-VfGH-Präsident verwies weiters auf die mehrmals wöchentlichen Fitnessstudio-Besuche Sirnys, zu denen diese ihre Tochter regelmäßig mitgenommen und dort unbeaufsichtigt gelassen habe. Kampusch könne dort "in Kontakt mit dubiosen Persönlichkeiten" gekommen sein, deutete Adamovich an.
Neue "Auftragstäter"-These
Ernsthafte Zweifel äußerte Adamovich zudem an der Einzeltäterthese. "Es spricht alles dafür, dass die Entführung anders abgelaufen ist, als sie ursprünglich geplant war", gab er zu Protokoll. Kampusch sei zunächst in kein Verlies, sondern "einen provisorisch eingerichteten Raum" gekommen. Dieser sei erst allmählich zu einem Verlies ausgestaltet worden.
In den Raum stellte Adamovich dabei, dass Kampusch-Entführer Priklopil ein "Auftragstäter" gewesen sein könnte. Es seien "keine rein sadistischen Motive", sondern offenbar Hintermänner im Spiel gewesen. "Der ursprüngliche Plan ist gescheitert, und dann ist er (Priklopil, Anm.) mit ihr (Kampusch, Anm.) dagestanden", meinte Adamovich.