Zwei Monate Verhandlungen brachten das für Österreich gewohnte Ergebnis: Bundeskanzler und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer startete mit Wilhelm Molterer (ÖVP) als Vizekanzler eine neue Episode der Großen Koalition.
Konflikte statt Einigung
Zwar wurde das Wahlrechtspaket inklusive Verlängerung der Legislaturperiode verabschiedet, die Regelung der 24-Stunden-Pflege erledigt und die Zahl der umstrittenen Eurofighter reduziert. Die Geschwindigkeit von Schwarz-Blau wurde aber einer jähen Bremsung unterzogen.
Denn wurde etwas beschlossen wie die Abschaffung der Erbschaftssteuer, sorgte das für weitere Konflikte statt für eine Einigung. Auch auf das von Gusenbauer geforderte Vorziehen der Steuerreform auf 2009 konnte man sich nicht einigen. Permanenter Streit und gegenseitiges Misstrauen prägten die Koalition Gusenbauer-Molterer.
Berufswunsch Bundeskanzler
Abseits des großkoalitionären Zwists saß Gusenbauer auch in seiner eigenen Partei nicht fest im Sattel. Obwohl er laut seiner Mutter schon als Kind Bundeskanzler werden wollte - was ihm den Beinahmen "Sandkistenkanzler" einbrachte -, wurde er in seiner Amtszeit als "glücklos" beschrieben.
Sein gemeinsames Spargelessen mit Jörg Haider (FPÖ/BZÖ) sowie seine öffentlich gelebte Leidenschaft für teuren Wein hatten für Kopfschütteln gesorgt.
Aus nach EU-Brief an "Krone"
Der gemeinsam von Gusenbauer und seinem Infrastrukturminister Werner Faymann aufgesetzte EU-Brief an die "Kronen Zeitung" brachte für die ÖVP das Fass endgültig zum Überlaufen. In dem Brief forderten die beiden SPÖ-Politiker, dass in Österreich nun doch eine Volksabstimmung kommen solle, falls in der EU der umstrittene Lissabon-Vertrag neu formuliert werde.
Der EU-Reformvertrag ist mittlerweile in Kraft getreten. Die ÖVP konnte diesen SPÖ-Schwenk in der EU-Politik allerdings nicht mehr mittragen. "Es reicht": Mit diesen Worten kündigte Molterer im Juli 2008 die Koalition nach 543 Tagen auf. Vorzeitige Neuwahlen wurden ausgerufen.
Faymann als Spitzenkandidat
Für die für September 2008 angesetzte Nationalratswahl ging bereits Faymann als Spitzenkandidat ins Rennen. Im Kabinett Gusenbauer konnte er seine Beliebtheit sukzessive ausbauen - nicht zuletzt durch seine Rolle als Regierungskoordinator.
Gemeinsam mit seinem ÖVP-Pendant Josef Pröll waren die beiden das nach außen harmonische Gegenstück zu der sonst zerstrittenen Regierung.
"Kuschelkanzler" Faymann
Die Wahl wurde dennoch zur Strafaktion für die beiden Regierungsparteien. Die SPÖ behauptete zwar ihren ersten Platz. Beide Großparteien fielen aber unter 30 Prozent, die FPÖ kehrte auf Platz drei zurück, und dem BZÖ verschaffte Jörg Haider mit Platz vier einen Überraschungserfolg.
Die Grünen fielen auf den fünften Platz zurück. Alexander Van der Bellen trat zurück und übergab den Parteivorsitz an Eva Glawischnig.
An der Zusammensetzung der Parteien änderte sich in der neuen Regierung nichts. Neu waren die Mitspieler. Das Führungsduo von Rot-Schwarz hieß nun Faymann-Pröll. Der Harmoniekurs wurde fortgesetzt, Faymann wurde bald das Attribut "Kuschelkanzler" zugesprochen.
Immerhin: Die von Gusenbauer geforderte Steuerreform kam tatsächlich 2009 - wie auch die Wirtschaftskrise, die sich als breites Betätigungsfeld für koalitionäre Ideen erwies.
Feindschaft noch nicht ganz begraben
Bleibt das "Dritte Lager". Gemeinsam hätten FPÖ und BZÖ bei der Wahl 2008 die ÖVP eingeholt. Bei anderen Wahlen mit Ausnahme von Kärnten kam das BZÖ nicht vom Fleck. Mit Haiders Tod - der Kärntner Landeshauptmann verunglückte im Oktober 2008 stark alkoholisiert und mit überhöhtem Tempo - verlor man auch das alte, neue Zugpferd.
Spekulationen über eine Wiedervereinigung der Blauen und Orangen gab es daher immer wieder. Einen ersten Schritt unternahm das Kärntner BZÖ, das durch eine Fusion mit der FPÖ zu den Freiheitlichen in Kärnten (FPK) mutierte. Andere Landesorganisationen zogen bisher nicht mit, und auch auf Bundesebene scheint zumindest derzeit eine blau-orange Vereinigung ausgeschlossen.
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