Regieren mit gespaltenem Partner

Der Richtungsstreit der Blauen endete mit einer Spaltung. Im April 2005 wurde das BZÖ unter Führung von Haider gegründet.
Österreich ist rot-schwarz. Jahrzehntelang hat die Große Koalition das innenpolitische Geschehen geprägt. Das war bis zum Jänner 2000 so und ist auch zehn Jahre später, am Jahresanfang 2010, so. In den Jahren dazwischen verlief die österreichische Politik abseits des Gewohnten.

Die Wende brachte der Februar 2000. Sechs Jahre lang wurde Österreich schwarz-blau, später schwarz-orange regiert. Das brachte der Republik schnelle, mehr oder wenige gelungene Reformen und Privatisierungen und eine FPÖ, die beinahe am Regieren zerbrach.

Eisige Angelobung
©Bild: APA/Harald Schneider
©Bild: APA/Harald Schneider
Am 4. Februar 2000 wurde das Kabinett Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Susanne Riess-Passer (FPÖ) angelobt, begleitet von der eisigen Miene des Bundespräsidenten Thomas Klestil, regelmäßigen Protestkundgebungen und den "Sanktionen" der EU-14 gegen die Regierung. Jörg Haider (FPÖ) übergab den Parteivorsitz an Riess-Passer, er selbst wurde "einfaches Parteimitglied".

"Speed kills"
Ungeachtet der Proteste und Sanktionen legte Schwarz-Blau beim Regieren ein enormes Tempo an den Tag. "Speed kills" wurde das Motto: Pensionsreform inklusive ÖGB-Streik dagegen, NS-Entschädigungen, Reformen im Strafrecht, Polizeireform, Bundesheerreform, Kindergeld, Abfertigung neu, ORF-Gesetz und Privatsender, eine Steuerreform.

Auch die Privatisierungen wurden in den sechs Jahren vorangetrieben, etwa jene von Telekom Austria, voest, P.S.K. und Austria Tabak. Der höchst umstrittene Kauf der Eurofighter für das Bundesheer - die teuerste Nachfolgelösung für die altersschwachen Draken-Abfangjäger - fiel auch unter die Schüssel-Riess-Passer-Regierung.

Einsatz für Nulldefizit
©Bild: Reuters/Leonhard Foeger
©Bild: Reuters/Leonhard Foeger
Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der immer wieder mit Skandalen in Verbindung kam - von der undurchsichtigen Finanzierung seiner Homepage bis zur Affäre um den Verkauf der Bundeswohnungen (BUWOG) -, setzte sich das Nulldefizit als oberstes Ziel. Die schwarze Null erreichte er aber nur einmal knapp - im Jahr 2001.

FPÖ geriet ins Trudeln
©Bild: APA/Herbert Pfarrhofer
©Bild: APA/Herbert Pfarrhofer
Die Regierungsbeteiligung bekam der die Oppositionsrolle gewöhnten FPÖ nicht wirklich. Die Reaktion der Wähler machte sich mit einem Stimmenverlust bei Regionalwahlen bemerkbar.
Das "einfache Parteimitglied" Haider schoss regelmäßig aus Kärnten gegen die Arbeit von FPÖ-Chefin Riess-Passer quer. Über Monate schwelte der Konflikt über den Kurs der Regierungsmannschaft.

Eine Gruppe der Haider-Freunde mit Ewald Stadler an der Spitze wollte Vizekanzlerin Riess-Passer das Wasser abgraben. Der endgültige Eklat ereignete sich im September 2002 beim Sonderparteitag im steirischen Knittelfeld. Dieser besiegelte das Ende von Schwarz-Blau I und beendete den 16-jährigen permanenten Aufstieg der Blauen.

Haider "vergaß" beim Parteitag kurzfristig ein am Abend zuvor mit Riess-Passer ausgehandeltes Kompromisspapier, das Kurt Scheuch auf offener Bühne zerriss. Die Folgen waren nachhaltig. Riess-Passer, Grasser und Peter Westenthaler traten zurück, Schüssel rief Neuwahlen aus.

Neuauflage von Schwarz-Blau/Orange
Am 24. November 2002 legte die ÖVP 16 Prozentpunkte zu und wurde stärkste Partei. Die FPÖ stürzte auf Platz drei ab. Zwar stand kurz eine schwarz-grüne Koalition im Raum. Jahre später wurde diese Regierungsvariante aber nur auf Landesebene in Oberösterreich durchgeführt und nach der Landtagswahl heuer prolongiert. Auf Bundesebene gab es eine Neuauflage von Schwarz-Blau.

©Bild: APA/Guenter R. Artinger
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Der Richtungsstreit bei den Blauen ging indes weiter und gipfelte am 4. April 2005 in der Abspaltung der Parteispitze und der Gründung BZÖ. Die Koalition überstand die Kalamitäten diesmal und wurde noch einmal für wenige Monate schwarz-orange - bis Österreich zur innenpolitischen "Normalität" zurückkehrte.

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