Vom Rückgrat zur Problemzone
Das einstmalige industrielle Rückgrat des Landes, das sich von den Großen Seen über Boston bis Washington D. C. und New York erstreckt, ist wegen der Krise von Chrylser und General Motors (GM) von einschneidender Abwanderung bedroht. Viele Städte machten seit ihrer Glanzzeit in den 1960er und 70er Jahren einen gewichtigen Niedergang durch, ganze Viertel sind völlig verfallen - mit großen sozialen Problemen, hoher Kriminalität und gehörigen Kosten für die Kommunen.
Schleifen statt verfallen
Die US-Regierung fasst nun offenbar auch radikale Lösungen ins Auge, um dem Problem Herr zu werden. Laut dem britischen "Telegraph" könnten ganze Stadtviertel geschleift werden, um die mittlerweile überdimensionierten Städte gesundzuschrumpfen und den weiteren Verfall zu stoppen. Gesamte Straßenzüge könnten demnach von Planierraupen niedergewalzt werden und renaturiert werden.
"Clean and green" nennt sich das entsprechende Vorzeigeprojekt in Flint, der Urheimat von GM und einer der am stärksten von der Krise und von der Abwanderung betroffenen Städte im "Rostgürtel". Das Programm bedeutet einen Bruch im bisherigen Denken, das vom "Big is Beautiful" und "Wachstum bedeutet Zukunft" geprägt ist.
Strategie für schrumpfende Städte
Dan Kildee, der Erfinder des Programms und zuständig für die Finanzen von Genesee County, informierte US-Präsident Barack Obama über sein Programm bereits während dessen Wahlkampf - nun wurde Kildee von Obamas Team kontaktiert, eine Strategie für die von der Krise gebeutelten Städte zu entwickeln.
Kildee selbst betont, diese Städte würden auf jeden Fall schrumpfen - die Frage sei, ob das "destruktiv oder nachhaltig" geschehe. "Der Niedergang ist in Flint eine Tatsache. Das zu negieren, ist, als ob man die Schwerkraft negiert."
Drastisches Beispiel
Von den einst 79.000 bei GM Beschäftigten sind nur noch 8.000 übrig, die Arbeitslosigkeit schnellte in die Höhe, und die Einwohnerzahl insgesamt halbierte sich beinahe auf 110.000. Mittlerweile gibt es ganze Straßenzüge, in denen oft nur noch ein Haus bewohnt wird - spätestens seit der Krise sind die damit verbundenen hohen Infrastrukturkosten auch für die Stadtverwaltung nicht mehr tragbar.
Kildee versucht daher, das Stadtzentrum wieder attraktiver zu machen und die Stadt insgesamt zu verkleinern, aber damit gleichzeitig lebendiger zu machen.
Angebot zum Umsiedeln
Erreicht wird das mit einer "Land Bank", die durch Überschuldung und ausstehende Steuerzahlungen zum Verkauf stehende Immobilien aufkauft, anstatt sie Spekulanten zu überlassen. In Gegenden, wo es Sinn ergibt, werden neue Projekte hochgezogen, in anderen Fällen werden die Häuser niedergerissen und die Gründe begrünt. Etwaigen verbliebenen Bewohnern in Problemgegenden wird zugleich ein lukratives Angebot zum Umsiedeln gemacht.
Wiesen statt Häuser
1.100 Häuser wurden laut "Telegraph" mittlerweile in Flint im Rahmen dieser Initiative bereits dem Erdboden gleichgemacht. Tausende weitere Häuser sollen laut Kildee noch folgen.
In manchen Gegenden machten sich bereits Wiese und Bäume breit - dass dort noch bis vor Kurzem Häuser standen, sei kaum noch zu erkennen.
Hearing im Senat
Bereits seit Jahren wird die Idee, sterbende Städte gesundzuschrumpfen, in den USA immer wieder debattiert. Bereits im Vorjahr hatte Kildee seine Ideen auch im US-Senat präsentiert. Empörten Kritikern entgegnet Kildee indes mit einem von der Natur entlehnten Bild: Das Schleifen von Straßenzügen sei wie das Zurückschneiden eines Baumes, damit er wieder mehr Früchte trägt.
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