Mesopotamien (das sich von der Türkei über Syrien bis in den Irak erstreckt) war und ist eines der wenigen Gebiete in der Region, die durch ihre zwei Lebensadern mit ausreichend Wasser versorgt werden.
Wasserversorgung für 2,5 Mio. Menschen
Im Irak ist von diesem "Paradies" mittlerweile kaum noch etwas übrig. Die Wasserpolitik der Nachbarstaaten, gepaart mit dem Klimawandel, gräbt dem Zwischenstromland im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser ab.
Die Ahwar-Sumpfgebiete im Südirak, unmittelbar vor dem Zusammenfluss von Euphrat und Tigris in den Schatt al-Arab gelegen, sind laut einem Bericht der "Asia Times" mittlerweile ähnlich von Austrocknung bedroht wie die fruchtbaren Gebiete entlang der beiden Flüsse selbst. Die Sümpfe stellten bisher die Wasserversorgung für rund 2,5 Millionen Menschen sicher.
Riesige Dammprojekte
Schuld daran sind laut "Asia Times" anhaltende Trockenperioden, vor allem aber Syrien und die Türkei. Besonders die riesigen Staudammprojekte entlang der Flüsse sorgen dafür, dass im Irak immer weniger Wasser ankommt.
Dazu komme, dass die gewohnten Niederschläge zwischen Oktober und Mai immer öfter ausblieben, dafür häuften sich heftige Sandstürme in den Sommermonaten.
Pegel des Euphrat sinkt
Die Folge: Wasserkraftwerke könnten wenn überhaupt nur noch mit geringer Leistung betrieben werden, die irakische Regierung warnt vor ernsthaften Problemen in der Versorgung von bis zu zwei Millionen Menschen mit Frischwasser. Der Pegel der Euphrat sei bereits um 50 bis 70 Prozent gefallen, Woche für Woche sinke der Wasserstand weiter.
Türkei bleibt hart
Trotzdem lehnte die Türkei bei einer Ministerkonferenz Anfang September das Ersuchen der Nachbarn Syrien und Irak ab, über Euphrat und Tigris mehr Wasser in Richtung Süden fließen zu lassen.
Eigene Interessen
Der türkische Energieminister Taner Yildiz wies Vorwürfe aus dem Irak, wonach sein Land an der Wasserknappheit schuld sei, zurück. Ankara habe die Durchflussmenge bereits auf über 500 Kubikmeter pro Sekunde erhöht, damit sei der Spielraum erschöpft. Schließlich müsse auch die Türkei an ihre eigene Trinkwasser- und Energieversorgung denken. Der Irak, die Türkei und Syrien liegen einander wegen des Themas Wasser seit Jahren in den Haaren.
Laut irakischer Regierung verringerte sich die Durchflussmenge binnen zwölf Monaten um rund 30 Prozent. Der türkische Umweltminister Veysel Eroglu verwies auf die niedrigen Niederschlagsmengen im ostanatolischen Einzugsgebiet der beiden Flüsse.
Riesiges Problem für Bagdad
Die Niederschlagsvolumina seien, zitiert die "Asia Times" Suhair Hassan Ahmed vom nationalen Büro für Wassermanagement in der irakischen Hauptstadt Bagdad, auch im Irak seit 2007 massiv zurückgegangen. Folglich sei auch der Pegel des Tigris, der die Stadt teilt, deutlich gesunken.
In Bagdad fehle daher nicht nur Wasser für die Industrie, der Tigris sei für größere Schiffe auch nicht mehr befahrbar. Außerdem werde in der irakischen Hauptstadt langsam ein Hygieneproblem akut: Abwässer, die in den Fluss geleitet werden, würden nicht mehr rasch genug abtransportiert, sondern blieben im Flussbett stehen.
Felder vertrocknen
Noch bedeutend dramatischer seien die Folgen weiter flussabwärts entlang des Euphrat zu spüren. Dort, in der Kornkammer Mesopotamiens, wo seit Jahrtausenden Getreide, Datteln und in der Provinz Anbar sogar Reis angebaut wurden, vertrockneten die Felder heute "en masse", die Ernten seien "ein Desaster". Die zahlreichen Pumpstationen erreichten kaum noch Grundwasser entlang des Flusses.
Reserven sind begrenzt
In den letzten beiden Jahren, zitiert die "Asia Times" den irakischen Wasserminister Abdul Raschid Latif, seien rund 1.000 neue Brunnen gebohrt worden. Doch die Reserven halten nicht ewig, da sich die Brunnen kaum wieder füllten.
Immer weniger Regen
Die Regenmenge lag in den letzten 24 Monaten in den meisten der 18 Provinzen des Irak rund 70 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt, in den Bergen Ostanatoliens im türkischen Quellgebiet von Euphrat und Tigris fällt weniger Schmelzwasser an.
Strom nur für Stunden
Nicht zuletzt hat die Wasserknappheit auch Folgen für die Energieversorgung des Landes. Ein riesiges Wasserkraftwerk in der Stadt Nasirija könne, schreibt der Irak-Korrespondent des britischen "Guardian", Martin Chulov, in seiner Reportage für die "Asia Times", nur noch mit zwei von vier Turbinen betrieben werden, Strom gebe es nur für sechs bis acht Stunden pro Tag.
Fällt der Pegel des Euphrat um weitere 20 Zentimeter, bleibt die viergrößte Stadt des Landes dunkel.
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