Auf dem Spiel steht nicht nur ein Millionenvermögen, sondern auch die Zukunft einer der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen der Welt.
Hohe Summen
Die Schätzungen, um welche Summen es in dem Streit geht, gehen weit auseinander. Die Zeitung "El Mundo" spricht von Kunstwerken, Schmuck und Geldanlagen im Wert von über 300 Millionen Euro.
Die Wirtschaftszeitung "Cinco Dias" geht von bis zu 800 Mio. Euro aus, schreibt aber auch, dass seriöse Kalkulationen des tatsächlichen Marktwerts kaum möglich sind. Kunstexperten schätzen, dass einzelne Meisterwerke - etwa Paul Gaugins "Früher" (1892) - auf dem freien Markt 50 bis 100 Mio. Euro einbringen würden.
Mit Notar ins Museum
Rechtsberater haben Borja Thyssen nun offenbar nahegelegt, dass er ein direktes Anrecht auf einen Teil des Erbes seines Adoptivvaters besitze. Bisher war er davon ausgegangen, dass er nur über seine Mutter, genannt "die Baronin", etwas erben könnte.
Nach seiner Ansicht gehören ihm unter anderem ein Gemälde von Francisco de Goya aus dem Jahr 1786 und eines von Corrado Giaquinto aus dem Jahr 1750. Mit einem Notar wurde er kürzlich im Madrider Thyssen-Bornemisza-Museum vorstellig, wo die Werke ausgestellt sind, und verlangte die Herausgabe - vorerst allerdings vergeblich.
Unerwünschte Ehe
"Der Sohn ist auf Geld aus, die Mutter will ihre Kunstsammlung zusammenhalten", fasst die Zeitung "El Pais" den Kern des Streits zusammen. Borja soll sich verschuldet haben, seit die Mutter den 29-Jährigen finanziell nicht mehr so üppig unterstützt wie früher.
Zum Bruch zwischen Mutter und Sohn kam es, als Borja das Ex-Model Blanca Cuesta heiratete und das Paar ein Kind bekam. Cervera stellte sich der Eheschließung vehement entgegen, und laut Presseberichten verlangte sie sogar Vaterschaftstests.
Adoptierter Sohn
Die 66-jährige Thyssen-Witwe, eine frühere "Miss Spanien" und Witwe des "Tarzan"-Darstellers Lex Barker (1919 bis 1973), hatte "Heini" Thyssen-Bornemisza 1985 geheiratet und war dessen fünfte Ehefrau.
Cerveras Sohn Borja entstammt einer früheren Beziehung. Wer sein leiblicher Vater ist, ist unbekannt. Der "Baron", wie Thyssen-Bornemisza auch nach dem Verzicht auf seinen Adelstitel genannt wurde, adoptierte den Buben und ließ zu, dass er den Namen Thyssen trug.
Sammlung aus der Schweiz nach Madrid verlegt
Von seiner Frau ließ sich der Kunstmäzen in den 90ern dazu bewegen, einen Teil seiner immensen Sammlung von Gemälden und Skulpturen aus der Schweiz nach Madrid zu verlegen und dem spanischen Staat zu verkaufen.
Die Ex-Schönheitskönigin wandelte sich zu einer anerkannten Kunstexpertin und legte sich selbst eine umfangreiche Kollektion von etwa 1.000 Werken alter Meister und moderner Künstler zu.
"Teile der Kollektion in Gefahr"
Der Erbstreit alarmiert nun die spanische Kunstwelt, denn er macht eine ohnehin komplizierte Situation noch heikler. "Wenn der Krieg der Thyssen weitergeht und vor die Gerichte kommt, könnten Teile der Kollektion von Cervera in Gefahr geraten", schreibt "El Pais".
Während "Heinis" Sammlung dem spanischen Staat gehört, hat die Witwe ihre ebenfalls in Madrid ausgestellte Coleccion Carmen Thyssen-Bornemisza nur leihweise zur Verfügung gestellt.
Leihgabe muss neu verhandelt werden
Das entsprechende Übereinkommen läuft 2011 aus, und über eine Erneuerung muss noch verhandelt werden. Die "Baronin" drohte erst kürzlich damit, mit ihrer Sammlung in ein anderes Land zu übersiedeln, wenn sie mit Spanien keine zufriedenstellende Einigung erziele.
Das Verhältnis zwischen Staat und Sammlerin ist ohnehin nicht das beste, seit sie sich in den letzten Jahren gegen verschiedene Reformprojekte und Umstrukturierungspläne im weltberühmten Madrider Museumsdreieck am Paseo del Prado mit dem Königin-Sofia-Museum, dem Prado und dem Thyssen-Bornemisza-Museum wehrte.
Bei Scheidung "wäre alles anders"
Und im Erbstreit zwischen Mutter und Sohn schaut es derzeit ebenfalls nicht nach einer Versöhnung aus. Borja Thyssen meint, die Abneigung seiner Mutter gegenüber ihrer Schwiegertochter sei die eigentliche Ursache des Konflikts. "Wenn ich eines Tages nach Hause käme und verkündete, mich scheiden zu lassen, wäre alles ganz anders", vertraute er dem Regenbogenblatt "Hola!" an.
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