Der klassische Stellvertreterkrieg

Offiziell fielen in Afghanistan 15.000 sowjetische Soldaten. Schätzungen sprechen von bis zu 60.000.
Am 15. Februar 1989 hat Oberbefehlshaber General Boris Gromow als letzter sowjetischer Soldat Afghanistan verlassen. Die Sowjets ließen ein vollkommen destabilisiertes Land und den Nährboden für eine Vielzahl aktueller Konflikte zurück.

"Das Vietnam Moskaus" nennen Historiker den zehn Jahre dauernden Krieg. Er wurde zum Inbegriff des Stellvertreterkriegs der Supermächte, bei dem die Sowjettruppen die von den USA, Pakistan und Saudi-Arabien unterstützte Befreiungsbewegung der Mudschaheddin ("Gotteskrieger") bekämpften. Rund 1,5 Millionen Afghanen starben, über fünf Millionen wurden vertrieben.

Wirren nach Sturz des Königs
1973 wurde in Afghanistan Mohammed Zahir Schah, König seit 1933, während eines Auslandsaufenthalts auf Betreiben seines Vetters und Schwagers, Mohammed Daoud, abgesetzt. Die Republik wurde ausgerufen.

Fünf Jahre später stürzten linksgerichtete Offiziere das Daoud-Regime in der "April-Revolution". Der marxistische Schriftsteller Nur Mohammed Taraki wurde aus dem Gefängnis befreit und zum Präsidenten gemacht. Der Revolutionsrat proklamierte die "Demokratische Republik Afghanistan".

USA unterstützten islamische Widerstandskämpfer
Die meist islamischen Widerstandskämpfer brachten das Regime alsbald unter Bedrängnis, sie wollten die Vertreibung alter Eliten und die begonnene Säkularisierung nicht hinnehmen. Im Sommer 1979 begannen die USA, angetrieben von US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski und dem damaligen CIA-Direktors Robert Gates, die Widerstandsgruppen gegen die sozialistische Regierung zu unterstützen.

Dass die USA mit ihrem Eingreifen die Gefahr einer sowjetischen Intervention "wissentlich" erhöhten, gab Brzezinski Jahre später in einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Nouvel Observateur" zu. Im Herbst wurde Taraki von seinem Stellvertreter Hafizullah Amin ermordet.

Afghanistan als Pufferzone gedacht
Bis dahin hatte sich der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew geweigert, in Afghanistan zu intervenieren, wie aus Protokollen des KPdSU-Politbüros hervorgeht. Im Dezember marschierten sowjetische Truppen ein. Babrak Karmal, der Chef des KP-Minderheitsflügels Parcham, wurde an die Macht gehievt, Amin hingerichtet.

Ausschlaggebend für die völkerrechtswidrige Invasion war offenbar das befürchtete Wiedererstarken des Islam in den südlichen Sowjetrepubliken, aber insbesondere die Entwicklungen in den Nachbarstaaten: die Islamische Revolution im Iran und die islamistische Diktatur von Mohammed Zia ul-Haq in Pakistan. Afghanistan sollte den Puffer bilden, so der Plan Moskaus.

Reagan verstärkte Unterstützung
Der damalige US-Präsident Ronald Reagan verstärkte die Unterstützung für die islamischen Widerstandskämpfer. Die Verteilung der Gelder überließ der US-Geheimdienst größtenteils den pakistanischen Kollegen vom ISI, die sie vor allem radikalen Fundamentalisten wie Gulbuddin Hekmatyar, dem Führer der "Islamischen Partei" Afghanistans, zukommen ließen.

Der Regierung Reagans war die Stärkung der Fundamentalisten damals recht, wie aus inzwischen veröffentlichten US-Geheimdokumenten hervorgeht, erhoffte man sich doch von ihnen, dass sie noch Glaubenskämpfer aus anderen islamischen Ländern gegen die Sowjets mobilisieren würden.

Erbitterter Widerstand
Die sowjetischen Truppen stießen so auf erbitterten Widerstand. Die aufständischen Mudschaheddin erhielten Waffenhilfe aus dem Ausland. Offiziell fielen 15.000 Soldaten der etwa 115.000 Mann starken Interventionsarmee, Schätzungen reichen bis zu 60.000 Gefallenen.

Das jahrelange Patt änderte sich erst zugunsten des Widerstands, als die CIA die afghanischen Kämpfer über Pakistan auch mit transportablen Stinger-Raketen belieferte. 1985 wurde Michail Gorbatschow KPdSU-Generalsekretär. Er versprach, den unliebsamen und auch mit hohen Kosten verbundenen "Wüstenkampf" am Hindukusch zu beenden.

Abenteuer beendet, Bürgerkrieg beginnt
1988 unterzeichneten Washington und Moskau in Genf ein "Nichteinmischungsabkommen". Mit dem Abzug der Sowjets ein Jahr darauf wurde die überaus blutige Auseinandersetzung wieder zum Bürgerkrieg: Die nun gut gerüsteten Gotteskrieger von der Islamischen Allianz gingen mit ihren amerikanischen Waffen und sowjetischem Beutegut aufeinander los und kämpfen um die alleinige Macht im Land.

Als Hekmatyars Kämpfer Anfang 1994 einen Sturm auf Kabul begannen, um den gemäßigten Präsidenten Burhanuddin Rabbani zu stürzen, legten sie die bis dahin noch wenig zerstörte afghanische Hauptstadt in Schutt und Asche.

Aufstieg der Taliban
Im selben Jahr traten erstmals die Taliban-Milizen in Erscheinung und wurden zunächst von der kriegsmüden Bevölkerung erleichtert begrüßt. Die rigorosen Islamisten, die in von Saudi-Arabien finanzierten Koranschulen in Pakistan ausgebildet wurden, eroberten in den folgenden zwei Jahren immer größere Teile Afghanistans, bis sie im September 1996 endgültig in Kabul einzogen. Die Machtübernahme der Taliban war besiegelt.

Rabbani floh in den Norden und kehrte erst nach dem Sturz der Taliban 2001 nach Kabul zurück. Hekmatyar floh zunächst in den Iran, schlug sich dann aber auf die Seite von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden und kämpft heute offenbar wieder in Afghanistan gegen seine ehemaligen Förderer, die USA.