Seit Monaten streiten VKI und AWD über die Causa. Eine außergerichtliche Einigung kam nicht zustande, daher klagten die Konsumentenschützer, um eine Verjährung zu vermeiden. Laut VKI verloren etwa 2.500 Konsumenten durch mangelhafte Beratung bei AWD rund 30 Millionen Euro.
Sammelklagen zugelassen
Bisher brachte der VKI zwei Sammelklagen im Namen von insgesamt 270 AWD-Kunden und mit einem geschätzten Schaden von vier Mio. Euro ein. Am Mittwoch bestätigte das Handelsgericht Wien jetzt, dass die erste Teilklage zulässig sei.
"Der AWD soll nun rasch auf den Einwand der Verjährung der bislang nicht eingeklagten Ansprüche verzichten", forderte Peter Kolba, Leiter des Rechtsbereichs des VKI. "Dann können wir die Vorwürfe mit dieser ersten Sammelklage exemplarisch prüfen und im Lichte einer Musterentscheidung eine außergerichtliche Lösung anstreben."
Sollte AWD das ablehnen, werde der VKI alles tun, um Ansprüche rechtzeitig vor einer allfälligen Verjährung gegen AWD gerichtlich geltend zu machen.
AWD will Einspruch einlegen
AWD werde Rekurs einlegen, kündigte AWD-Anwalt Christian Winternitz in einer ersten Reaktion an. Der zuständige Richter Oskar Straßegger habe in dem Beschluss von einem "Grenzfall" gesprochen, womit er AWD "geradezu einlädt", Einspruch zu erheben, so Winternitz. Nach Meinung Kolbas ist der Gerichtsbeschluss allerdings nicht anfechtbar, wie er gegenüber der APA sagte.
Laut Winternitz sind aber auch andere Richter der Meinung, dass die Form der Sammelklage in Österreich nicht zulässig sei. Dem stimmte auch der Grazer Rechtsanwalt Harald Christandl zu. Er hält Sammelklagen gegen AWD nicht für sinnvoll - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Zweitgrößtes Zivilverfahren der Zweiten Republik
Eine Sammelklage sei prozessökonomischer und kostengünstiger, betonte der Konsumentenverein. Mit Sammelklagen werden die Ansprüche der mutmaßlich Geschädigten an den VKI abgetreten. AWD hingegen hatte immer darauf bestanden, alle Fälle einzeln klären zu wollen.
Der Prozess gegen den angeschlagenen Finanzdienstleister wäre das zweitgrößte Zivilverfahren der Zweiten Republik. Nur der WEB-Prozess in Salzburg hatte mit 3.200 Kleinanlegern mehr Betroffene. Das Verfahren könnte ein langwieriger Prozess werden.
Anteil von 70 bis 80 Prozent möglich
Einige Musterprozesse wurden bereits geführt. Im Mai wurde AWD nach dem Rückzug der Berufung, rechtskräftig verurteilt. Ein ehemaliger Kunde hatte wegen Falschberatung auf Schadenersatz geklagt.
Wenn das Verfahren gewonnen wird, erhalten laut VKI die Kläger in der Regel einen Anteil von 70 bis 80 Prozent.
Hohe Provision für Immobilienaktien
Die Vorwürfe gegen AWD begründet der VKI auch mit der hohen Zahl an Konsumentenbeschwerden, die vor allem nach der Vermittlung von Immofinanz- und Immoeast-Aktien in die Höhe schnellte.
Die Konsumentenschützer gehen davon aus, dass AWD-Berater aufgrund von Provisionen von einem Verkauf dieser Aktien besonders profitierten. Wie das Ö1-Mittagsjournal im Oktober berichtete, waren die Provisionen für AWD-Berater beim Verkauf von Immobilienaktien fast zwölfmal höher als beim Verkauf von Bausparverträgen.
Entsprechend habe AWD Österreich auch 50 Prozent seines Umsatzes mit Immoaktien gemacht - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Als "mündelsicher" ausgegeben
Für einen Prozess hatten die Konsumentenschützer Zeugenaussagen von zehn ehemaligen AWD-Beratern angekündigt. AWD wird beschuldigt, Immofinanz-Papiere an Personen, die kaum Erfahrung im Finanzbereich und mit Veranlagungen hatten, als mündelsicher und "so sicher wie ein Sparbuch" verkauft zu haben.
Kunden soll empfohlen worden sein, ihr für die Veranlagung verfügbares Geld zur Gänze oder zu großen Teilen in Immofinanz-Aktien zu investieren.
Kaum Wertverlust bei Immobilien?
Nach Angaben des VKI habe es zwar ein Gutachten über "mündelsichere" Immofinanz-Aktien gegeben - allerdings nur, wenn gleichzeitig Veranlagungen in unterschiedliche Wertpapiere getätigt werden und die Papiere aktiv gemanagt, also bei Kursverlusten verkauft werden. Die Praxis habe allerdings anders ausgesehen.
Sogar nach dem Einbruch des Kurses der Immofinanz-Papiere wurde laut VKI den Anlegern geraten, die Aktien zu halten. Ein weiteres Argument der AWD-Berater sei gewesen, dass Immobilien nicht an Wert verlieren könnten und es daher auch keine Vermögensverluste geben könne.
AWD Österreich ist eine Tochter der deutschen AWD-Holding, die seit vergangenem Jahr zum Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life gehört.
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