"Fehlgeleitete Loyalität"

Vorwurf der systematischen Folter im Irak.
Mit schweren Vorwürfen hat am Montag bei einer öffentlichen Anhörung ein wegen Kriegsverbrechen verurteilter britischer Soldat aufhorchen lassen. Demnach soll es sich bei Folter im Irak nicht um Einzelfälle, sondern um ein systematisches Vorgehen der britischen Truppen gehandelt haben.

Wie der Ex-Soldat Donald Payne weiter aussagte, hätten er und seine ehemaligen Kameraden aus "Routine" Gefangene "getreten und geschlagen". Die Soldaten seien zudem der Anweisung ihres Leutnants gefolgt.

Als Grund für sein bisheriges Schweigen über das Ausmaß der Foltervorgänge nannte Payne "fehlgeleitete Loyalität".

Gewalt bisher bestritten
Payne war vor drei Jahren wegen Kriegsverbrechen zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Sechs seiner Kameraden waren im Prozess um einen getöteten Iraker freigesprochen worden.

Als Beispiel nannte Payne die Folter einer Gruppe von Gefangenen, an der sich alle Angehörigen einer Armeeeinheit einschließlich ihrer Vorgesetzten beteiligt hätten. Der Leutnant habe "einen Kanister Benzin vor dem Burschen platziert", so Payne. "Er goss Wasser über ihn und zündete dann ein Streichholz an."

Der betroffene Leutnant hatte zuvor Gewalt gegen die Gefangenen bestritten.

Methoden der "Konditionierung"
In der öffentlichen Anhörung sprachen nun aber mehrere Zeugen davon, dass britische Soldaten im Irak Methoden der "Konditionierung" angewendet hätten. Dazu zählten die Abdeckung des Kopfes, Schlafentzug und das Aufstellen von Gefangenen in schmerzhaften Stresspositionen. Diese Methoden hatte die britische Regierung 1972 verboten.

"Britisches Abu Ghoraib"
Bereits am Wochenende hatte die britische Zeitung "Independent" von neuen Foltervorwüfen gegen britische Soldaten im Irak berichtet. Angesichts der beschriebenen Methoden, die von Elektroschocks über Scheinhinrichtungen bis zu sexuellem Missbrauch reichen sollen, war im Anschluss bereits von einem britischen Abu Ghoraib die Rede.

Laut "Independent" hatte Anwalt Phil Shiner im Auftrag von Opfern 33 neue Fälle aufgelistet. Dabei gehe es unter anderem um Folter und Vergewaltigung. Zum ersten Mal würden auch weibliche Soldaten der britischen Armee beschuldigt, an den Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein. Zudem gab Shiner laut BBC an, dass es noch Hunderte Fälle gebe, in denen nicht ermittelt werde.

Nach Angaben der Zeitung wurden in einem Fall irakische Gefangene aufeinandergeschichtet und mit Elektroschocks gequält. Ein 16-Jähriger habe ausgesagt, er sei von zwei britischen Soldaten vergewaltigt worden, als er 2003 inhaftiert worden sei. Andere hätten sich nach eigenen Angaben nackt ausziehen müssen und seien missbraucht und fotografiert worden.

Untersuchung angekündigt
Das britische Verteidigungsministerium kündigte unterdessen eine Untersuchung der Vorwürfe an. Bill Rammell, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sagte, die Vorwürfe würden sorgfältig geprüft.

Vehement bestritten wurde bisher allerdings, dass es sich um ein systematisches Vorgehen gehandelt habe.

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