Arigonas können die Pleite der Seniorenrepublik verhindern
Von Frido Hütter
Zumindest ältere Österreicher haben von europäischen Flüchtlingen ein klares Bild: Sie sind vor einem tyrannischen Regime geflohen, haben mit ein paar Habseligkeiten bei Nacht und Nebel Stacheldraht und Todesstreifen überwunden und sind nun für jede Wolldecke dankbar. - Da die Tyrannen längst vertrieben, die Zäune zerschnitten und die Minenfelder geräumt worden sind, gibt es in Europa (Gorbi sei Dank) diesen Flüchtling nicht mehr. Nur Arigonas.
An ihr und an der ganzen Familie Zogaj manifestiert sich das Elend der sogenannten Ausländerpolitik in seiner ganzen Fülle. (...) Das führt direkt zu der Frage, warum der Staat Österreich endlose sieben Jahre dafür benötigte, von ihm gesprochenes Recht durchzusetzen.
Sieben Jahre, in denen die Kinder mit österreichischen Steuermitteln österreichisch ausgebildet und sozialisiert wurden. Sieben Jahre, in denen ihnen die Geburtsheimat so fremd wurde, wie sie unsereinem ist. Sieben Jahre, in denen sie sich zu nützlichen und gut integrierten Bürgern entwickelt haben, die vermutlich bald damit begonnen hätten, via Einkommensteuer wenigstens einen Teil des für sie ausgegebenen Geldes zu refundieren.
Wenn sich wie in Frankenberg ein Gemeinderat einstimmig für den Verbleib einer zugewanderten Familie ausspricht, dürfte das wohl als Integrationsausweis durchgehen. Und Zuwanderung braucht Österreich dringend. (...), natürlich am besten von jungen, kreativen oder wenigstens kompatiblen Menschen, die das Land kulturell und materiell fit halten.
Dazu muss der Staat aus der humanitär fundierten Asylfalle heraus. Zum Beispiel durch ein neues Zuwanderungsrecht, anhand dessen Zuzugs- bzw. Bleibewillige auf ihren möglichen Nutzen für Österreich geprüft werden. - Klingt grauslich, ist aber in Ländern wie Dänemark, Kanada etc. üblich und würde darüber hinaus den Fall Zogaj mit einem Schlag lösen. Arigona dürfte bleiben, obwohl sie Rehaugen hat.
Die Presse, Wien / 13.11.2009
Die Zogajs sind Opfer
Von Michael Fleischhacker
Wäre ich Innenminister, würde ich der Familie, anders als vor zwei Jahren, ein Bleiberecht zugestehen. (...) Keines der Mitglieder der Familie Zogaj hat Anspruch auf Asyl oder subsidiären Schutz gemäß EMRK. Daraus folgt, dass die Familie das Land unverzüglich zu verlassen hat, außer die Innenministerin gewährt der Familie humanitäres Bleiberecht. (...)
Eigentlich will von dem Fall, der in den vergangenen zwei Jahren von Medien, Politik und Hilfsorganisationen auf so erbärmliche Weise ausgeschlachtet wurde, niemand mehr etwas wissen. Man will, dass das ewige Hin und Her mit den ewig gleichen Argumenten endlich ein Ende hat.
Die juristisch korrekte Antwort kann nur lauten, dass der mit dem negativen Ausgang des Asylverfahrens verbundene Ausweisungsbescheid zu vollziehen ist. (...) Die Innenministerin muss und will wohl ihrer Linie treu bleiben, dass man sich nicht von einer wohlorganisierten Medien- und NGO-Kampagne erpressen und zur Nichtanwendung gültigen Rechts zwingen lassen könne. (...)
Fest steht aber auch: Arigona Zogaj, ihre Mutter und ihre Geschwister sind Opfer. Zunächst Opfer der falschen Hoffnungen, die man ihnen gemacht hat und die sie sich selbst gemacht haben. Dann wohl auch Opfer eines Mannes, der wenig Rücksicht auf seine Familie genommen hat. Sie sind Opfer der Politik, die den Behörden aus Mangel an klaren Konzepten Spielräume gegeben hat, mit denen sie überfordert waren und sind. Zuletzt vor allem sind die Zogajs Opfer der Medien, von denen sie zur Bedienung der vermuteten politischen Reflexe ihrer Konsumenten skrupellos ausgebeutet worden sind.
Wäre ich Innenminister, würde ich der Familie heute, anders als vor zwei Jahren, in Anerkennung dieses Opferstatus ein humanitäres Aufenthaltsrecht gewähren. Und alles dafür tun, dass so etwas nicht noch einmal passiert.
Wiener Zeitung / 13.11.2009
Baustelle Asylgesetz
Von Reinhard Göweil
Die Abschiebung von Arigona muss auf 140 Seiten erklärt werden, obwohl das - vor Wahlen stehende - Kosovo zwar arm, aber sicher kein lebensgefährliches Gebiet mehr ist. Alleine das zeigt, dass es beim Asylrecht ein Problem geben muss. Dass dieses Gesetz allein seit 2006 dreimal novelliert wurde, untermauert die These.
Ob sich daher in den befassten Behörden noch viele damit auskennen, darf bezweifelt werden. Denn das Parlament flüchtete sich - in Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung und dem Schutz von Flüchtlingen - in technische Bestimmungen. Die Altersbestimmung von Asylsuchenden ohne Papiere per Röntgen findet sich beispielsweise darin.
Wenn aber Menschenrecht formaljuristisch definiert wird, dann kommt es zu Fällen wie Arigona Zogaj: Die Verfahren dauern viel zu lang, und wenn sich Flüchtlinge in dieser Zeit vollständig in eine Gesellschaft integrieren und heimisch werden, dann erscheint eine Abschiebung vollkommen unverständlich.
Und ist es auch. Aber das Fremdenrecht nimmt eben auf Integration kaum Rücksicht. Das sollte es aber tun, denn eine Integration unter den Voraussetzungen dieses Gesetzes ist eine herausragende Leistung. (...) Ein Blick nach Italien - dort werden Flüchtlinge in Ruderbooten auf offener See zum Umdrehen gezwungen - zeigt, dass (auch) dieses Thema nur auf europäischer Ebene zu lösen ist. Denn aus vielen Asylanten werden Migranten. Neben rechtsstaatlichen Verfahren, die es geben muss, um Missbrauch zu begegnen, sollte sich Europa der Erkenntnis stellen, dass es Einwanderer braucht.
Und auch unter den Asylsuchenden werden sich mehr Talente als Kriminelle finden, auch wenn das manche nicht gerne hören.
Der Standard, Wien / 13.11.2009
Negativsymbol Arigona
Von Irene Brickner
Sympathisch sind sie den meisten Österreichern schon lange nicht mehr. Und unterstützenswert kommen sie ihnen erst recht nicht vor: Arigona Zogaj und ihre Restfamilie - der Vater hat sich verabschiedet, die großen Brüder sind in das Kosovo zurückgekehrt - werden inzwischen überwiegend als zwielichtige und ungebetene Gestalten gesehen. Als Ausländer, die den Wohlstand gesucht, aber "Asyl" gesagt haben. Die sich in den Wohlfahrtsstaat Österreich eingeschlichen haben - und jetzt mit allen rechtlichen Mitteln zur Ausreise gezwungen werden müssen.
Damit wird an den Zogajs - an dem 17-jährigen Mädchen, ihrer Mutter und ihren kleinen Geschwistern - der heimische Anti-Ausländer-Diskurs in all seinen Facetten abgewickelt. Asylmissbrauch, Scheinasylanträge, trotzige Verfahrensverlängerung: Die kosovarische Familie ist zu einem fremdenrechtlichen Negativsymbol geworden, das die immer härteren Regelungen, die immer martialischere Wortwahl zu rechtfertigen scheint. Schonung verdient sie in dieser "Logik" nicht.
Und sie wird ja auch immer wieder vorgeführt, sei es, indem man erfundene Vorstrafen bei Pressekonferenzen zitiert. Oder indem die jetzige Asylablehnung vorab und offenbar ebenso illegal der "Kronen Zeitung" zugespielt wurde, was akuten Amtsmissbrauchsverdacht hochkommen lässt.
Was die große Mehrheit überhaupt nicht mehr interessiert, ist, wie es den Zogajs mit all dem geht. Wer das zum Thema macht, wird sentimentaler Schwäche geziehen. Die Frage ist, wo derlei Härteaufrufe im Endeffekt hinführen.
Kurier, Wien / 13.11.2009
Unbequeme Wahrheit
Von Christoph Kotanko
Arigona Zogaj, ihre Mutter und ihre beiden jüngeren Geschwister erhalten vom Innenministerium einen negativen Asylbescheid. Das kann zur Abschiebung führen. "Eine menschliche Katastrophe", meint ihr Betreuer, Pfarrer Friedl. Er hat recht - und unrecht.
Die für viele unbequeme Wahrheit ist: Dass bei den Zogajs keine Asylgründe im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen, ist seit langem klar. (...)
Der Fehler in diesem Fall (und nicht nur in diesem): Asyl und Zuwanderung werden vermischt. Wenn die Zogajs zuwandern wollen, müssten sie entsprechende Schritte setzen, Anträge stellen, Begründungen liefern.
Dass das nicht längst geschehen ist, haben Pfarrer Friedl und seine Helfer zu verantworten. Sie setzen auf die Asylkarte, spekulieren mit medialem Rückenwind für eine Symbolfigur. Doch mit dem Populismus, den es auf beiden Seiten gibt, ist das Problem nicht zu lösen.
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