Die "Zweiheit in Einklang bringen"

Ein junger Wilder und der Weg zur Klassik.
Sein Leben hätte ebenso gut ein Drama sein können, und auch wenn man sich, wie Pierre Bourdieu schrieb, vor "biografischen Illusionen" hinsichtlich der Verbindung von Leben und Werk bei Autoren hüten sollte, so scheinen Themen und Leitgedanken des Werks von Friedrich Schiller doch zentral in seinem Leben verankert zu sein.

Am 10. November 1759 kommt Schiller als Sohn eines Offiziers in Marbach am Neckar, heute Sitz des berühmten Marbacher Literaturarchivs, auf die Welt.

Freier Geist, schwacher Körper
In nur 45 Lebensjahren schrieb er Werke wie "Die Räuber", "Wilhelm Tell" und "Wallenstein" sowie Balladen wie "Die Bürgschaft", deren Themen Freiheit des Individuums und Heldentum noch immer fesseln. Bei seiner Krankheitsgeschichte erscheint das wie ein Triumph des Geistes über den schwächelnden Körper. Selbst nach seinem Tod gibt Schiller Rätsel auf: Niemand weiß, wo seine Gebeine liegen.

Bereits 1773 muss der damals 13-Jährige auf Befehl des Herzogs Karl Eugen in die Militärakademie bei Stuttgart eintreten. Offenbar wegen des militärischen Drills ist der junge Schiller lange Zeit Bettnässer.

Wende mit den "Räubern"
An der Akademie studiert er erst Jus, dann Medizin und macht seinen Doktor. Heimlich liest er Werke von Lessing, Goethe, Shakespeare und Rousseau und schreibt sein Theaterstück "Die Räuber". Um dessen Uraufführung 1782 zu sehen, reist er trotz Verbots des Herzogs zum Mannheimer Theater.

Es folgen eine 14-tägige Arreststrafe und das Verbot, Komödien und "dergleichen Zeugs" zu schreiben.

Nicht zuletzt deshalb flieht Schiller mit seinem Freund Andreas Streicher. Der Weg führt ihn über Mannheim und Frankfurt am Main bis ins thüringische Bauerbach. Unter dem Namen Dr. Ritter findet er auf dem Gut von Henriette von Wolzogen Asyl und vollendet das Stück "Luise Millerin", das später als "Kabale und Liebe" bekanntwird. Außerdem beginnt er mit "Don Carlos".

Malaria im Rheintal
1783 kehrt er nach Mannheim zurück und wird für ein Jahr Theaterdichter. In dieser Zeit erkrankt er im sumpfigen Rheintal an Malaria. Hoch verschuldet übersiedelt er nach seiner Entlassung erst nach Leipzig, dann nach Dresden, wo er die "Ode an die Freude" verfasst.

Nach Weimar verschlägt es Schiller erstmals 1787. In der kleinen thüringischen Residenzstadt lernt er Herder und Wieland kennen und im benachbarten Rudolfstadt Charlotte von Lengefeld, die er 1790 heiratet. Ein Jahr später trifft er zum ersten Mal Goethe.

Goethe: Vermittlung trotz Vorbehalten
Der da schon etablierte Goethe hat Vorbehalte gegenüber dem "jungen Wilden", vermittelt ihm jedoch eine unbesoldete Professur für Philosophie in Jena. Schillers Antrittsvorlesung "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?" löst Begeisterungsstürme unter den Studenten aus - und ist bis heute eine spannende Lektüre.

Die Spannungen zwischen den großen Dichtern lösen sich erst 1794, als Schiller Goethe um Mitarbeit an der Zeitschrift "Die Horen" bittet. Mit einem Brief, in dem er den Wunsch äußert, einander trotz aller charakterlichen Unterschiede wechselseitig zu ergänzen, gewinnt er den Geheimrat für sich.

Dokumente einer geistigen Freundschaft
"Lassen Sie uns doch unsere Zweiheit immer mehr in Einklang bringen", schreibt Goethe zurück. Von dem Arbeits- und Freundschaftsbündnis der beiden so unterschiedlichen Männer künden mehr als 1.000 Briefe. Davon liegen 995 in Weimar - für Bernhard Fischer, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs, sind sie "das eigentliche Vermächtnis der Weimarer Klassik".

"Wunder, dass er leben konnte"
Schiller stirbt am 9. Mai 1805 vermutlich an einer Lungenentzündung. Bis zuletzt arbeitet er am "Demetrius". Seine Schwägerin Caroline von Wolzogen berichtet über den Augenblick seines Todes, dass plötzlich so etwas wie ein elektrischer Schlag über seine Züge fuhr.

Der Kopf sank zurück, und Ruhe verklärte das Gesicht. Die Obduktion ergibt: Sein linker Lungenflügel ist völlig zerstört, die Nieren fast aufgelöst, der Herzmuskel zurückgebildet, Milz und Galle stark vergrößert. Im Bericht zu seinem Tod heißt es am Ende: "Bei diesen Umständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können."

Schillers Gebeine werden im Weimarer Kassengewölbe, einem Massengrab für Adlige, beigesetzt. Als sie 1826 in die Fürstengruft überführt werden sollen, sind sie nicht zu identifizieren. Anhand der Totenmaske und des Gebisses wird in einem "Chaos von Moder und Fäulnis" das wahrscheinlichste Skelett herausgesucht. Goethe, vom Genius Schillers fasziniert, nimmt den Schädel heimlich mit nach Hause und bewahrt ihn im Arbeitszimmer auf.

"Wie mich geheimnisvoll die Form entzückte! Die gottgedachte Spur, die sich erhalten", formuliert Goethe in einem Gedicht.

Er himmelte jedoch den falschen Totenkopf an. Die moderne Wissenschaft löste im vergangenen Jahr den Zauber. DNA-Vergleiche mit Verwandten und Nachkommen Schillers ergaben eindeutig, dass Schädel und Knochen von verschiedenen Toten, jedoch nicht von Schiller stammen.
Schillers Grab neben Goethe in der Weimarer Fürstengruft ist seit einem Jahr leer.

Programmhinweise
Der ORF hat einen Programmschwerpunkt zum heurigen Schiller-Jubiläum. Am Sonntag gibt es die Matinee "Schiller und die Musik" (15. November, 9.35 Uhr, ORF2) - mehr dazu in tv.ORF.at.

Ö1 lässt es bis 29. November "schillern". Eine Reihe unterschiedlichster Ö1-Sendungen beschäftigt sich mit Schiller. Bis Donnerstag jeweils um 9.45 Uhr im "Radiokolleg": "Freude, schöner Götterfunken! Schiller-Gedichte und ihre Vertonungen". Schließlich bringt Ö1 auch "Schiller, Fritz, Geburtstagskind - zum 250. Mal" in "Patina", dreimal von Sonntag, 15., bis Sonntag, 29. November, immer um 9.05 Uhr - mehr dazu in oe1.ORF.at.

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