Mitverantwortlich dafür waren die Reden des damaligen KPdSU-Generalsekretärs Michail Gorbatschow, etwa als er 1987 in Prag sagte, "dass jede Bruderpartei (...) vor dem Hintergrund der jeweiligen nationalen Bedingungen selbst über ihre politische Linie" entscheide. Das hatte vor allem die SED-Führung in der DDR irritiert.
Über eine deutsche Wiedervereinigung wurde schon das ganze Jahr 1989 über immer wieder gesprochen. Als die Mauer fiel, taten sich vor allem die Briten und auch die Franzosen schwer.
Frankreich öffnet die Archive
Frankreich öffnete aber jetzt, 20 Jahre nach dem Mauerfall, seine Archive zur damaligen Zeit. Außenminister Bernard Kouchner wollte das auch als politische Geste verstanden wissen, weil es 1989 eine gewisse Bitterkeit in Deutschland gegeben habe. Man hatte in Deutschland den Eindruck, Frankreich sei nicht für die Wiedervereinigung.
Er sei als damaliges Regierungsmitglied "sehr überrascht" gewesen, als der französische Präsident Francois Mitterrand kurz vor dem Zusammenbruch der DDR noch nach Ostberlin gefahren sei, sagte Kouchner. In der Pariser Elite zitierte man damals gerne den Spruch, man liebe Deutschland so sehr, dass man gerne zwei davon habe.
Mitterrand in der DDR
Kouchner sagte, man müsse unterscheiden zwischen der Kriegsgeneration, "die in den Lagern war", und den Jüngeren. Der Historiker Maurice Weiss erklärte, Mitterrand habe am 14. November 1989 dem DDR-Botschafter mitteilen lassen, Frankreich habe "keine Angst" und sei "kein Hindernis" für eine deutsche Wiedervereinigung, werde aber nicht "sofort zu allem Ja" sagen.
Auf der anderen Seite war es Mitterrand, der im Sommer 1989 in einem Interview gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" die Erwartung geäußert hatte, die Deutschen würden einen "Wiedervereinigungsversuch" unternehmen.
Die Wiedervereinigung sei ein Anliegen aller Deutschen, das er gut verstehe. Nach seiner Ansicht hat die Bundesrepublik Deutschland aber kein Interesse, ihre Europa-Politik für eine Wiedervereinigung zu opfern. Ohnehin sei nicht mit der Zustimmung der Sowjetunion zu rechnen.
Douglas Hurd besucht Berlin
Knapp eine Woche nach dem Mauerfall war der damalige konservative britische Außenminister Douglas Hurd zu Gast in Berlin. Für ihn stand die Wiedervereinigung Deutschlands "nicht auf der Tagesordnung". Wiedervereinigung sei auch nicht das, wonach die Reformer in der DDR strebten.
Hurd war am 16. November in Berlin. Am 15. November hatte, wie erst mit leichter Zeitverzögerung bekanntwurde, Gorbatschow bei einer Rede von Studierenden in Bezug auf Deutschland erstmals das Wort "Wiedervereinigung" in den Mund genommen und dabei von einer "internen Angelegenheit" gesprochen.
Das habe, wie der Historiker Manfred Görtemaker ausführt, Bonn erst hellhörig gemacht - denn bis zu diesem Zeitpunkt war man gedanklich noch eher mit einem Kooperationsmodell für die beiden deutschen Staaten gewesen.
Der Mauerfall in den Medien
Die Reaktionen internationaler Medien knapp nach dem Fall der Mauer schienen ungeteilt positiv zu sein, was den Zusammenbruch der Mauer und den Niedergang eines kommunistischen Regimes anlangte.
Doch gerade in Großbritannien ging eine Art "German Angst" vor allem durch konservative Medien: "Die Dominanz Deutschlands wird dann eine unausweichliche Realität (...). Die zukünftige Gestalt der Europäischen Gemeinschaft ist völlig unklar", fürchtete sich der konservative "Daily Telegraph" bereits am 10. November.
"Figaro" befragt das eigene "Zittern"
"Mit dem Ende des Eisernen Vorhangs beginnt der Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands vielleicht tatsächlich. Wenn die Bundesrepublik und die DDR vereint sein werden, schrieb einst der Schriftsteller Francois Mauriac, 'werden wir Grund haben zum Zittern'. Aber zittern wir wirklich?", lautete am selben Tag die Perspektive des französischen "Figaro".
Delors, die EG und die deutsche Frage
Für ein "Europa in mehreren Kreisen", das seine Zusammenarbeit mit Osteuropa im Wandel verstärkt und gleichzeitig die politische Union der EG verwirklicht, sprach sich am 10. November 1989 der damalige EG-Kommissionspräsident Jacques Delors aus.
In einer Reaktion auf die Ereignisse in der DDR erklärte Delors damals: "Wir denken über die Organisation eines Europas in mehreren Kreisen nach, in dem man, je nach den möglichen Vereinbarungen, den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch sowie die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern ausbauen könnte." Nichts könne die Europäer jedoch davon abhalten, die politische Einheit der zwölf zu verwirklichen.
"Keine Angst"
Vor einem Großdeutschland in der Perspektive einer Wiedervereinigung habe er "keine Angst, vorausgesetzt, der europäische Aufbau wird beschleunigt vorangetrieben, und man gelangt wirklich zu der Auffassung, dass das Geschehene unumkehrbar und im Interesse aller Völker ist".
Die europäischen Gründerväter hätten es im Übrigen für möglich gehalten, eines Tages den Aufbau Europas und die Wiedervereinigung Deutschlands miteinander zu vereinbaren.
Der Vorsitzende der deutsch-britischen Parlamentsgruppe, der konservative Abgeordnete Sir Bernard Braine, war sich an diesem Tag sicher: "Deutschlands Wiedervereinigung ist nun unausweichlich."
Internationales Barometer zur Wiedervereinigung
Ende Jänner 1990 veröffentlichten der Londoner "Economist" und die "Los Angeles Times" eine gemeinsame, länderübergreifende Umfrage.
Nach dieser standen Amerikaner, Franzosen und Briten der Frage einer Wiedervereinigung beider deutschen Staaten überwiegend positiv gegenüber. Dagegen überwog in Polen die Angst vor einem übermächtigen Nachbarn, der wieder Gebietsansprüche stellen könnte. 61 Prozent der befragten Amerikaner waren für die Wiedervereinigung und nur 13 Prozent dagegen.
Auch in Frankreich äußerten sich damals 61 Prozent der Befragten zustimmend, während 15 Prozent dagegen waren. Unter den Briten war die Zustimmung mit 45 Prozent der Befragten nicht so ausgeprägt. 30 Prozent sprachen sich dort gegen eine Wiedervereinigung aus. Im verunsicherten Polen überwog die Ablehnung: 44 Prozent der Befragten waren gegen eine Wiedervereinigung, 41 Prozent dafür.
Links:
- Mauerfall09
- Chronik der Mauer
- Deutsche Wiedervereinigung (Wikipedia)
- Berliner Mauer (Wikipedia)