Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz sieht die Opel-Standorte in Bochum, Kaiserslautern und Antwerpen "akut gefährdet". Den Plan von GM, Opel zu behalten und aus eigener Kraft zu sanieren, halten Autoexperten sowie Betriebsräte für unrealistisch.
Werksschließungen und Massenkündigungen würden die Folge sein, lauteten die Befürchtungen am Mittwoch. Zugleich wächst die Kritik an der deutschen Regierung, die sich schon sehr früh auf den Zulieferer Magna als Käufer festgelegt hatte. Opel-Mitarbeiter zeigten sich entsetzt - Video dazu in iptv.ORF.at.
"Völlig inakzeptabel"
Der deutsche Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) reagierte mit scharfer Kritik auf den Beschluss von GM.
"Das Verhalten von General Motors ist völlig inakzeptabel" sowohl den Arbeitnehmern als auch Deutschland gegenüber, sagte Brüderle vor einer Kabinettssitzung in Berlin. Er forderte von GM und Opel die rasche Vorlage eines Konzepts zur Restrukturierung.
GM zur Kreditrückzahlung bereit
GM kündigte unterdessen an, die deutsche Finanzhilfe von 1,5 Milliarden Euro zurückzuzahlen, sollte das gefordert werden. Mit dem von Bund und Ländern gestellten Kredit wird Opel seit Monaten am Leben gehalten. Der Kredit läuft zum Monatsende aus.
Vorerst Zuversicht in Aspern
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach von einem "verlorenen Jahr" - für das Opel-Werk in Wien-Aspern sieht er aber keine unmittelbare Gefahr. Auch im Werk selbst zeigt man sich vorerst zuversichtlich - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Berlin wird in Pflicht genommen
In Deutschland sieht der Betriebsrat die deutsche Regierung weiter in der Pflicht, Opel mit Geldern zu unterstützen. "Ich glaube, aus dieser Zusage kann die Bundesregierung nicht heraus. Und ich glaube, das darf sie auch nicht", sagte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel im WDR-"Morgenecho".
Bund und Länder wollten die Sanierung von Opel mit insgesamt 4,5 Mrd. Euro Staatshilfen fördern. In Deutschland hat Opel vier Standorte mit insgesamt etwas mehr als 25.500 Beschäftigten, europaweit sind es 54.797 Mitarbeiter.
"GM wird Regierungen erpressen"
"Der nächste Schritt von General Motors wird sein, Regierungen und Beschäftigte in Europa zu erpressen, um das bekannte, nicht tragfähige GM-Konzept zu finanzieren", sagte Franz. "Die Arbeitnehmervertretungen werden sich darauf nicht einlassen und suchen den Schulterschluss mit den Regierungen." Er sprach von einem "schwarzen Tag für Opel".
Massenproteste ab Donnerstag
Aus Protest gegen den abgesagten Verkauf von Opel rufen Betriebsräte und Gewerkschaften die Opel-Mitarbeiter von Donnerstag an zu Warnstreiks auf. "Die Veranstaltungen beginnen in Deutschland und werden sich auf ganz Europa ausdehnen", so Franz.
Auch Experten sehen schwarz
Für die Zukunft von Opel sehen nun auch Experten schwarz. Von einem "langsamen Sterben in den nächsten Jahren" sprach der Branchenkenner Ferdinand Dudenhöffer. "Das ist eine Entscheidung, bei der General Motors mit dem höchstdenkbaren Risiko in die Zukunft geht", sagte er dem Audiodienst der dpa. "Diese Entscheidung hat, glaube ich, jeden überrascht."
Für Opel sei ein Verbleib bei GM "sehr, sehr schlecht". Dudenhöffer schließt nicht aus, dass Opel keine Zukunft mehr hat. "Bei einer Insolvenz wären Werksschließungen in Bochum, Kaiserslautern, Antwerpen und Eisenach ein denkbares Szenario."
GM will Geschäft selbst sanieren
Die Opel-Mutter hatte in der Nacht auf Mittwoch den geplanten Verkauf an den Zulieferer Magna überraschend abgesagt. Der US-Mutterkonzern will das Europa-Geschäft rund um Opel nun selbst sanieren und unter anderem der deutschen Bundesregierung einen Plan dafür vorlegen. Die Kosten der Restrukturierung bezifferte GM-Chef Fritz Henderson auf drei Mrd. Euro.
Betriebsrat auf Konfrontationskurs
Der Betriebsrat geht unterdessen auf Konfrontationskurs zum Mutterkonzern. Es werde keinen Beitrag der Beschäftigten zur Sanierung von Opel geben, teilte Franz in Rüsselsheim mit.
Der Betriebsrat verlangt die sofortige Auszahlung von gestundeten Tariferhöhungen und hat seine Zusage zurückgenommen, dass die Belegschaft durch den Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld insgesamt 265 Mio. Euro jährlich einsparen könnte.
Magna zeigt "Verständnis"
Der nun ausgebootete kanadisch-österreichische Autozulieferer zeigte seinerseits "Verständnis" für die GM-Entscheidung. Trotz der geplatzten Übernahme werde man weiter mit GM zusammenarbeiten, so Magna-Vizechef Sigfried Wolf in einer ersten Aussendung Mittwochnacht.
"Wir werden Opel und GM auch bei den künftigen Herausforderungen unterstützen", so Wolf weiter. Man verstehe, dass der GM-Verwaltungsrat zu dem Schluss gekommen sei, "dass es im besten Interesse von GM ist, Opel zu behalten, da es eine wichtige Rolle in der globalen GM-Organisation spielt".
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