"Bin ja erst gewählt worden"

Pühringer und Fischler kritisieren Bestellung.
ÖVP-Wissenschaftsminister Johannes Hahn will auch als EU-Kommissar vorerst weiter an der Spitze der Wiener ÖVP stehen. "Ich werde ÖVP-Chef bleiben", sagte Hahn am Dienstagabend in der ORF-Sendung "Wien heute". Wer die ÖVP als Spitzenkandidat oder Spitzenkandidatin in die Wiener Landtagswahl 2010 führen soll, will Hahn nun "in bestem Einvernehmen mit allen Beteiligten" klären.

Wer ihm im Wissenschaftsministerium nachfolgen wird, ist noch unklar. Im Gespräch sind derzeit vor allem Frauen.

Gerüchte über Nachfolgerinnen
Wie lange Hahn Wiener ÖVP-Obmann bleiben will, ließ er vorerst offen. "Das wird man sehen. Ich bin ja erst gewählt worden, und die Periode läuft vier Jahre. Es gibt keine Veranlassung, schnelle Schritte zu ziehen", so der scheidende Wissenschaftsminister mit Verweis auf den Landesparteitag am 28. Mai 2009. Namen eines möglichen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2010 wolle er noch nicht nennen. Wichtig sei, dass sein Stil fortgesetzt werde.

Als mögliche Nachfolgerinnen waren zuvor die Nationalratsabgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager, Familienstaatssekretärin Christine Marek und auch Innenministerin Maria Fekter genannt worden.

"Nicht ideal"
An der Parteibasis löste die Ankündigung Hahns jedoch Unruhe aus. Der Döblinger Parteichef Adi Tiller drohte der Landespartei jedenfalls bereits vorsorglich mit Namenslisten in einzelnen Bezirken, sollten deren Interessen nicht berücksichtigt werden.

Dass der Wechsel Hahns nach Brüssel der in den Wahlkampfvorbereitungen steckenden Wiener ÖVP, die am Mittwoch ihre Herbstkampagne startet, nicht gerade gelegen kommt, bestätigte Landesgeschäftsführer Norbert Walter: "Es ist natürlich nicht ideal, offen gesprochen" - mehr dazu in wien.ORF.at.

Auch mit Bestellung unzufrieden
Aus der ÖVP war schon zuvor Kritik an Hahns Bestellung zum EU-Kommissar gekommen: Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer war "sehr enttäuscht" darüber, dass sein Parteikollege Wilhelm Molterer bei der Nominierung leer ausging. "Ein Politiker mit einer Querschnittskompetenz wie kaum ein Zweiter in Österreich ist hier zu einem politischen Bauernopfer geworden, wofür die Sozialdemokraten die Verantwortung tragen", kritisierte Pühringer.

Deutliche Kritik kam auch vom früheren Agrarkommissar Franz Fischler. "Mit dieser Entscheidung hat Österreich auf ein wichtiges Portfolio verzichtet", kritisiert Fischler im "Kurier" (Mittwoch-Ausgabe). Er glaubt, dass sich Österreich mit der Nominierung Molterers das Agrarressort hätte sichern können, während mit dem Bildungsressort nun "das kleinste Ressort, das Brüssel anzubieten hat", drohe.

Neuer Wissenschaftsminister gesucht
Als neue Wissenschaftsministerin genannt wurde zuletzt immer wieder ÖVP-Wissenschaftssprecherin Beatrix Karl, die noch dazu als Jusprofessorin aus der Uniszene käme. Zuletzt avancierte sie zur ÖAAB-Generalsekretärin.

Schon lange für ministrabel gehalten wird die ehemalige ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek, die mittlerweile allerdings den attraktiven Job einer Volksanwältin bekommen hat. Zudem gab es vor Jahren Kritik an ihrer Pragmatisierung als Assistenzprofessorin am Institut für Erziehungswissenschaften der Uni Wien knapp nach der von ihr mitbeschlossenen Abschaffung von Definitivstellungen.

Auch Edlinger-Ploder und Cortolezis-Schlager im Rennen
Immer wieder genannt werden auch die steirische Verkehrslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder, die derzeit die Agenden für Wissenschaft und Forschung innnehat, und Cortolezis-Schlager - als Wienerin würde sie geografisch "passen", dazu war sie in der Landespartei zuletzt für Bildungsfragen zuständig. Allerdings überging sie die Partei bei der Kür der Bereichssprecher für Wissenschaft und Bildung.

Baustelle Universitäten
Mit dem Wechsel Hahns kommt den Studenten zwar ihr bevorzugtes Feindbild abhanden, die Nominierung wurde von der ÖH dennoch mit Unverständnis aufgenommen. "Jemand, der so große Sünden im Bildungs- und Wissenschaftsbereich in Österreich zu verantworten hat, ist vermutlich keine gute Wahl", so die ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer.

Drastischer drückten es Wiener Audimax-Besetzer aus: "Er ist vollkommen unqualifiziert und wird auch noch befördert", "er stiehlt sich aus der Verantwortung", so ihre Kritik - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Harsche Oppositionskritik
Von der Opposition gab es dieselbe Kritik. Für FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache kommt die Entscheidung "einer Bankrotterklärung der Bundesregierung" gleich, BZÖ-Chef Josef Bucher sagte, Hahn werde von seiner Verantwortung für das Unidesaster abgezogen, und die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig kritisierte, dass Hahn als Wissenschaftsminister "zu 100 Prozent versagt" habe - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Die Frage nach dem EU-Dossier
Ebenso offen wie die Nachbesetzungen im Ministerium und an der Spitze der Wiener Volkspartei ist die Frage, welches Ressort Hahn bekommen soll. ÖVP-Chef Josef Pröll wünscht sich ein "Zukunftsdossier", Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ein Ressort mit Forschung und Entwicklung in Bereichen wie Umwelt oder Energie - Video dazu in iptv.ORF.at.

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) erwartet für Hahn das Forschungsressort, auch die Bildung sei möglich. In der ZIB2 wehrte sich Faymann gegen den Vorwurf, mit Hahn die Chance auf ein attraktives Ressort vergeben zu haben. Es habe nicht die geringste Andeutung gegeben, dass sich Österreich auf ein bestimmtes Portfolio verlassen könne. Er werde nun dafür "sorgen", dass Hahn ein wichtiges Portfolio erhalte.

Wie es weitergeht
Mit der Nachfolge Hahns in der Wiener ÖVP und im Wissenschaftsministerium will sich Pröll Zeit lassen. Faymann plant im Zuge der Entsendung keine Regierungsumbildung auf SPÖ-Seite.

Hahns Nominierung wird kommende Woche im Ministerrat offiziell abgesegnet. Danach sind im Hauptausschuss des Nationalrats eine Aussprache und der Beschluss der Entsendung vorgesehen. Dann folgt die Information an den Kommissionspräsidenten.

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