Zumindest Unmweltstaatssekretärin Chantal Jouanno befürworte eine "interne Untersuchung" der Causa, wie ihr Büro Mitte Oktober mitteilte. Allerdings wolle Jouanno "keine übereilte Entscheidung treffen" und erst genauere Informationen einholen. "Aber wenn es Zweifel gibt, ist es normal, dass die Öffentlichkeit informiert wird."
"Entsorgung" still und heimlich
Ins Rollen gebracht hatten die Debatte über heimliche Ausfuhren von Atommüll die französische Tageszeitung "Liberation" und der deutsch-französische TV-Sender Arte mit einer Dokumentation zum "Alptraum Atommüll".
Die "Liberation" warf EDF in einem Artikel am Montag vor, seit etwa 1995 jährlich weit über 100 Tonnen radioaktiver Abfälle nach Russland zu verfrachten. "Unsere nuklearen Abfälle werden in Sibirien versteckt", hieß es in der linksliberalen Tageszeitung.
Container unter freiem Himmel
Die Abfälle aus französischen Atomkraftwerken lagerten in der sibirischen Stadt Sewersk, berichtete die "Liberation" - in Containern im Atomzentrum Tomsk-7 unter freiem Himmel, "weit weg von jeglicher Wiederaufbereitung".
Vorerst nicht verwertbar
EDF dementierte, dass es sich bei dem Material um Atommüll handle. Laut dem Unternehmen geht es um wiederverwertbares Uran, das in Russland erneut angereichert werden solle. Abgereichertes Uran soll in Atomkraftwerken der kommenden Generation als Brennstoff eingesetzt werden können. Derzeit kann es jedoch nicht verwertet werden.
Wem gehört der radioaktive Müll?
Gemäß den weltweiten Gepflogenheiten gehöre der Atommüll nicht mehr EDF, sondern dem russischen Unternehmen Techsnabexport (TENEX), das ihn wiederaufbereite, hieß es aus dem Energiekonzern.
Der französische Atomkonzern Areva, der die gesamte Kernkraftgewinnung vom Uran über die Herstellung der Brennstäbe bis zur Aufarbeitung der Abfälle in Frankreich abwickelt, wies wiederum dem Stromriesen die Verantwortung zu. Areva arbeite lediglich im Auftrag von EDF, teilte das Unternehmen mit. "Der tatsächliche Eigentümer des Materials ist EDF."
EDF ist Betreiber der 58 französischen Kernkraftreaktoren.
Atomgegner: Müll soll zurück
Die Anti-Atomkraft-Bewegung Reseau Sortir du Nucleaire (sinngemäß "Netzwerk Raus aus der Atomkraft", Anm.) warf Jouanno vor, mit der Ankündigung einer nur möglichen Untersuchung Zeit schinden zu wollen, "bis die Affäre aus den Nachrichten verschwindet". Die Organisation forderte die Regierung auf, "die von EDF in Russland zurückgelassenen radioaktiven Abfälle nach Frankreich zurückzuholen".
Frankreich hat ähnlich wie Deutschland bisher keine Endlagerstätte für seinen Atommüll - die Suche nach einem möglichen Lager gestaltet sich schwierig. Von den 1.150 Tonnen gebrauchten Brennstoffes, die jährlich anfallen, bereitet Areva der "Liberation" zufolge 850 Tonnen im nordfranzösischen La Hague auf. Der Rest werde in Kühlbecken zwischengelagert.
Auch deutsche "Exporte"
In Deutschland bestätigte Mitte Oktober das Atomunternehmen URENCO nach entsprechenden Vorwürfen von Kernkraftgegnern die Lieferung von mehr als 27.000 Tonnen abgereicherten Uranhexafluorids nach Russland.
Wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtete, erläuterte Firmensprecherin Antje Evers, zehn bis 15 Prozent des nach Russland gelieferten Materials seien angereichert und nach Deutschland zurückgeliefert worden. Die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt hatte auf die Lieferungen aufmerksam gemacht.
Das Material, das nicht nach Deutschland zurückgeliefert wurde, verblieb laut Evers "wie bei Anreicherungsverträgen üblich" in Russland. Die Unternehmenssprecherin bestätigte, dass das Material in Sibirien unter freiem Himmel gelagert wird - und zwar in Stahlfässern. Auch in Gronau werde Atommaterial auf diese Weise gelagert, "in vergleichbaren Behältern", sagte Evers.
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