Gespenster, Schreie, Alpträume

Edvard Munch soll das Publikum ins Leopold Museum locken, doch er ist nicht die Hauptattraktion.
"Das ist eine Ausstellung, die werden Sie so schnell nicht vergessen": Michael Fuhr, Kurator im Wiener Leopold Museum, sparte bei der Anpreisung der großen Herbstausstellung des Hauses nicht mit Superlativen. Mit "Edvard Munch und das Unheimliche" hofft das Museum auf einen Blockbuster.

Es ist wohl kein Zufall, dass rund um die Ausstellung noch weitere Hollywood-Methoden zur Anwendung kommen: Die Eröffnungspressekonferenz - bei der am Rande auch das Tauziehen um Egon Schieles "Bildnis Wally" Thema war - wurde standesgemäß mit einem "Making-of"-Video eröffnet. Und der größte Star bekommt, wie es in Marketingsprache heißt, "top billing", obwohl er eigentlich nur eine Nebenrolle spielt.

Zwei Räume Munch pur
Munch ist in der neuen Ausstellung mit 37 Arbeiten vertreten. Darunter sind zentrale Ölgemälde wie das düstere "Selbstporträt aus der Hölle" und "Angst", aber auch kleinformatige Lithografien der bekanntesten Munch-Bilder "Der Schrei" und "Madonna".

Die Munch-Werke nehmen zwei Räume am Beginn in Anspruch und wurden vom Ehepaar Leopold gehängt. Die restliche, von Fuhr kuratierte Schau, in der es ums Unheimliche in der Kunst geht, ist strikt davon getrennt.

Keine "beliebige Retrospektive"
Es handle sich eben nicht um eine "beliebige Munch-Retrospektive, das gab es schon oft", erklärte der Kunsthistoriker.

In diesen Schauen wurde das Werk des Norwegers meistens aus seiner Biografie heraus interpretiert, "aber er war auch ein sehr aufmerksamer, belesener, weitgereister und intelligenter Künstler", so Fuhr. Die Schau im Leopold Museum versuche, diese Einflüsse von außen aufzuzeigen.

Kaum Zusammenhänge
Diese Rechnung geht allerdings nicht wirklich auf. Zwar kehrt man am Ende zu den Munch-Räumen zurück, doch wirkliche Zusammenhänge werden so nicht hergestellt. Ganz im Gegenteil: Oft hat man den Eindruck, zwei völlig verschiedene Ausstellungen zu besuchen.

Das ist umso bedauerlicher, als die nach Themen wie "Visionen des Okkulten" und "Geister der Nacht" geordneten Räume einen spannenden und profunden Überblick über schaurig-fantastische Kunst bis zur Jahrhundertwende bieten und damit weit interessanter sind als das vorangestellte Munch-Best-of.

Geister im Schatten
"Es fängt immer ganz harmlos an, und irgendwann kippt's": Nicht nur ein typischer Horrorfilm lässt sich laut Fuhr so beschreiben, auch viele der rund 200 Werke von zahlreichen internationalen Leihgebern folgen dieser Dramaturgie.

Besonders gut zur Geltung kommt in den dunklen Museumsräumen Arnold Böcklins "Das Irrlicht", eine Gespensterszene vor einem wie magisch leuchtenden Sonnenuntergang. Alfred Kubin ist stark vertreten, ebenso Francisco de Goya, James Ensor, Max Klinger und Albert von Keller.

Von Keller war wie viele Künstler seiner Zeit am Okkulten interessiert, nahm an Seancen teil und ließ sich sogar über Nacht im Leichenhaus einsperren, um einen Blick ins Jenseits zu erhaschen.

Perfekt für die Albertina
Munch "solo" war zuletzt vor sechs Jahren in Wien zu sehen: als eine der Attraktionen zur Neueröffnung der Albertina. Wie damals bedient sich das Leopold Museum stark am Osloer Munch-Museum - die Gegenleistung zu einer großen Schiele-Schau, die 2007 in der norwegischen Hauptstadt stattfand.

Besichtigt man nun "Edvard Munch und das Unheimliche", hat man nicht selten den Eindruck, dass die Ausstellung eigentlich prädestiniert gewesen wäre für die Grafische Sammlung Albertina. Lithografien, Zeichnungen und Aquarelle prägen die Schau, Künstler wählten für ihre schaurigsten Fantasien oft das Medium Papier.

Nordische Fabelwesen
Munchs Radierung "Mondschein, Nacht in St. Cloud", eine Albertina-Leihgabe, ist vielleicht eine der unterschwellig unheimlichsten Arbeiten der Ausstellung. Interessant sind auch zahlreiche Papierarbeiten skandinavischer Künstler, etwa das Blatt "Der Nöck" von Theodor Kittelsen, das ein nordisches Sumpffabelwesen zeigt.

Hier Zusammenhänge zu Munch herauszuarbeiten hat das Leopold Museum leider versäumt. Einen Besuch ist "Edvard Munch und das Unheimliche" dennoch wert - vor allem des "Unheimlichen" wegen.

Michael Höck, ORF.at

Ausstellungshinweis
"Edvard Munch und das Unheimliche", bis 18. Jänner 2010, Leopold Museum im MuseumsQuartier Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr, Dienstag geschlossen. Zur Ausstellung ist ein Katalog (304 Seiten, 27,90 Euro) erschienen.

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