Die weltgrößte Bücherschau wird am Dienstagabend von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und hohen chinesischen Gästen mit einem Festakt eröffnet und dauert bis 18. Oktober. Die Literatur und das Thema Zensur in China lassen eine der spannendsten und auch spannungsreichsten Messen erwarten.
China betreibt großen Aufwand
Als Ehrengast ist China mit rund 300 Verlagen und Literaturagenten vertreten. Außerdem kommen fast 1.000 Autoren und Künstler aus China nach Frankfurt. Die Wirtschaftssupermacht, die ihre Verlagsindustrie modernisieren will, präsentiert sich in Frankfurt erstmals in dieser Größenordnung im Ausland.
Rund 450 Veranstaltungen zu China sind geplant - darunter mit prominenten chinesischen Autoren wie Yu Hua und Mo Yan, aber auch mit dem im französischen Exil lebenden Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian und anderen regimekritischen Autoren und Künstlern. Angesagt haben sich auch ein Abgesandter des Dalai Lama und die Uiguren-Führerin Rebiya Kadeer.
Organisatoren unter Beschuss
Nachdem die Buchmesse im Vorfeld arg in die Defensive geraten war, will sie sich nun noch stärker als "Plattform der Auseinandersetzung" positionieren.
Den ersten Eklat gab es schon vor rund einem Monat, als bei einem von der Buchmesse veranstalteten Symposion über die Rolle Chinas in der Welt kurzfristig zwei regimekritische Autoren ausgeladen wurden. Offizielle Vertreter des Gastlandes hatten sich geweigert, sich in einem Raum mit der regimekritischen Autorin Dai Qing und dem im US-Exil lebenden Bei Ling aufzuhalten.
Als die Regierungskritiker schließlich auf Einladung der Schriftstellervereinigung PEN trotzdem an der von der Buchmesse und dem "Organisationskomitee Ehrengast China" gemeinsam ausgerichteten Veranstaltung teilnahmen und eine Erklärung abgaben, verließen Teile der offiziellen chinesischen Delegation verärgert den Saal.
Boos hofft auf Verständigung
Messedirektor Juergen Boos erwartet weitere "Missverständnisse" dieser Art während der Messe, "aber das miteinander Reden wird überwiegen".
Diese Ansicht stößt nicht auf ungetrübte Zustimmung. "Die offizielle chinesische Messeorganisation ist identisch mit der Zensurbehörde. Das ist ein erschreckendes Faktum", sagt der deutsche PEN-Generalsekretär Herbert Wiesner. Dafür spreche zum Beispiel, dass die chinesischen Behörden dem von der Buchmesse eingeladenen Schriftsteller Liao Yiwu die Ausreise nach Deutschland verweigerten.
"Absolute Meinungsfreiheit" in Frankfurt
Boos hingegen hat Hoffnung: Allein die Tatsache, dass sich China überhaupt zur Teilnahme und zu den damit verbundenen Diskussionen bereiterklärt hat, ist für ihn "ein großer Schritt", "eine ganz kleine Lockerung".
Er verweist darauf, dass eine vor drei Jahren unterzeichnete Vereinbarung mit China "absolute Meinungsfreiheit" bei der Buchmesse vorsehe. An Demonstrationen werde alles zugelassen, "was in Deutschland erlaubt ist".
Er erwarte zwar nicht, dass sich die Welt nach der Buchmesse verändere, aber, "dass man einander zuhört, dass man ein differenziertes Bild bekommt", sagte der Messedirektor. "Auch die chinesische Delegation wird die Erfahrung mitnehmen, dass Diskussion nicht schädlich ist."
Neue Geschäftsmodelle
Für die meisten der rund 7.000 Aussteller aus 100 Ländern gelten aber abseits von China ganz andere Prioritäten: Neben dem Buchgeschäft geht es vor allem um den in der Branche unaufhaltsam voranschreitenden digitalen Wandel.
Auf der Buchmesse soll sich zeigen, wer dabei zu den Schrittmachern gehört und welche Geschäftsmodelle tragfähig sind.
Um Romane fürs Handy und elektronische Lesegeräte wie das gerade auch für Österreich vorgestellte E-Book-System Kindle von Amazon wird es ebenso gehen wie um Verwertungsketten bis hin zur Literaturverfilmung für das Smart Phone.
Von Atwood bis Cave
Wie immer kommen auch zahlreiche internationale Literaturstars nach Frankfurt, etwa die Kanadierin Margaret Atwood, der Engländer Tim Parks, die US-Bestsellerautorin Donna Cross, der schwedische Krimiexperte Hakan Nesser und die schreibende australische Undergroundlegende Nick Cave.
Am Vorabend der Messe wird außerdem der Deutsche Buchpreis für die beste literarische Neuerscheinung des Jahres verliehen. Innerhalb von fünf Jahren ist der Preis zu der für die Branche wichtigsten Auszeichnung geworden, da der Gewinner in der Regel sofort die Bestsellerliste erobert und die Buchlizenz in viele Länder verkauft werden kann.
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