Laute Amerikaner

"Ich bin weniger vom Konzept der Komödie, sondern von einem Konzept von Amerika ausgegangen."
Laut, anarchisch, verstörend: Subversive Komödien aus den USA stehen heuer im Mittelpunkt der Viennale-Retrospektive. Das vom Wiener Filmfestival gemeinsam mit dem Filmmuseum veranstaltete Spezialprogramm startet rund zwei Wochen vor Beginn der regulären Viennale.

Mit "The Unquiet American" kuratierte der US-Autor und Kritiker Jonathan Rosenbaum ein Programm, das fast 60 Filme aus neun Jahrzehnten umfasst. Er beschreibt die Komödien mit dem englischen Begriff "transgressive" - herausfordernd, aufwühlend und erschütternd.

"Elektrisierend"
"Buster Keaton und Jerry Lewis - eine Welt zwischen diesen beiden Gesichtern muss eine elektrisierende und fulminante sein", schwärmte Alexander Horwarth, der Direktor des Filmmuseums, bei der Präsentation am Dienstag.

Die Auswahl reicht von Tex Avery und den Marx Brothers über Howard Hawks, Orson Welles und Billy Wilder bis hin zu John Waters und Wes Anderson. Es geht um sexuelle Dilemmas, um Klassenunterschiede, um ethnische Konflikte, um Themen, die laut Rosenbaum außerhalb von Komödien gar nicht zur Sprache gekommen wären.

"Ein ziemlich hässlicher Amerikaner"
Selbstironisch nehmen diese Filme amerikanische Verhaltensweisen und Unarten aufs Korn, stechen mit feinen Nadeln in neuralgische Punkte der amerikanischen Seele.

Ein Paradebeispiel sei Wilders "Avanti!", erklärte Rosenbaum dem Ö1-"Morgenjournal": "Da gibt es den Helden, dargestellt von Jack Lemmon, der am Beginn der Geschichte unsympathisch, widerwärtig und engstirnig ist und im Laufe des Films auch nicht wesentlich sympathischer wird. Er ist und bleibt ein ziemlich hässlicher Amerikaner", meint Rosenbaum.

Rosenbaums Amerika-Konzept
Mit dem, was sich aus der reichen Welt der US-Komödie nicht im Programm befindet, lässt sich der Anspruch von Rosenbaum beinahe besser definieren als mit dem Programm selbst. Woody Allen fehlt, weil seine Filme laut Rosenbaum "weder ästhetisch noch ideologisch anspruchsvoll" seien.

Weder die Farrelly- noch die Coen-Brüder schafften es in die Auswahl des für seinen Sarkasmus bekannten US-Skeptikers - auch wenn er die beiden Regieduos an und für sich schätzt: "Aber im Endeffekt geht es dort meistens darum, wie raffiniert man zeigen kann, wie dumm andere Leute sind. Die eigene Überlegenheit zu demonstrieren - das ist nicht sehr transgressiv."

Die gezeigten Filme eint hingegen, dass sie auf satirische und zynische Art die rücksichtslose Geisteshaltung des lauten und angeberischen Amerikas anprangern. "Ich bin weniger vom Konzept der Komödie, sondern von einem Konzept von Amerika ausgegangen", erklärte der 66-Jährige.

Viennale startet am 22. Oktober
Eröffnet wird die Filmschau mit "The Heartbreak Kid" von Elaine May aus dem Jahr 1972, das aktuellste Werk ist der 15-Minüter "My Son's Wedding To My Sister-In-Law" von Jim McBride aus dem Vorjahr. Insgesamt läuft die Retrospektive bis 5. November.

Abseits der Retrospektive startet die Viennale-Saison heuer am 22. Oktober. Das Programm wird am 13. Oktober verkündet, kurz darauf startet der Vorverkauf. Bekannt ist bereits, dass die in Hollywood wie im Avantgarde-Film erfolgreiche britische Schauspielerin Tilda Swinton Wien besuchen wird. Ihr widmet die Viennale ein Tribute.

Finale mit Coens
Auch einige der Filme wurden schon angekündigt, darunter Lars von Triers umstrittener "Antichrist", Francis Ford Coppolas "Tetro" und Steven Soderberghs "The Girlfriend Experience" mit dem Pornostar Sasha Grey in der Hauptrolle.

Eröffnungsfilm ist erstmals in der Viennale-Geschichte eine Produktion aus Österreich, "La Pivellina" von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Und die Coen-Brüder, die in der Retrospektive nicht zum Zug kommen, liefern mit ihrer neuen schwarzen Komödie "A Serious Man" den Abschluss des Hauptprogramms.

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