Cameron Willingham unschuldig hingerichtet?

Willingham wurde wegen eines Gutachtens verurteilt, das möglicherweise falsch war.
Neben vielen Menschenrechtsorganisationen und engagierten Bürgerrechtlern hat in den USA zuletzt eine relativ junge Vereinigung für Unruhe bei der Justiz gesorgt - weil sie sich einzelnen Fällen widmet und nicht lockerlässt, bis die Unschuld von Verurteilten bewiesen ist.

Die Gruppe nennt sich "The Innocence Project" und hat vor allem den DNA-Beweis zum Mittel ihres Kampfes gemacht. Mit selbst finanzierten Ermittlungen können sie so beinahe im Jahresrhythmus die Unschuld einzelner Häftlinge beweisen, die Jahrzehnte in Haft waren.

"Unschuldige Person hingerichtet"
Mit dem Fall von Cameron Willingham geht das "Project" noch einen Schritt weiter: Willingham wurde am 17. Februar 2004 in Texas hingerichtet. Seit drei Jahren arbeiten die Aktivisten an seinem Fall, mittlerweile stehen die Behörden von Texas mit dem Rücken zur Wand.

"Innocence Project"-Koleiter Barry Scheck ist mittlerweile überzeugt: "Es gibt keinen Zweifel mehr, dass eine unschuldige Person hingerichtet wurde." In Willinghams Fall geht es nicht um DNA-Analysen, sondern eine Aufarbeitung der gesamten damaligen Ermittlungen.

Gutachter mit "armseligen Kenntnissen"
Willingham war zum Tode verurteilt worden, weil seine zweijährige Tochter und seine einjährigen Zwillinge in einem Feuer umgekommen sein sollen, das laut einem Gutachten gelegt worden war. Dafür kam nur Willingham als damals einzig im Haus anwesender Erwachsener infrage.

Laut den Recherchen des "Project" aufgrund von Aussagen und Tatortfotos war das Gutachten - die einzige Grundlage für Willinghams Verurteilung - jedoch falsch. Es strotze nur so vor "armseligen Kenntnissen über die Natur von Bränden".

Kein netter Mensch, aber kein Mörder?
Willingham war alles andere als ein netter Mensch. Er selbst räumte vor seinem Tod ein, dass er mit seiner jungen Frau oft tätliche Auseinandersetzungen hatte und ihm seine Autos wichtiger waren als seine Familie: "Ich war so eingenommen von mir und so dumm."

Noch bei der Hinrichtung beteuerte er jedoch seine Unschuld - allerdings mit so vielen Verfluchungen seiner Frau, die nicht zu seinen Gunsten aussagen hatte wollen, dass die texanischen Justizbehörden seine letzten Worte in ihrer Datenbank nur gekürzt wiedergeben.

Öllampe statt Brandbeschleuniger?
Er sei selbst an jenem Morgen des 23. Dezember 1991 in seinem brennenden Haus aufgewacht und hinausgelaufen, um um Hilfe zu rufen, hatte Willingham von Anfang an betont. Die damaligen Gutachter hatten jedoch gemeint, am Tatort sei offenbar Brandbeschleuniger verwendet worden.

Die Untersuchungen des "Innocence Project" ergaben jedoch, dass Willingham möglicherweise die Wahrheit sagte, als er einen Kurzschluss oder eine umgefallene Öllampe für den Brand verantwortlich machte. Nur einer der beiden damaligen Gutachter ist noch am Leben.

Gutachter wettert gegen "Gutmenschen"
Der damalige Gutachter Douglas Fogg meinte zuletzt in einem Zeitungsinterview, die "Gutmenschen, die gegen die Todesstrafe sind, wollen jetzt wieder alles hochkochen. Endlich haben sie jemanden, der ihnen erzählt, was sie hören wollen."

Allerdings räumt auch Staatsanwalt John Jackson ein, dass das Gutachten "fehlerhaft" gewesen sein dürfte und "die Beweismittel wohl nicht für eine Verurteilung gereicht hätten, hätten wir damals nicht bewiesen, dass das Feuer auf Brandstiftung zurückzuführen war".

Fall wird neu aufgerollt
Ein texanischer Justizausschuss wurde inzwischen mit einer nochmaligen Untersuchung des damaligen Brandgutachtens befasst. Sein Urteil darüber wird für November erwartet. Der Bundesstaat Texas als eiserner Befürworter der Todesstrafe könnte damit unter Druck kommen.

Der Justizausschuss befindet nicht über Willinghams Schuld, sondern nur über die Korrektheit eines Verfahrens. Texas könnte danach aber zumindest gezwungen sein, die Hinrichtung eines Mannes ohne ausreichende Beweise rechtfertigen zu müssen.

Kommission auf Linie gebracht?
Der texanische Gouverneur Rick Perry tut offenbar das Seine dazu, damit es nicht so weit kommt. Am Mittwoch wurden drei als unbequem geltende Kommissionsmitglieder durch andere ausgetauscht, ein geplantes öffentliches Hearing wurde abgesagt.

Lukas Zimmer, ORF.at

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