"Sie haben 18-, 19-, 20-mal zugestochen"

"Medizinisches Team hat wegen früheren Drogenkonsums Probleme, offene Vene zu finden".
Erstmals seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976 ist in den USA eine Exekution ausgesetzt und eine Angelegenheit für die Gerichte geworden: Der Fall könnte gegen das verfassungsrechtliche Verbot einer absichtlich grausamen Bestrafung von Menschen verstoßen.

Mehr als zwei Stunden lang hatten Justizangestellte im Gefängnis von Lucasville im Bundesstaat Ohio am 15. September beim 53-jährigen Romell Broom nach einer geeigneten Vene für die Injektion von Gift gesucht und ihn schließlich wieder von der Bank losgeschnallt.

Fragwürdige Protokolleinträge
Die Gefängnisleitung rechtfertigte sich mit einer angeblichen Drogenvergangenheit Brooms. Der Eintrag "Medizinisches Team hat wegen früheren Drogenkonsums Probleme, offene Vene zu finden" wurde dem Protokoll jedoch erst kurz vor dem Abbruch der Exekution hinzugefügt.

Eine - nie bewiesene - Drogensucht des Verurteilten müsse zudem mindestens 25 Jahre zurückliegen, betonte dessen Anwältin Adele Shank: Broom war zum Tod verurteilt worden, weil er 1984 ein minderjähriges Mädchen vergewaltigte und umbrachte.

"Überallhin gestochen"
"Sie haben 18-, 19-, 20-mal zugestochen, in den Arm, ins Bein, überallhin", sagte Brooms Anwalt Timothy Sweeney. Das sei "ungeheuer schmerzhaft" gewesen, so dass sein Mandant am Schluss "zusammengebrochen" sei - in physischer wie in psychischer Hinsicht.

Ohios Gouverneur Ted Strickland wollte es bei einem einwöchigen Aufschub für die Hinrichtung bewenden lassen. Er ist Befürworter der Todesstrafe und erklärte, bei der gescheiterten Hinrichtung gehe es um kein grundsätzliches Problem: "Das haben wir schon geregelt."

Verhandlung Ende November
Brooms Anwälte sahen das anders und brachten den Fall erfolgreich vor die Gerichte. Das Gericht ließ es ebenfalls nicht bei einer schlichten Anhörung bewenden und setzte den Gerichtstermin für 30. November fest, weil es sich um einen Fall von großer Tragweite handle.

Brooms Anwälte argumentieren, alleine ein zweiter Versuch einer Hinrichtung wäre nun schon eine grausame - und damit rechtswidrige - Bestrafung. Sie können dabei auf einen Fall aus dem Jahr 1946 verweisen, in dem eine Exekution mit dem elektrischen Stuhl scheiterte.

Bereits einmal Fall für Supreme Court
Damals scheiterte in Louisiana ein Versuch, den Verurteilten Willie Francis hinzurichten. Der Fall kam vor den Supreme Court, der die Hinrichtung in einem zweiten Anlauf nach fast einem Jahr nur mit knapper Mehrheit unter den Richtern (fünf zu vier Stimmen) zuließ.

Qualvolles 34-minütiges Sterben
Doch auch mit den Giftspritzen gab es schon genügend Zwischenfälle. Im Dezember 2006 starb ein Verurteilter im Bundesstaat Florida 34 Minuten lang einen qualvollen Tod, weil das Gefängnispersonal die Venen durchstach und das Gift so in die Muskeln spritzte.

Floridas Gouverneur Jeb Bush, Bruder von Ex-Präsident George W. Bush, setzte daraufhin die Exekutionen aus. Unter seinem Nachfolger Charlie Crist wurden sie wieder aufgenommen. Auch in anderen Bundesstaaten gab es immer wieder Pannen bei den Giftspritzen-Exekutionen.

"Er ist das Leben im Gefängnis leid"
Dass Broom - der nun in Haft spezieller Beobachtung unterliegt - den Fall nutzen will, um seiner Strafe zu entkommen, kann ausgeschlossen werden. Am Abend vor seiner geplanten Hinrichtung sagte er seinem Bruder am Telefon, er sei bereit zu sterben.

"Er ist das Leben im Gefängnis leid und ebenso, dass ihm Leute Tag für Tag sagen, was er zu tun hat", hieß es dazu im Gefängnisprotokoll. In einem Statement der Behörden von Ohio wurde zudem ernsthaft betont, wie "kooperativ" Broom bei der gescheiterten Hinrichtung gewesen sei.

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: