Seit einem Jahr wurde die Datenbank befüllt, nun ist sie auf aktuellem Stand. Das Abtippen brauchte Zeit: Es wurden die Äußerungen aller 441 Hingerichteten erfasst, seit Texas am 7. Dezember 1982 erstmals einen Verurteilten durch eine Giftspritze tötete.
Bis zum Schluss mitgeschrieben
Von 46 Hingerichteten sind keine letzten Worte überliefert. Bei den anderen 395 wurde jedes Detail mitgeschrieben, auch wenn diese die Frage nach einem "Last Statement" nur schweigend verneinten: "Der Verurteilte lehnt es ab, eine letzte Erklärung abzugeben."
Wie der erste erfasste Verurteilte Charlie Brooks beten viele in ihren letzten Minuten. Die Gospelgesänge des 2008 hingerichteten Alvin Kelly wurden mitgeschrieben, bis sie verebbten: "(leise singend) Danke, Herr Jesus (...) Danke Herr Jesus, dass Du an mich denkst ..."
Mit dem Leben schon lange abgeschlossen
Fast alle Verurteilten scheinen nach oft Jahren in der Todeszelle mit ihrem Leben abgeschlossen zu haben - was sich selbst aus so knappen Aussagen ablesen lässt wie: "Ich gehe jetzt an einen schönen Ort. Okay, Wärter, mach' Dein Ding" (Ignacio Cuevas, 1991).
Meist wenden sie sich auch an die eigene Familie und an Angehörige ihrer Opfer - oder angeblichen Opfer, da viele ihrer Unschuld bis zum letzten Moment beteuern, wie Elkie Taylor, der wegen des Mordes am 64-jährigen Otis Flake am 6. November 2008 hingerichtet wurde.
"Ich gehe heim"
"Hallo, braucht Euch um nichts Sorgen zu machen. Ich gehe heim. Ich hoffe, Euch alle einmal zu sehen. Herr, sei meiner Seele gnädig. Für die Flake-Familie: Bleibt stark. Es ist schlimm, einen Mann für etwas sterben zu sehen, das er nicht getan hat", sagte Taylor.
Auch er blieb jedoch ruhig: "Ich nehme das wie ein Mann, wie ein Krieger. Ich gehe heim zu Jesus. Ich liebe Euch alle zusammen, Frieden. Ich bin bereit, Sir ... Vergesst nicht, es meiner Tochter zu erzählen ... Ich bin bereit, Wärter", sagte der 46-Jährige.
"Packen wir's"
Auch der 1995 hingerichtete Carl Johnson betonte seine Unschuld, obwohl er es bei einer der kürzesten aufgezeichneten Aussagen in der Datenbank bewenden ließ: "Ich will die Welt wissen lassen, dass ich unschuldig bin und dass ich meinen Frieden gemacht habe. Packen wir's."
Nur selten geht aus den Worten Verbitterung hervor, etwa aus jenen von James Jackson im Februar 2007: "Wir sehen uns drüben. Wärter, ermorde mich." Ein Dokument purer Verzweiflung sind umgekehrt etwa die letzten Worte von Raymond Kinnamon am 11. Dezember 1994.
"Bin nicht bereit zu gehen"
Nach Grußbotschaften an seine Familie und den Ankläger in seinem Verfahren sagte Kinnamon: "Ich bin nicht bereit zu gehen, aber ich habe keine Wahl. Ich habe einige Briefe an meine Familie geschrieben, sie werden sehr bewegend sein, wenn Ihr sie bekommt."
"Ich möchte noch einmal meinen Buben auf Wiedersehen sagen. Ich weiß, ich habe jemanden ausgelassen", setzte Kinnamon fort und bedauerte, dass er nicht das Vokabular habe, um zu sagen, was er wolle, "weil ich in den Gefängnissen von Texas aufgewachsen bin".
Appell für Ende der Todesstrafe
Kinnamon betonte außerdem: "Ich habe keine Rachegefühle, weil Hass nie etwas löst." Er
sprach offenbar, bis er das Bewusstsein verlor. Ein Großteil des Inhalts ist unbekannt. In den Gefängnisakten wird vom Wärter vermerkt: "Ich konnte ihn nicht verstehen."
Zuvor hatte Kinnamon jedoch noch gesagt: "Wenn meine Worte Euch überzeugen können, mit der Praxis aufzuhören, Leute zu exekutieren, dann bitte tut das. Texas wird kein sicherer Ort sein, wenn die Leute die Todesstrafe nicht loswerden."
Die Todesstrafe ist sinnlos
Damit hatte der seine mangelnde Bildung bedauernde Kinnamon auf den Punkt gebracht, was die Todesstrafe abseits der Diskussionen über ihre Grausamkeit einfach zu einem tödlichen Fehler macht: Es ist eine Tatsache, dass sie aus gesellschaftlicher Sicht sinnlos ist.
Aus juristischer Sicht gibt es nur zwei Gründe für Strafe: weitere Taten eines Verurteilten zu verhindern und durch Abschreckung andere von Taten abzuhalten. Ersteres wird durch lebenslange Haft auch erreicht, Zweiteres funktioniert bei der Todesstrafe gerade nicht.
10,26 Jahre Warten auf den Tod
Seit sich die Rechtslehre mit der Frage nach dem Sinn der Todesstrafe befasst, beweisen Zahlen, Studien und Untersuchungen regelmäßig: Die Strafandrohung lebenslanger Haft senkt Verbrechensraten effektiver als die Aussicht, für ein Delikt hingerichtet zu werden.
Daneben gibt es noch weitere Gründe, bis hin zu den Kosten, denn es bleibt nicht bei den 86,08 Dollar für den Giftcocktail: Todeskandidaten müssen etwa in Texas im Schnitt 10,26 Jahre in - für den Staat äußerst kostspieligen - Hochsicherheitsgefängnissen auf den Tod warten.
Wie Hexen auf dem Scheiterhaufen
Damit bleibt als einziges Motiv für die Todesstrafe ein vages Gefühl übrig, dass ein Gewaltverbrecher "büßen" soll - auch wenn das die Gesellschaft durch höhere Verbrechensraten gerade bei jenen Delikten büßen muss, die mit der Todesstrafe bedroht sind.
Dass das wenig Sinn hat, war auch Thomas Barefoot klar, der als Nummer vier in der Liste 1984 hingerichtet wurde. Seine letzten Worte waren: "Ich hoffe, dass wir eines Tages auf das Böse, das wir jetzt tun, zurückblicken können wie auf Hexen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden."
Lukas Zimmer, ORF.at
Link:
- Executed Offenders (Justizbehörde Texas)