Die Serie mysteriöser Unfälle reißt im Laufe des Films nicht ab: Eine Arbeiterin kommt auf dem Gutshof zu Tode, Kinder werden gequält, und eine Scheune wird ein Raub der Flammen.
Haneke zeigt in seinem zweieinhalbstündigen Schwarz-Weiß-Film die Erziehungsmethoden jener Zeit, die trotz aller Autorität und Härte nicht verhindern können, dass sich dumpfe Gewalt und unterschwelliger Hass ihren Ausbruch bahnen.
Film über unmenschliche Ideale
"Ich wollte eine Geschichte erzählen, in der junge Menschen die Ideale, die ihnen von ihrer Elterngeneration vorgelebt werden, verabsolutieren. Damit werden diese Ideale unmenschlich. Das ist die Wurzel jeder Form von Terrorismus", sagte Haneke bei der Uraufführung in Cannes, wo das Drama bei den diesjährigen Filmefestspielen mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde.
Das titelgebende weiße Band knüpft der Dorfpastor (gespielt von Burghart Klaussner) dabei seinen Kindern nach jedem Fehltritt als mahnende Erinnerung an den moralischen Wert der Unschuld und Reinheit ins Haar oder an den Ärmel - und kontrastiert damit nicht nur die vielen verborgenen dunklen Seiten der Menschen, die im Laufe des Dramas zum Vorschein kommen.
Am Ende des Films steht der Beginn des Ersten Weltkriegs und jene Generation Heranwachsender, die im Zweiten Weltkrieg und im Dritten Reich Führungspersönlichkeiten und Fußvolk stellen werden.
"Kein spezifisch deutsches Problem"
Auch wenn der Film den Untertitel "Eine deutsche Kindheit" trägt, legt Haneke großen Wert darauf, kein spezifisch deutsches, sondern ein globales Problem dargestellt zu haben.
"Ich möchte nicht, dass er nur als Film über den Faschismus verstanden wird. Für die deutschsprachigen Zuschauer kann er jedoch ruhig ein Film über ein deutsches Problem sein", so Haneke.
Im Übrigen verweigerte sich Haneke wie stets näheren Interpretationsfragen: "Ich bemühe mich immer redlich, Fragen möglichst präzise zu stellen, damit sich der Zuschauer seinerseits um Antworten bemüht. Da wäre es kontraproduktiv für mich, auch Antworten zu geben. Ein Film ist wie eine Sprungschanze. Springen muss der Zuschauer!"
Casting der Superlative
"Ich versuche immer, eine spezifische Form für das zu finden, was ich erzählen möchte", sagte Haneke, der rund 7.000 Kinder für diesen Film über ein halbes Jahr gecastet habe, um "altmodische Gesichter" zu finden, "die man sich auf alten Fotos vorstellen kann".
Die Entscheidung, die ORF-Koproduktion in Schwarz-Weiß zu drehen, hatte für Haneke dreierlei Gründe: "Zum einen sind alle Bilder, die wir aus dieser Zeit kennen, schwarz-weiß. Das hat sich bei uns ins Hirn gefressen. Zweitens liebe ich Schwarz-Weiß und ergreife jede Gelegenheit, es zu verwenden. Und drittens dient es auch als Verfremdungsmittel."
"Irgendetwas muss der Film haben"
"Das weiße Band", das in den österreichischen Kinos am Donnerstag anläuft, ist Hanekes erster auf Deutsch gedrehter Film seit "Funny Games" 1997. Nach eigenen Aussagen hatte er die Idee dazu bereits vor zehn Jahren.
Und die internationale Kritik findet ausschließlich anerkennende Worte. Während der britische "Guardian" von einem "imposanten Film" schreibt, hält das Filmblatt "Variety" das Drama für "absolut fesselnd und tadellos gemacht".
"Irgendetwas muss der Film offenbar haben", sagte Haneke anlässlich der Verleihung der Goldenen Palme. Die Auszeichnung sei "vielleicht ganz praktisch für die weitere Arbeit (...) Vielleicht wird es jetzt noch etwas leichter, den einen oder anderen zusätzlich benötigten Euro aufzutreiben."
Für Deutschland ins Oscar-Rennen
Ende August reichte Deutschland den Film für den Auslandsoscar ein, was in der österreichischen Filmwelt für Verstimmung sorgte, da der Film immerhin "sehr österreichisch sei".
Haneke könne nicht in Österreich produzieren, weil hierzulande die Mittel dafür fehlten, meinte dazu Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky. Daher sei "Das weiße Band" eindeutig "ein deutscher Film, weil er auch mit deutschem Geld produziert wurde", so Ruzowitzky.
Links:
- Das weiße Band
- Biografie von Michael Haneke (Wikipedia)
- Filmografie (IMDb)