Der erste große Zank um ein Haus in Wien war jedoch gleich die Ausnahme von der Regel: Adolf Loos' Haus am Michaelerplatz zog sogar den Zorn von Kaiser Franz Joseph I. auf sich, trotzdem blieb der Architekt am Ende siegreich und schuf ein Meisterwerk, das nun 100 Jahre alt wird.
Eine österreichische Geschichte
Das Zustandekommen des Hauses ist allerdings wieder eine typisch österreichische Geschichte: Der noble Herrenausstatter Goldman & Salatsch veranstaltete für seinen "Flagship-Store" vis-a-vis der Hofburg einen Architekturwettbewerb, dessen Resultate aber im Mistkübel landeten.
Die eingesandten Entwürfe waren den Bauherren zu matt, deshalb erteilten sie schließlich freihändig den Auftrag an Loos. Damit bewiesen sie auf jeden Fall PR-Talent: Es war klar, dass der stadtbekannte Provokateur mit dem Luxusbauplatz etwas Besonderes vorhaben würde.
Geheimnisse in aller Öffentlichkeit
Das Haus wurde zum Exempel von Loos' Maxime, dass Ornamente "Verbrechen" seien. Zwar sollte ihm die architektonische Moderne ein paar Jahrzehnte später recht geben - doch im Wien des Ringstraßenzierrats und Jugendstils gab es keinen größeren architektonischen Tabubruch.
Loos konnte seine architektonische Revolution "im Geheimen" starten, obwohl er vor den Augen von ganz Wien baute: Auch alle anderen Häuser in Wien sahen im Rohbau "nackt" aus, bis sie am Ende von Ornamenten umhüllt wurden. Bei Loos warteten die Wiener vergeblich darauf.
Glücksrausch durch Blumenkisterln
Loos täuschte sogar die Bauherren: In seinen ursprünglichen Entwürfen waren noch Verzierungen an der Fassade vorgesehen, tatsächlich ließ er die oberen Stockwerke jedoch weiß und glatt verputzen. Der Gemeinderat erließ einen Baustopp.
Es folgte ein zweijähriges Tauziehen. Loos blieb stur, er wusste: Die Zeit arbeitete für ihn, einen ewigen Rohbau wollte niemand. Als er schließlich die Anbringung von Blumenkisterln gestattete, erlaubte die Stadt im Glücksrausch über den errungenen "Sieg" die Fertigstellung.
Den Kaiser hat's nicht sehr gefreut
Als das fertige Haus für die Wiener noch immer wie ein Rohbau aussah, war der Skandal perfekt. Die Legende besagt, dass Franz Joseph sogar die zum Michaelerplatz weisenden Fenster der Hofburg vernageln ließ und nie wieder in seinem Leben den "Hinterausgang" der Hofburg benützte.
Trotzdem war das Haus von Beginn weg ein Star: Zeitungen brachten nicht nur unzählige Artikel darüber, sondern sogar Karikaturen davon, und Loos selbst verschaffte sich mit Vorträgen über sein genüsslich selbst so betiteltes "hässliches Haus" ein zusätzliches Podium.
Gezupfte Augenbrauen
Weil es keine Gesimse über den Fenstern hat, wurde es für die Bevölkerung zum "Haus ohne Augenbrauen". Wie oft in Wien erkannte man erst spät, was man daran hatte. 1947 wurde es halbherzig unter Denkmalschutz gestellt, erst 1987 wieder in einen akzeptablen Bauzustand versetzt.
Ob Loos' Botschaft heute angekommen ist, darf trotzdem bezweifelt werden - selbst architekturbeflissene Touristen fotografieren meist lieber das vergleichsweise üppig gestaltete Portal als die spartanischen Details darüber oder dahinter.
Entweder Kunst oder Architektur
Auch viele Architekten scheinen Loos' Lektion noch immer nicht begriffen zu haben. Architekten, die sich als Künstler begriffen, waren ihm ein Gräuel. Er verstand seine Häuser immer nur als möglichst kompromisslosen Ausdruck baulicher Qualität.
Kunstwerke hätten "revolutionär" zu sein, weil sie "die Menschen aus ihrer Bequemlichkeit reißen" müssten, schrieb Loos, während er an dem Haus baute. Häuser seien jedoch per Definition "konservativ" - ihr einziger Sinn sei, "der Bequemlichkeit zu dienen".
Lukas Zimmer, ORF.at
Links:
- Looshaus (Wikipedia)
- Looshaus (Site des Eigentümers Raiffeisen)
- Looshaus (Achitekturzentrum)
- Adolf Loos (Wikipedia)