Die selten gespielte Thomas-Bernhard-Komödie "Immanuel Kant" war eigentlich Hartmanns Abschiedsproduktion in Zürich und wurde nun in Wien ins neue Repertoire aufgenommen. In den Hauptrollen glänzen zwei wohl bekannte Theaterstars: Michael Maertens und Sunnyi Melles.
31 Jahre nach der Uraufführung in der Regie von Claus Peymann in Stuttgart kommt "Immanuel Kant" damit zum ersten Mal in Österreich auf die Bühne. Bernhard schickt darin den deutschen Philosophen Kant auf einem Luxusdampfer nach New York - mit an Bord neben seiner Entourage eine ebenso bunte wie prominente Mischung an Mitreisenden.
Papagei und grüner Star
Zweck der Reise soll einerseits die Verleihung einer Ehrenprofessur der Columbia-Universität sein. Andererseits steht eine dringend notwendige Augenoperation an - Kant leidet am grünen Star und erwartet, "sehkrank" auf hoher See, die baldige Ankunft und die Obhut der besten Ärzte der Welt.
Es ist eine absurde Reise des Philosophen, der es in Wirklichkeit - wie im Stück des Öfteren betont wird - kaum aus Königsberg hinausgeschafft hat: "Aber wo Kant ist/ist Königsberg."
Und wo Kant ist, ist bei Bernhard auch Friedrich, der übermenschlich intelligente Papagei, der, abgehackt zwar, einen philosophischen Bogen aufspannt von der Spätaufklärung bis zur Sprachskepsis.
Eine geschlossene Schiffsanstalt
Volker Hintermeiers Bühnenbild schwankt und schaukelt - zuerst von links nach rechts, dann von vorne nach hinten, mal stärker, mal schwächer. Das Stück spielt großteils auf dem Sonnendeck des Dampfers.
Die Umsetzung als geschlossener Raum, rundum mit zarten Wölkchen bemalt und durch Bullaugen beleuchtet, vermittelt eine surrealistische Atmosphäre, die der Mehrdeutigkeit des Textes Raum lässt.
Kant auf dem Sonnendeck
Wenn Maertens als Immanuel Kant die Bühne betritt, ist noch nicht klar, wohin die Reise an diesem Abend geht. Despotisch, cholerisch und herablassend tyrannisiert er seine Frau (Karin Pfammatter), den als Diener verpflichteten Bruder Ernst Ludwig (Hermann Scheidleder) sowie die Besatzung des Dampfers.
Mit philosophischen Stehsätzen und hintergründig-bösen Egoismen sorgt Maertens für Lacher im Publikum. So richtig in Fahrt kommen will die Inszenierung während seiner Monologe aber nicht.
Alkoholisierte "Millio-Närrin"
Der Auftritt von Melles im zweiten Akt ist ein Lichtblick. Als überspannte Millionärin, deren Reisezweck es ist, die Bergung der "Titanic" zu veranlassen, erobert sie vom ersten Moment an die Bühne. Genauso permanent, wie sie Alkohol in sich hinein- und im fortgeschrittenen Stadium auch über die Bühne schüttet, plappert und turnt Melles über das Schiff.
Sie spielt mit einer ungemeinen Leichtigkeit den totalen Irrsinn und balanciert dabei gekonnt auf der feinen Klinge der absurd-komischen Bernhard-Tragik.
Starensemble in Minirollen
Beim als Lampionfest gefeierten Captain's Dinner kommt schließlich gegen Ende noch ein hochkarätiges Ensemble zum Vorschein - Johann Adam Oest, Hans-Michael Rehberg, Oliver Masucci und Marcus Kiepe erhalten nur eine kurze Chance und wenig Text zum Glänzen.
Hartmann setzt in der Inszenierung eher auf Slapstick und Klamauk und umschifft dabei eine tiefere Ausleuchtung der raffinierten Satire Bernhards. Übrig bleibt damit eine Boulevardkomödie, die vom Publikum am Premierenabend in Wien durchwegs gut angenommen wurde. Für den Jubel sorgten in erster Linie Melles und Maertens.
Sophia Felbermair, ORF.at
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