Man kann Lorens Biografie auch als Geschichte von der landesflüchtigen Ehebrecherin, dem Steuerflüchtling mit Gefängniserfahrung und dem unehelichen Kind einer krankhaft ehrgeizigen Mutter erzählen, die aus ihrem Kind von Anfang an einen Star machen wollte.
Das Märchen vom hässlichen Entlein
Zu ihrer Herkunft aus ärmsten Verhältnissen stand Loren stets - passte sie doch gut zur Geschichte vom Niemand, der zum Star wird. Die offizielle Version: Das hässliche Entlein Sophia mit den dünnen Beinen aus den Slums von Pozzuoli wird zufällig entdeckt und zum Star.
In Wirklichkeit wurde die junge Sofia Scicolone, so Lorens wirklicher Name, bereits als Kind ohne Pause durch Talentwettbewerbe und Misswahlen geschleift - wohl auch, weil ihre Mutter damit ihre eigene Besessenheit mit der vermeintlich verpassten Starkarriere auslebte.
Gutes Aussehen als Kapital
Sophias Mutter gewann als Teenager einen Talentwettbewerb der Filmfirma MGM. Die Träume von der großen Schauspiellaufbahn zerplatzten jedoch schon an der Ablehnung der Eltern. Wenig später wurde sie ungewollt schwanger. Sofia kam am 20. September 1934 zur Welt.
Der Vater verließ Sofias Mutter bald danach. Die war von da an nur von dem Gedanken beseelt, dass ihre Töchter es besser haben sollten: Bei Sofia bedeutete das, aus deren gutem Aussehen Kapital zu schlagen; bei ihrer Schwester Anna, ihr eine "gute Partie" zu suchen.
Die Mussolini-Connection
Anna heiratete Romano Mussolini, Sohn des faschistischen Diktators Benito Mussolini. Die mehr als umstrittene Politikerin Alessandra Mussolini ist Lorens Nichte. Eine Abgrenzung zu deren rassistischen und radikalen Parolen war von Loren nie zu hören.
Loren hatte Mussolini nach Kräften gefördert, als diese in den 70ern und 80ern noch glaubte, Schauspielerin werden zu müssen. Damals galt in Italien: Wenn man die Loren für einen Film haben will, muss auch eine Rolle für Mussolini im Script stehen.
Sauberfrau-Image nur für sich selbst
Im Unterschied zu Lorens eigenem Sexy-aber-Sauberfrau-Image war sie bei Mussolini weniger zimperlich und drängte sie zu Nacktaufnahmen, um ihre Popularität zu steigern. Den Mangel an Talent bei Alessandra konnte aber am Ende nicht einmal die brachialste Protektion wettmachen.
Auch bei der eigenen Karriere überließen Loren und ihre Mutter nichts dem Zufall. Die Beziehung der jungen Sophia zum verheirateten und um 22 Jahre älteren Filmmogul Carlo Ponti war das Resultat, nachdem er die 16-Jährige bei einer Misswahl kennengelernt hatte.
Bigamie und Gefängnis
Darüber, ab wann Ponti und Loren ein Paar waren, schweigt sie sich bis heute aus. 1957 heirateten sie. Ponti hatte sich zuvor in Mexiko scheiden lassen. Das Papier akzeptierten die italienischen Behörden jedoch nicht, Loren war nun offiziell Konkubine, Ponti Bigamist.
Das Dilemma wurde erst gelöst, als alle drei 1966 die italienische Staatsbürgerschaft zurücklegten. Noch ein weiteres Mal kam Loren in Konflikt mit den italienischen Behörden: 1982 verbrachte sie wegen Steuerflucht 18 Tage im Gefängnis von Caserta.
Nur im "Notfall" gute Schauspielerin
Auch Sohn Carlo Ponti jr. kam schon öfter wegen Trunkenheit am Steuer mit dem Gesetz in Konflikt. Ansonsten gilt auch für ihn und seinen Bruder Edoardo: Obwohl die Mutter ihre Versuche in Film und Musik energisch förderte, blieben die Karrieren bisher bedeutungslos.
Das macht auch den Unterschied zwischen Loren und dem Rest ihrer Familie aus - denn dass sie tatsächlich Talent hat, steht außer Zweifel. Auch damit ging sie jedoch sparsam um: Schauspielerische Glanzleistungen gibt es von ihr nur, wenn es nötig ist.
Gegen das eigene Image anspielen
Es ist wohl kein Zufall, dass Loren immer dann gut gespielt hat, wenn sie ihr Image gegen den Strich bürsten konnte - etwa in ernsten Rollen wie in Vittorio de Sicas "Und dennoch leben sie". Für die Verfilmung des Romans von Alberto Moravia bekam sie 1961 den Oscar.
Die begnadete Komödiantin kehrt Loren hervor, wenn sie Parodien von Verführerinnen geben kann - zuletzt in Robert Altmans "Pret-a-Porter" (1994), in dem sie sich gemeinsam mit Marcello Mastroianni über die Vergangenheit als Italiens Film-Traumpaar lustig machen konnte.
"Ich will ein Star sein"
Geht es nach Loren, braucht es für den Weg zum Star allerdings weder Talent noch Glück oder ihr gutes Aussehen. In einem seltenen ehrlichen Moment sagte sie 2007, man müsse für Starruhm nur "wirklich stur sein und wissen, was man will".
Wer eine große Karriere wolle, müsse leidenschaftlich sein, sich selbst zahlreiche Opfer abverlangen und auf Privatleben verzichten, so Loren damals. Vor allem aber müsse man "sich jeden Tag und jede Stunde immer wieder sagen: Ich will ein Star sein."
Lukas Zimmer, ORF.at
Links:
- Sophia Loren (Wikipedia)
- Sophia Loren (IMDb.com)